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Pflanze wird von der Hand einer älteren Person an eine jüngere überreicht  | Credit: istock.com/Nastco
Erfolgreiches Wachstum über Generationen hinweg.
Erfolgreiches Wachstum über Generationen hinweg.
istock.com/Nastco

Ethik: Die Kraft erfolgreicher Familienbetriebe

13.06.2023 um 07:30, Rudolf Grüner
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Sie sind Treiber der Wirtschaft und bilden ihr Wertefundament. Langfristig Erfolg haben nur jene, die ethische Werte kennen und ihr Handeln danach ausrichten.

Beim Thema Familienunternehmen stapeln wir gerne tief, denken in bescheidenen Kategorien mit regionaler Bedeutung. Wir lieben den Bäcker oder Fleischer ums Eck, den zuverlässigen Handwerksbetrieb oder den Busunternehmer, der selbst noch hinterm Steuer sitzt. Die Kleinen sind das Rückgrat der Wirtschaft, sie bringen Lebensqualität und beschäftigen in Summe die meisten Mitarbeiter. Doch das Thema Familienunternehmen ist beachtenswert breit, vielschichtig und höchst spannend. Es ist eine Urform der unternehmerischen Tätigkeit, die bereits die Antike dominierte. Prägend für die Wirtschaft der Neuzeit waren Pioniere wie die Fuggers, Thurn und Taxis oder die Rothschilds. Familienunternehmen haben in den letzten Jahren deutlich an Wert gewonnen – nicht nur aufgrund der von Investmentbankern und Immobilienhaien im Jahr 2008 ausgelösten Finanzkrise. Family Business – das ist eine dauerhafte, weltweite Kraft.

Weltweiter Siegeszug

Global gesehen sind drei Viertel aller Betriebe Familienunternehmen. Im deutschsprachigen Raum beträgt der Anteil 90 Prozent. Ein großer Teil der Wirtschaftsleistung in Europa ist ohne das unternehmerische Engagement von Familien und Dynastien nicht denkbar. Große und bekannte Namen sind beispielsweise Porsche und Piëch (Volkswagen), Quandt (BMW), Barilla (Nudeln), Kristiansen (Lego), Heineken (Bier), Agnelli (Fiat) oder Kamprad (Ikea). Die Geschichte der USA ist geprägt von den Rockefellers, Astors, Carnegies und Lockheeds. In Österreich sind es Namen wie Swarovski, Wenckheim, Mayr-Melnhof oder Mateschitz.

Schwächen im System

Familienunternehmen haben ein äußerst positives Image, gelten als attraktive Alternative zu Großkonzernen, setzen mit krisenresistenter Eigentümerstruktur auf soziale Verantwortung und üben sich in langfristigem strategischem Handeln, statt im schnellen Abcashen auf Kosten anderer. Freilich ist nicht alles Zucker. Eine der Hauptfragen ist: Wie erhält man ein Familienunternehmen über Generationen am Leben? Rund zehn Prozent schaffen es in die dritte Generation, nur ein Prozent erreicht die fünfte Generation. Hier liegt laut Unternehmensberater Reinhard K. Sprenger eine der Grundschwächen im System: „Das dynastische Prinzip verengt den Talente-Pool weiter und geht mit dem ökonomischen Prinzip nicht gut zusammen.“

Fünf Wege zum Erfolg

Hinzu kommt, dass nachfolgende Generationen das Feuer der Gründer verlieren. Warum manche Unternehmen nach mehreren Generationen dieses Feuer immer noch in sich tragen, dieses Geheimnis untersuchte eine kanadisch-britische Studie. Befragt wurden 21 Winzerfamilien in Deutschland, die sich auf einen Generationswechsel vorbereiteten. Das durchschnittliche Weingut wurde vor elf Generationen im 18. Jahrhundert gegründet, beim ältesten war die 33. Generation am Werk. Fünf Faktoren unterscheiden die wachstumsstarken, innovativen Unternehmerfamilien von jenen, die sich kaum weiterentwickelt haben: der Stolz auf die eigene Geschichte, die frühe Einbindung der Nachfolger, eine gute Ausbildung, die Vorbildwirkung der älteren Generation und die Verantwortung, die mit dem Besitz und Erbe einhergeht.

Mann mit schwarzem Anzug gibt Papierrolle an Mann im blauen Anzug weiter | Credit: istock.com/Naypong
Familienunternehmen sind Rückgrat der heimischen Wirtschaft und leisten einen gesellschaftlichen Beitrag.

Woher die Kraft kommt

Mit Tradition alleine machen Unternehmen auf den Weltmärkten keine Meter – außer sie sind Erzeuger von Mozartkugeln oder Manner-Schnitten. Aber selbst das täuscht: Ohne moderne Produktionsabläufe, gutes Marketing und Spitzenkräfte sind auch sie nicht wettbewerbsfähig. Tradition und Innovation sind keine Gegensätze. Tradition im besten Sinne kann als Wertefundament dem Unternehmen Kraft geben, Neues in die Welt zu setzen, um besser und schneller als die anderen zu sein. Gerade in Österreich gibt es zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Unternehmen wie Engel, Doppelmayer, Plasser & Theurer oder XXXLutz. Viele Familienbetriebe haben ein enormes Wachstum in den letzten Jahren hingelegt – ohne auf ihre historischen Wurzeln zu vergessen.

Rot-weiß-rote Erfolge

Die umsatzstärksten Familienunternehmen der Welt konnten laut „Global Family Business Index“ ihren Umsatz im letzten Jahr im Vergleich zu 2021 um 14 Prozent steigern, wie die Prüfungs- und Beratungsorganisation EY gemeinsam mit der Universität St. Gallen errechnet hat. Die asiatischen Unternehmen im Ranking steigerten ihren Umsatz um 21 Prozent, die nordamerikanischen um zwölf Prozent. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der österreichischen Vertreter unter den größten 500 Familienunternehmen der Welt auf sieben gewachsen – damit kommt aktuell ein Prozent der umsatzstärksten Familienunternehmen weltweit aus der rot-weiß-roten Alpenrepublik. Spar, Red Bull und Benteler sind hier auf den Spitzenpositionen. Darauf folgt XXXLutz. Auf den Rängen fünf und sechs sind ALPLA und Egger angesiedelt; Platz sieben geht an die Mayr-Melnhof AG, die es auch unter die Top 500 geschafft hat. „Familienunternehmen sind ein Garant für Stabilität und nachhaltiges Wachstum, sie sind von Pragmatismus und nachhaltigem Denken geprägt und haben in schwierigen Zeiten einen langen Atem“, kommentiert Erich Lehner, Managing Partner Markets bei EY Österreich und verantwortlich für den Bereich Family Business, die Ergebnisse des Rankings. „Bemerkenswert ist, wie gut auch österreichische Familienunternehmen unterm Strich durch die Pandemie gekommen sind. Heimische Betriebe in Familienhand sind ein wichtiger Wirtschaftsmotor und so bereichern sieben erfolgreiche Global Player ‚Made in Austria‘ auch den Wirtschaftsstandort Österreich immens“, so Lehner.

Erich Lehner mit Brille und im Anzug | Credit: EY / Christina Häusler
Erich Lehner, Managing Partner Markets und Verantwortlicher für Familienunternehmen bei EY Österreich

Familienunternehmen sind nachhaltig und resilient. Dort fallen Entscheidungen, die sich nicht nur an kurzfristigen Erfolgsfaktoren orientieren.

Erich Lehner Managing Partner, EY Österreich

Hauptmotivation

Wachsende Familienbetriebe werden oft von Menschen geführt, die sich nicht in ein Muster pressen lassen. Für Professor Hermann Simon, der den Begriff der „Hidden Champions“ prägte, gibt es dennoch Gemeinsamkeiten, die viele Erfolgreiche auszeichnen. Als die wichtigsten Merkmale bezeichnet er Identität von Person und Mission, fokussierte Zielstrebigkeit, Furchtlosigkeit, Ausdauer und Inspiration für andere.

Kapitalismus mit Charakter

Kapitalismus ohne Charakter ist gefährlich. Und zwar nicht nur aus ethischer Sicht, sondern auch vom Standpunkt der Effizienz aus. „Der Kapitalismus benötigt Charakter. Ohne Charakter verlieren die Menschen das Vertrauen in den Kapitalismus. Wenn sie dem System und ihren Führern nicht mehr trauen, hören sie auf, einzukaufen und die gesamte Maschinerie beginnt zusammenzubrechen“, warnen die schwedischen Wirtschaftsdenker Jonas Ridderstråle und Kjell A. Nordström. Das marktwirtschaftliche System ist keine Ideologie wie der Kommunismus – aber auch der Markt kann scheitern. Es braucht Unternehmer mit Empathie und klaren ethisch-moralischen Standpunkten, die der Maschine des Marktkapitalismus mit ihrem täglichen Handeln eine Seele geben. Wer ist besser dafür geeignet als Familienunternehmen und ihr Wertefundament?

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