Direkt zum Inhalt
Anton Pelinka bei einem öffentlichen Auftritt – der Politikwissenschafter prägte jahrzehntelang die politische Debatte in Österreich.
Politikwissenschaftler Anton Pelinka ist im Alter von 83 Jahren verstorben.
Politikwissenschaftler Anton Pelinka ist im Alter von 83 Jahren verstorben.
HANS PUNZ / APA / picturedesk.com

Anton Pelinka (83) ist gestorben

03.10.2025 um 19:03, Stefanie Hermann
min read
Anton Pelinka ist tot. Der Österreich-Erklärer und Politikwissenschaftler ist im Alter von 83 Jahren nach langer, schwerer Krankheit verstorben.

Österreich trauert um einen seiner bedeutendsten Politikwissenschaftler: Anton Pelinka ist tot. Pelinka ist am Freitag, 3. Oktober, im Alter von 83 Jahren nach langer, schwerer Krankheit in Innsbruck verstorben. Er galt als einer der wichtigsten Politologen der Nachkriegszeit, der nicht nur die universitäre Forschung, sondern auch die öffentliche Diskussion über Politik maßgeblich mitgeprägt hat.

Pelinkas frühe Jahre und wissenschaftlicher Aufstieg

Geboren am 14. Oktober 1941 in Wien in ein katholisches Elternhaus mit tschechisch-deutschen Wurzeln, erlebte Anton Pelinka schon als Kind die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. "Ich bin als dreijähriges Kind, begleitet von meiner Mutter und meiner älteren Schwester, durch den brennenden ersten Bezirk gegangen. Diese Bilder habe ich eingespeichert", erzählte er in seinem letzten Interview gegenüber dem Falter.

Nach dem Studium der Rechts- und Politikwissenschaften begann er eine akademische Laufbahn, die ihn zunächst nach Deutschland und später zurück nach Österreich führte. Bereits mit Mitte zwanzig erhielt er den Dr.-Karl-Renner-Publizistikpreis und den Staatspreis für publizistische Leistungen. 1975 wurde er Professor an der Universität Innsbruck, wo er das Institut für Politikwissenschaft mit aufbaute und das Fach nachhaltig etablierte.

Politik ist ein Teil des menschlichen Zusammenlebens, unvermeidlich. Es ist weder gut noch schlecht, dass es sie gibt. Ich versuche nur zu verstehen, warum es Politik gibt und wie man sie vielleicht verändern könnte.

Anton Pelinka, ORF 2001

Internationale Stationen und Forschungsschwerpunkte

Pelinkas wissenschaftliche Arbeit umfasste unter anderem die Demokratietheorie, den Vergleich politischer Systeme sowie die Auseinandersetzung mit Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Seine Analysen galten international als fundiert und pointiert. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn nach Neu-Delhi, New Orleans, Kalifornien, Michigan, Harvard, Brüssel und Jerusalem. Nach mehr als drei Jahrzehnten in Innsbruck wechselte er 2006 an die Central European University (CEU) in Budapest, wo er im Bereich Nationalismusforschung lehrte.

Europa ist die Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Wer Europa schwächen will, spielt mit dem Feuer.

Europa. Ein Plädoyer, Anton Pelinka 2011

Öffentliche Präsenz und pointierte Kritik

Bekannt wurde Pelinka auch durch seine zahlreichen Medienauftritte. Ob im ORF, in Zeitungen wie dem Standard oder im Nachrichtenmagazin profil: Er war einer der gefragtesten Kommentatoren, wenn es darum ging, politische Entwicklungen einzuordnen. Dabei scheute er klare Worte nicht. Besonders scharf setzte er sich mit der FPÖ auseinander, die er als rechtsextrem einstufte, da sie sich „nie wirklich überzeugend mit ihren Wurzeln auseinandergesetzt“ habe. 1999 nannte er Jörg Haider einen Verharmloser des Nationalsozialismus und wurde von diesem verklagt. Der Oberlandesgerichtshof Wien sprach ihn 2001 in letzter Instanz frei.

Populismus bedeutet, dass die Politik der Versuchung erliegt, kurzfristige Emotionen über langfristige Überzeugungen zu stellen.

Anton Pelinka gegenüber profil

Publikationen und Vermächtnis

Pelinkas Werk umfasst eine Vielzahl von Büchern, die Generationen von Studierenden prägten. Dazu gehören unter anderem:

  • Windstille. Klagen über Österreich (1985)
  • Austria: Out of the shadow of the past (1998)
  • Österreichische Politik. Grundlagen – Strukturen – Trends (2000, mit Sieglinde Rosenberger) – lange ein Standardwerk für Studierende
  • Vom Glanz und Elend der Parteien (2005)
  • Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffs (2022)

Stets verband er wissenschaftliche Analyse mit klarer Sprache. Seine Position blieb bis zuletzt unverändert: die Verteidigung der Demokratie gegen rechtspopulistische und autoritäre Strömungen.

Familie und Persönliches

Privat war Pelinka mit der Publizistin Marta Pelinka-Marková, die aus einer tschechischen Familie stammt, verheiratet, mit der er ein gemeinsames Kind hat.

Sein Bruder Peter machte sich in Österreich ebenfalls einen Namen als Journalist und Publizist. Trotz seiner intensiven wissenschaftlichen Tätigkeit galt Pelinka als nahbarer Mensch, der Studierende wie Kollegen ernst nahm und die offene Diskussion suchte.

Krankheit und letzte Lebensjahre

Vor drei Jahren wurde bei Anton Pelinka Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert. Nach einer Operation und mehreren Behandlungen gelang es ihm zunächst, trotz der Krankheit wissenschaftlich und publizistisch aktiv zu bleiben. Auch in dieser Phase war er ein gefragter Analytiker, der politische Entwicklungen in Interviews und Diskussionen kommentierte. Mit fortschreitender Erkrankung zog er sich zunehmend zurück, blieb aber bis kurz vor seinem Tod präsent im öffentlichen Diskurs.

Am 14. Oktober hätte er seinen 84. Geburtstag gefeiert. Österreich bleibt er als eine Stimme der Vernunft und als Gelehrter, der die österreichische Politikwissenschaft maßgeblich geprägt hat, in Erinnerung.

more