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Jesus als Comicfigur.
Die App "Text with Jesus" bietet Gespräche mit virtuellen Bibelfiguren.
Die App "Text with Jesus" bietet Gespräche mit virtuellen Bibelfiguren.
iStock.com/yusak_p

„Göttlicher Chat“: KI-Jesus beantwortet Fragen

11.10.2025 um 15:20, Simone Reitmeier
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KI trifft Glaube: Mit Apps wie „Text With Jesus“ oder KI-Beichte in Luzern erobert künstliche Intelligenz die Religion – zwischen Segen, Kritik und Neugier.

Egal, in welche Branche man einen Blick wirft: Künstliche Intelligenz (kurz KI) ist offenbar das Gebot der Stunde – und hat mittlerweile auch in der Welt der Religion Einzug gehalten. Mit der App „Text With Jesus“ (Catloaf Software) können Nutzer Fragen an virtuelle Figuren wie Jesus, Maria, Josef und fast alle Apostel stellen. Die Anwendung basiert auf dem neuesten ChatGPT-Sprachmodell GPT-5 und liefert automatisierte Predigten zu Wunschthemen. Während viele Gläubige das Angebot begeistert annehmen, empfinden andere es als Blasphemie. Trotz dieser Kritik erreicht die App im App Store 4,7 von 5 Punkten. 

Digitale Glaubenshilfe im Trend

Religiöse Chatbots erleben derzeit einen Boom. Sie sollen in einer Zeit schnellen gesellschaftlichen Wandels Rat, Trost und spirituelle Orientierung bieten. Stephane Peter, CEO des US-Entwicklers Catloaf Software, erklärt: „Dies ist eine neue Möglichkeit, religiöse Themen auf interaktive Weise anzusprechen.“ Laut den Entwicklern liefert GPT-5 deutlich bessere und überzeugendere Antworten als frühere Versionen. Die virtuellen Figuren beteuern dabei stets, keine Bots zu sein. 

Für KI-Satan muss man zahlen

In der Gratis-Version sind übrigens nicht alle biblischen Charaktere verfügbar, manche werden erst in der Bezahlversion (2,99 USD pro Monat) freigeschaltet. Darunter fallen beispielsweise Erzengel Gabriel, Adam und Eva sowie Satan. Letzterer ist nicht von vornherein freigeschaltet, eine Interaktionsmöglichkeit muss vorher aktiviert werden. 

Online-Seelsorge

Auch andere Anbieter setzen auf KI. Die Plattform „Catholic Answers“ brachte 2024 zunächst den Bot „Father Justin“ heraus, was jedoch für Irritation sorgte. Viele Gläubige empfanden die Darstellung eines virtuellen Priesters als anstößig. Dazu kam, dass der Bot teils falsche oder skurrile Dinge von sich gab. Wenige Tage nachdem er online ging, war Father Justin aber auch schon wieder Geschichte. Aufgrund der regen Kritik wurde der Bot in „Justin“ umbenannt, trägt nun keine Kirchenkleidung mehr und dient nur noch als Laientheologe. „Wir wollen Menschen nicht ersetzen. Wir wollen nur helfen“, betont Christopher Costello, Direktor für Informationstechnologie bei Catholic Answers. 

Jesus-Avatar nimmt Beichte ab

In Luzern sorgte 2024 ein ungewöhnliches Projekt für Aufsehen: In der Peterskapelle konnten Besucher in einem Beichtstuhl mit einem von Künstlicher Intelligenz gesteuerten „Jesus“ sprechen. Das Experiment lief über zwei Monate und nutzte ChatGPT, das mit Bibeltexten aus dem Neuen Testament trainiert war. Rund 900 Gespräche wurden geführt, viele Teilnehmende beschrieben die Erfahrung als spirituell bereichernd. Gleichzeitig gab es Kritik, da Antworten oft oberflächlich oder klischeehaft wirkten und teils traditionelle Rollenbilder reproduziert wurden. Während die Aktion internationale Aufmerksamkeit bis hin zum Vatikan erregte, betonten die Initiatoren, dass es sich nicht um eine echte Beichte handelte und eine dauerhafte Einrichtung nicht geplant sei. 

Zustimmung aus Kirchenkreisen

Laut Peter von Catloaf Software stehen aber nicht alle Geistlichen den digitalen Seelsorgern ablehnend gegenüber. Vielmehr würden einige darin Werkzeuge der Aufklärung sehen. Auch der Vatikan befasse sich mit dem Thema: Papst Franziskus habe im vergangenen Jahr Demis Hassabis, Mitbegründer von Google DeepMind, in die Wissenschaftsakademie des Heiligen Stuhls berufen.

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