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Shilouetten von ertrinkendem und Retter auf dem Kai, der Rettungsring wirft
Rettung in letzter Sekunde: Die Wirtschaft Österreichs sucht nach Lösungen.
Rettung in letzter Sekunde: Die Wirtschaft Österreichs sucht nach Lösungen.
Viktor Aheiev/ istockphoto.com

Krise oder Chance: Ist Österreichs Wirtschaft noch zu retten?

21.09.2023 um 16:10, Andrea Schröder
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Betrieben steht das Wasser wirtschaftlich bis zum Hals. Die Nachfrage schwächelt, Umsätze gehen zurück, Mitarbeiter sind Mangelware. Was ist jetzt zu tun?

Der Patient braucht dringend Aufmerksamkeit: Überbordende Bürokratisierung und exorbitante Lohnnebenkosten, die Anforderungen an die Digitalisierung und nicht zuletzt der eklatante Mangel an Arbeitskräften setzen neben Stagflation und Multikrisen der Wirtschaft zu.

Auf Einladung von Weekend Style setzten sich drei Top-Führungskräfte der heimischen Wirtschaft zusammen, um die Frage zu diskutieren: Was tun?

Maria Wedenig, ikp Wien Geschäftsführerin, Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria, Monika Racek, Vorstandsvorsitzende Admiral Casinos im Gruppenbild
V.l: Maria Wedenig, ikp Wien Geschäftsführerin, Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin Leitbetriebe Austria, Monika Racek, Vorstandsvorsitzende Admiral Casinos

Arbeitsmarkt Österreich: Neue Herausforderungen

Und wo anfangen? Beim Klima, und zwar dem zwischen Arbeitgebern und Arbeitskräften. Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin der Leitbetriebe Austria, konstatiert hier eine „Polarisierung. Die öffentliche Auseinandersetzung der Sozialpartner, auch in den Medien, bringt uns jetzt gar nichts.“ Mit Gleichgesinnten hat Rintersbacher die Initiative „Neue Welt der Arbeit“ ins Leben gerufen. Kooperationspartner: die WU. Rintersbacher: „Wir wollen mit Fundiertheit sagen können: Das sind die Themen am Arbeitsmarkt, so ticken die Generationen, und bitte tun wir gemeinsam etwas!“

Werte: Arbeitsmotivation im Wandel

Das aktuell „schlechte Image von Arbeit“ beschäftigt die Vorstandsvorsitzende von Admiral Casinos und Entertainment, Monika Racek. „Meine Ziele damals waren, voranzukommen, meinen Horizont zu erweitern, zu lernen, und eines Tages Personalverantwortung zu haben. Ich höre oft: Das ist mir zu anstrengend. Erfüllung und Befriedigung auch im Beruf finden: Ich versteh nicht, wo diese Werte heute hingegangen sind.“ Sind Mitarbeiter heute also weniger leistungsbereit? Bei ihren eigenen Angestellten können sich die Diskussionsteilnehmerinnen über mangelndes Engagement nicht beschweren, die Motivation passt.

Zukunft der Arbeit: Flexibilität als Schlüssel

„Bei uns ist vieles möglich: Homeoffice, Viertagewoche, Gleitzeit,“ berichtet Maria Wedenig, Managing Partner von ikp Wien, eine der großen PR-Agenturen des Landes. Sie sieht große Veränderungen auf die Arbeitswelt zukommen.

Maria Wedenig,  Geschäftsführerin von ikp Wien, in Großaufnahme.
Wedenig betont die Bedeutung von Flexibilität für junge Arbeitnehmer.

Viele Unternehmen müssen sich durch die digitale Transformation immer wieder neu erfinden. Jene, die etwas umsetzen wollen und PS auf die Straße bringen, werden dabei die Nase vorn haben.

Maria Wedenig

Moderne Arbeitszeitmodelle

Bei ikp hat man erst vor Kurzem neue Arbeitszeitmodelle eingeführt: „In Wirklichkeit geht es um die Flexibilität: früher kommen, später gehen, dazwischen etwas erledigen, einfach flexibler arbeiten. Die Jungen sagen, dass sie das motiviert.“ Wedenig fügt hinzu: „Das Tolle ist, dass sie da sind, wenn es drauf ankommt.“

Aber kommt es für Unternehmen nicht stärker „drauf an“ denn je? Und damit auch für Österreich?

Monika Racek im Porträt
Racek sieht die Politik in der Pflicht. Das Image von Arbeit müsse verbessert werden.

Die Lohnnebenkosten sind in Österreich viel zu hoch. Die Forderung, hier anzusetzen ist uralt. Aber so wichtig!

Monika Racek

32-Stunden-Woche

Die Vorstandsvorsitzende macht sich auch so ihre Gedanken über die Forderung nach der 32-Stunden-Woche: „Okay, man hätte dann zwar mehr Freizeit. Aber man verdient auch weniger und bringt weniger Geld in den Wirtschaftskreislauf ein, das hat Auswirkungen auf Pensionen, Krankenversicherungen und so weiter.“

Teilzeit vs. Vollzeit

Das Gleiche gilt auch für Teilzeit, ein Arbeitsmodell, das in Österreich weit verbreitet ist und - wie Erhebungen zeigen - nicht etwa ausschließlich mit Kinderbetreuungspflichten verbunden ist. Raceks Vorschlag: „Die Politik sollte Anreize für Fulltime schaffen, Goodies, wenn ich bereit bin, nach einer Teilzeitphase wieder Vollzeit zu arbeiten.“

Potenzial der Pensionisten und Generation 50+

Eine weitere potenzielle Zielgruppe zur Behebung des Arbeitskräftemangels: Menschen 50 plus und jene in Pension. Leitbetriebe-Chefin Monica Rintersbacher: „Ich habe einige Mitarbeiterinnen Ende 50, Anfang 60. Die bringen einen Spirit rein! Und sie signalisieren mir: Ich bleib die fünf, sechs Jahre bis zur Pension. Im Gegensatz zur 23-Jährigen, die verständlicherweise Erfahrungen sammeln will.“

Wedenig: „Da schließe ich mich an! Auch hier ist die Politik gefragt. Arbeitsmodelle und Bedingungen müssen dringend flexibilisiert werden. Es muss für Unternehmen attraktiv sein, ältere Arbeitnehmer einzustellen und ihr Know How zu nutzen. Und man muss es steuerlich attraktiver machen, in der Pension weiterzuarbeiten.“

„Wenn du als Pensionist in Teilzeit dazuverdienst, ist in vielen Fällen das halbe Gehalt weg. Das darf nicht passieren,“ pflichtet Monica Rintersbacher bei.

Wien zieht Fachkräfte an

Rintersbacher warnt vor einer weiteren Entwicklung: „Die Betriebe aus den Bundesländern – z. B. Oberösterreich, Vorarlberg, Tirol – errichten Dependancen in Wien, weil sie nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Entwickler, kluge Köpfe aus dem Ausland brauchen. Und die sagen, wenn ich überhaupt nach Österreich komme – dann nach Wien.“ Fachkräfte aus dem Ausland würden hierzulande auch nicht gerade mit offenen Armen empfangen.

Monica Rintersbacher
Monica Rintersbacher: „Genuss und Fantasie treffen im Salon der Träume aufeinander."

Um unsere Willkommenskultur ist es schlecht bestellt. Wir behandeln Fachkräfte aus dem Ausland nicht gut, man lässt sie überall spüren, dass sie keine Österreicher sind. Die Leute, die wir brauchen, kommen nicht mehr zu uns.

Monica Rintersbacher

Konsequenzen für die Wirtschaft

Die fatalen Konsequenzen: „Die Leute, die wir brauchen, kommen nicht mehr zu uns, sondern unsere Betriebe zu ihnen. Das Problem für Österreichs Wirtschaft: Diese Abteilungen kehren zum Teil nicht mehr zurück.“

Packen wir's an!

Die Hände angesichts dieser Herausforderungen resigniert in den Schoß legen? Kommt für Rintersbacher nicht infrage. „Die Botschaft muss lauten: Wir kümmern uns jetzt darum."

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