Direkt zum Inhalt
Ansicht der Klinik Favoriten in Wien mit vorbeifahrendem Rettungswagen – Schauplatz laufender Ermittlungen gegen eine frühere Pflegerin.
Gegen eine ehemalige Pflegerin der Klinik Favoriten wird ermittelt.
Gegen eine ehemalige Pflegerin der Klinik Favoriten wird ermittelt.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Mordverdacht in Klinik Favoriten: Ermittlungen gegen Pflegerin

11.11.2025 um 17:37, Stefanie Hermann
min read
Ermittlungen gegen eine Pflegerin der Klinik Favoriten wegen Mordverdachts: Eine krebskranke Patientin soll eine Überdosis Medikamente erhalten haben.

Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine ehemalige Pflegerin der Klinik Favoriten wegen Mordverdachts. Das bestätigte Behördensprecherin Nina Bussek am Dienstagvormittag gegenüber der APA: „Wir stehen am Anfang der Ermittlungen“, so Bussek. Man habe „von einem Sachverhalt Kenntnis erlangt, der nun geprüft wird“. Ein dringender Tatverdacht liege derzeit nicht vor, die Beschuldigte befindet sich auf freiem Fuß.

Verdacht auf Medikamenten-Überdosis

Laut einem Bericht der Wochenzeitung „Falter“, der durch einen anonymen Hinweis auf den Fall aufmerksam wurde, steht die Pflegerin im Verdacht, einer krebskranken Patientin im Endstadium eine Überdosis Schmerz- und Beruhigungsmittel verabreicht zu haben. Die Patientin, die palliativ betreut wurde, starb Mitte September 2025 auf der Onkologischen Station der Klinik Favoriten.

Die Frau erhielt über eine motorisierte Spritzenpumpe kontinuierlich Opiate und Benzodiazepine. Zeitpunkt und Dosis waren im Therapieplan festgelegt, jede zusätzliche Medikamentengabe – ein sogenannter Bolus – musste von diplomierten Pflegekräften dokumentiert werden.

Nach dem Tod der Patientin stellten Kolleginnen bei der folgenden Schichtübernahme Unregelmäßigkeiten in der Dokumentation fest: Nicht jeder Bolus war eingetragen. Sie meldeten den Vorfall der Stationsleitung.

Brisante Aussage beim Schichtwechsel

Zusätzlich fiel eine Aussage, die die Ermittlungen auslöste und am Ende auch die Falter-Recherchen anstieß. Die nunmehr beschuldigte Pflegerin soll laut Zeuginnen gesagt haben, man könne der Patientin mehr geben, „dann geht’s schneller vorbei“.

Die Bemerkung wurde von mehreren Kolleginnen gehört und als Hinweis auf eine mögliche vorsätzliche Überdosierung gewertet. Am nächsten Morgen war die Patientin tot.

Interne Untersuchungen und Kündigungen

Der Wiener Gesundheitsverbund (WIGEV), Betreiber der Klinik Favoriten, leitete unmittelbar nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten eine interne Untersuchung ein und informierte die Staatsanwaltschaft. Die beiden Pflegekräfte, die an der betreffenden Nacht beteiligt waren, wurden zunächst dienstfrei gestellt und anschließend gekündigt.

„Wir haben umgehend reagiert“, erklärte Michael Binder, medizinischer Direktor des WIGEV. Eine Sachverhaltsdarstellung wurde eingebracht, eine gerichtliche Obduktion angeordnet und zusätzlich ein unabhängiger Facharzt für Schmerztherapie mit einem Gutachten beauftragt.

Kein Beweis für Überdosierung

Zum derzeitigen Stand der Ermittlungen gibt es keinen Beweis für eine Überdosierung oder einen direkten Zusammenhang zwischen der Medikamentengabe und dem Tod der Patientin. „Unsere Kontrollsysteme sind sehr engmaschig und haben gewirkt“, betont Binder. „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keinen Hinweis auf einen kausalen Zusammenhang zwischen der Medikamentengabe und dem Tod der Patientin.“

Auch Pflegedirektorin Silvia Riepl erklärte, dass sich die Pflege im Endstadium einer Erkrankung auf das Lindern von Schmerzen konzentriere. „In der Endphase ihres Lebens ist das Ziel der Betreuung, dass sie die Schmerzen gut ertragen und nicht leiden müssen.“

Zweiter Todesfall in Prüfung

Heute wurde bekannt, dass auch ein zweiter Fall geprüft wird. Dabei handelt es sich um einen im Jänner 2025 verstorbenen Patienten, der ebenfalls palliativ auf derselben Station behandelt wurde. Auch er wurde von der nun beschuldigten Pflegerin betreut. Ob es eine Verbindung zwischen den Fällen gibt, ist unklar. Eine mögliche Exhumierung, von der der „Falter“ berichtet hatte, wurde unterdessen noch nicht bestätigt.

Dienstrechtliche Konsequenzen und offene Fragen

Beide Pflegekräfte waren rund eineinhalb Jahre im Wiener Gesundheitsverbund beschäftigt. Neben der Hauptbeschuldigten wird auch gegen die Kollegin ermittelt, die gemeinsam mit ihr Dienst hatte. Sie soll zumindest an der fehlerhaften Dokumentation beteiligt gewesen sein, nicht aber an einer möglichen Überdosierung.

Derzeit liegen keine Hinweise auf eine vorsätzliche Tötung vor, wie Sprecher der WIGEV betonen. „Eine Überdosierung können wir bisher nicht bestätigen“, hieß es in einer Stellungnahme.

Beginn einer längeren Aufklärung

Bislang liegen weder das Obduktionsgutachten noch die toxikologischen Ergebnisse vor. Die Ermittlungen stehen, wie Bussek betonte, „am Anfang“. Das Ergebnis der Obduktion wird entscheidend sein, um zu klären, ob tatsächlich eine Überdosis verabreicht wurde und ob sie zum Tod der Patientin geführt hat.

Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

more