Auf die harte Tour
Inhalt
- Die Kunst des langen Atems
- Keine Wunderwuzzis
- Wertvolles Praxiswissen
- Quereinsteigerin „von unten“
- Unternehmerin, Mutter, Politikerin
Sepp Schellhorn versteht es auszuteilen – und er beweist auch eine ordentliche Portion Stehvermögen. Der NEOS-Mandatar und Quereinsteiger hatte nach dem Platzen der ersten Runde der Koalitionsverhandlungen mit der großen Politik eigentlich schon abgeschlossen. Als wortgewaltiger Salzburger Promiwirt verlegte er sich Anfang des Jahres wieder auf das Produzieren von Wutvideos über sinnlose Verordnungen in der Gastronomie, die er auf seinen reichweitenstarken Accounts in den sozialen Medien gerne teilt. Dann gab es nach dem überraschenden Scheitern der Verhandlungen zwischen der stimmenstärksten FPÖ und der zweitplatzierten ÖVP für die Türkis-Rot-Pink-Koalition in einer zweiten Runde doch noch ein Happy End. Botschaft: Herbert Kickl als Kanzler verhindert, Ziel erreicht. Oder zumindest fast. Denn die Regierung hat Herkules-Aufgaben vor sich: Die Staatsschulden sind auf einem Höchststand, die Wirtschaftsleistung schrumpft, die Teuerung ist hoch. Ein gemeinsamer, wenn auch etwas schwer greifbarer Feind war auch schon ausgemacht: die Bürokratie. Die Kettensäge war Anfang des Jahres in aller Munde. Argentinien hat seinen Präsidenten und Brachial-Ökonomen Javier Milei, US-Präsident Donald Trump setzte auf Elon Musk – und Österreich bekam Sepp Schellhorn. Für den Unternehmer wurde ein Staatssekretariat für Deregulierung und Bürokratieabbau im Außenministerium installiert – und er nahm als Sparmeister der Nation einen Audi A8 in der Langversion um 120.000 Euro entgegen. Nachsatz: zu günstigeren Konditionen als das Vorgängermodell. Aber das interessierte kaum mehr in der veröffentlichten Meinung. Der Boulevard schoss sich auf ihn ein und der Shitstorm in den sozialen Medien folgte auf den Fuß.
Die Kunst des langen Atems
Ist Sepp Schellhorn ein Beispiel dafür, wie man in kurzer Zeit in der Politik seine Reputation als Gastronom und Unternehmer aufs Spiel setzen kann? Für die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle verkörpert der kantige Salzburger bestens den Zwiespalt der heutigen Politik. „Er fällt durch sein Verhalten, seine Sprüche auf und Bekanntheit sei zentral für Wahlerfolge und das Einbringen der eigenen Ideen in den politischen Prozess. Gleichzeitig polarisiert er und seine Gegner versuchen, ihm die Reputation abzusprechen. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass das wirklich gelungen ist, weder als Unternehmer noch als Politiker. Hier muss Schellhorn erst langen Atem zeigen und bei der Entbürokratisierung konkrete Erfolge liefern. Ob er das dazu nötige Verhandlungsgeschick hat, wird sich zeigen“, sagt die Expertin, die im CHEFINFO-Interview zum Thema „Politkarrieren“ befragt wurde.
Keine Wunderwuzzis
Politische Quereinsteiger aus der Wirtschaft sind kein neues Phänomen. Der Banker und Industrielle Josef Taus (ÖVP) war neben Hannes Androsch (SPÖ) in den 1970er Jahren eine der ersten prägenden Figuren in der heimischen Innenpolitik, die aus Top-Positionen im Management in die Politik wechselten. Parteien setzten in den folgenden Jahrzehnten ihre Hoffnung auf erfahrene Entscheider und CEOs wie Hans Jörg Schelling (XXXLutz / ÖVP), Hartwig Löger (UNIQA / ÖVP) oder Christian Kern (ÖBB / SPÖ). Neu in den Nationalrat eingezogen sind etwa der ehemalige Bahnmanager und Fast-Finanzminister Arnold Schiefer (FPÖ) oder der Miba-Finanzvorstand Markus Hofer (NEOS). In Oberösterreich sorgte die Wahl des ehemaligen Treasury-Managers und erfolgreichen Unternehmers Martin Winkler zum SPÖ-Chef für Aufsehen. Mit dem 62-Jährigen holen sich die Sozialdemokraten verloren gegangenes Terrain in Wirtschaftskompetenz zurück (siehe Interview S. 48 – 49). Im Rückblick fällt die Bilanz über die Top-Seitenwechsler im politischen Betrieb aber eher ernüchternd aus. Von den zahlreichen Quereinsteigern, mit denen sich der türkise Kanzler Sebastian Kurz umgeben hat, sitzt nur noch der Mathematiker Rudolf Taschner für die ÖVP im Nationalrat. In Erinnerung bleibt vor allem die unglücklich agierende Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck – Stichwort „Kaufhaus Österreich“. Unterhaltungswert hatte das Engagement der Unternehmer-Legenden Frank Stronach oder Richard Lugner. Nachhaltige Spuren haben sie als Politiker nicht hinterlassen. „Erfolgreich in der Politik oder in der Wirtschaft zu sein, erfordert gänzlich andere Eigenschaften. Während es in der Wirtschaft um schnelle Entscheidungen geht, mahlen die Mühlen der Politik wie bekannt oft langsam“, sagt Stainer-Hämmerle. Und dennoch lockt die andere Seite der Macht immer wieder aufs Neue.
Wertvolles Praxiswissen
„Mich treibt die Leidenschaft, etwas zu verändern. Politik weiter nur am Küchentisch zu machen, war mir dann doch zu wenig.“ Nach fast drei Jahrzehnten in der Industrie hat der Oberösterreicher Markus Hofer bewusst die Entscheidung getroffen, seinen Hut in den Ring zu werfen. Der ehemalige Manager will seine Erfahrung einbringen, um die jahrzehntelang stiefmütterlich behandelte Industriepolitik zu reaktivieren und eine Trendwende zu schaffen. Die Mischung aus „Polit-Profis“ und Quereinsteigern aus der Mitte des gesellschaftlichen Lebens sei bei den NEOS sehr wichtig und bringe auf jeden Fall Vorteile. „Wer aus der Wirtschaft oder anderen Bereichen der Gesellschaft in die Politik kommt, bringt neue Perspektiven und wertvolles Praxiswissen mit.“ In Führungspositionen lerne man außerdem, ergebnisorientiert zu arbeiten – statt in populistischen Reflexen hängen zu bleiben. „Ich kenne die Anforderungen und Bedürfnisse der Wirtschaft aus erster Hand. Das hilft mir enorm in der politischen Arbeit. Und ja, ich merke auch, dass die Erfahrung geschätzt wird. Es gibt ja leider sehr wenige Politiker, die aus der Industrie kommen“, sagt Hofer.
Quereinsteigerin „von unten“
Seit Oktober 2024 sitzt die Unternehmerin und Geschäftsführerin von Staudinger Delikatessen GmbH in Nußbach („Holzofen Leberkäse“) für die ÖVP im Oberösterreichischen Landtag. Im Unterschied zu Markus Hofer, der innerhalb eines Jahres von einer Vorstandsposition in die Politik wechselte, hat Staudinger bereits vor 20 Jahren erste politische Erfahrungen im Gemeinderat gesammelt. „In der Kommunalpolitik ist man sehr nah dran an den Menschen und ihren täglichen Sorgen. Dieses Gespür ist auf anderen, höheren Ebenen der Politik enorm wichtig, weil es einen selber erdet und man andererseits weniger Gefahr läuft, an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeizudebattieren. Ich erlebe das bis heute als wertvolle Richtschnur für meine politische Arbeit“, erklärt die studierte Betriebswirtin. Ähnlich wie Hofer wollte sie nicht nur zusehen, sondern als Unternehmerin die Politik aktiv mitgestalten: „Mir ist wichtig, dass politische Entscheidungen nicht nur am Schreibtisch entstehen, sondern die Realität der Unternehmen und Menschen widerspiegeln.“
Unternehmerin, Mutter, Politikerin
Staudinger geht es bei ihrem politischen Engagement nicht um Macht, sondern um die Möglichkeit, mitzugestalten und das Leben für die Menschen in Oberösterreich und seinen Regionen besser zu machen. „Da sehe ich in der Landtagsarbeit, die sich ja nicht nur im Plenarsaal, sondern viel mehr noch in den Ausschüssen und Unterausschüssen abspielt, viel Potenzial“, sagt die Unternehmerin. Grundsätzlich legt Staudinger Wert darauf, ihre Rolle als Unternehmerin und ihre politische Tätigkeit ganz bewusst und sehr konsequent zu trennen. „Vorteile für mein Unternehmen aus meiner politischen Tätigkeit darf es nicht geben.“ Die größte Herausforderung als Frau und Mutter sei es, alles unter einen Hut zu bekommen. Entscheidend seien Disziplin, ein gutes Zeitmanagement sowie ein starkes, verlässliches Team im Unternehmen. „Mein Mann und meine Kinder sind dabei sehr verständnisvoll. Dafür bin ich ihnen besonders dankbar“, erklärt Staudinger.