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Simone Schmiedtbauer bei einem Interviewtermin im Grazer Landhaus
Nach vier Jahren in Brüssel wurde Simone Schmiedtbauer 2023 Nachfolgerin von Hans Seitinger.
Nach vier Jahren in Brüssel wurde Simone Schmiedtbauer 2023 Nachfolgerin von Hans Seitinger.
Chris Zenz

Heimgekehrt: Landesrätin Simone Schmiedtbauer im Gespräch

06.05.2024 um 10:46, Robert Eichenauer
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Vier Jahre saß Schmiedtbauer im EU-Parlament. Im Interview gewährt sie Einblicke in die Brüsseler Seele und spricht über Rechtspopulismus und den Klimaschutz.

In Hitzendorf aufgewachsen, maturierte Schmiedtbauer am Gymnasium der Schulschwestern. Von 2014 bis 2019 war sie Bürgermeisterin von Hitzendorf, ehe sie für vier Jahre ins EU-Parlament nach Brüssel wechselte. 2023 wurde sie als Nachfolgerin von Hans Seitinger als Landesrätin präsentiert. Schmiedtbauer ist verheiratet und hat zwei Töchter.

 

Näher bei den Menschen

BZÖ-Politiker Hubert Gorbach hat einst einen Brief an den britischen Außenminister geschrieben, dass „the world in Vorarlberg is too small for him“. Bedeutet das im Umkehrschluss, dass für Simone Schmiedtbauer Brüssel „too big“ war?
Schmiedtbauer: (schmunzelt) Letztlich ist das immer eine Frage der Perspektive. Mir ist die Steiermark jedenfalls nicht zu klein, sondern es ist meine Heimat, in die ich sehr gerne zurückgekehrt bin.

Was war der grundlegende Unterschied zwischen Ihrer Tätigkeit als EU-Abgeord­nete und Landesrätin in der Steiermark?
Schmiedtbauer: In Brüssel hat man viel mehr mit der Gesetzgebung zu tun und viel Ausschussarbeit zu leisten. Hier in der Steiermark hingegen kann ich bei den Betrieben sein, draußen bei den Menschen. Das hat mir in Brüssel gefehlt.

Landesrätin Simone Schmiedtbauer im Rahmen eines Interviews mit dem Weekend Magazin
Simone Schmiedtbauer ist sich sicher: „EU-Wahlen bringen einen neuen Kurs.“

"Green Deal" steht zur Diskussion

Sie sind aber natürlich noch sehr nah an Brüssel dran. Im Juni sind EU-Wahlen. Was werden sie bringen?
Schmiedtbauer: Bestimmt einen neuen Kurs.

In welcher Hinsicht?
Schmiedtbauer: Etwa was den Green Deal betrifft. Ich hatte nach dem Überfall der Russen auf die Ukraine ein ganzes Wochenende kein Auge zugemacht. Am Montag habe ich in Brüssel dann versucht, meine und die anderen Fraktionen davon zu überzeugen, dass wir gewisse Maßnahmen aussetzen müssen, weil sich die Welt nun grundlegend verändern wird. Niemand hat darauf reagiert. Erst ein Jahr später hat man einige dieser Dinge verschoben.

Aber sind derlei „mensch­liche Konflikte“ dem Klima nicht egal?
Schmiedtbauer: Ja, natürlich ist das so. Gerade die Bauern sind stark vom Klimawandel betroffen. Klar, wir müssen ambitioniert sein, aber was wir jetzt aufs Spiel setzen, ist die Wirtschaftsleistung und auch die Lebensmittelproduktion in Europa.

Gekippt nicht, aber eventuell nachverhandelt. Das hängt vom Wahlergebnis ab.

Simone Schmiedtbauer über das Verbrennerverbot

Nachverhandlungen

Soll Ihrer Meinung nach auch das Verbrennerverbot gekippt werden?
Schmiedtbauer: Ich habe gegen dieses Verbot gestimmt und ich stehe nach wie vor ganz offen dazu. Ich will mich weder für noch gegen das Elektroauto oder gegen den Verbrenner aussprechen. Die Menschen sollen die Möglichkeit haben, selbst ihre Wahl zu treffen.

Wird das Gesetz noch gekippt?
Schmiedtbauer: Gekippt nicht, aber eventuell nachverhandelt. Das hängt vom Wahl­ergebnis ab.

Gefährliche Rechtspopulisten

Viele befürchten Zugewinne der Rechtspopulisten. Was wird das für die EU bedeuten?
Schmiedtbauer: Ich mache mir jedenfalls Sorgen, wenn es einen Spitzenkandidaten einer Partei gibt, der damit wirbt, auf den roten Knopf zu drücken, um diese Europäische Union zu sprengen. Da läuten bei mir alle Alarmglocken. Ich erinnere mich an den Tag zurück, als Großbritannien ausgetreten ist. Das war einer der traurigsten Tage in meinem politischen Leben. Und die rechtspopulistischen ­Parteien sind aufgesprungen, haben gejohlt und mit Champagner angestoßen.

Halb Europa wird von Bauernprotesten in Atem gehalten. In erster Linie geht es um Agrarsubventionen. Ist das der richtige Weg oder sollte nicht eher für faire Preise demonstriert werden?
Schmiedtbauer: Gäbe es faire Preise für unsere Produkte, könnte man die Subventionen infrage stellen. Die Preise macht aber nicht die Politik.

Wer eine Papaya isst, dem muss klar sein, dass diese Frucht nicht mit der Brieftaube eingeflogen wurde.

Simone Schmiedtbauer über Regionalität

Klimaschutz durch Regionalität

Regierungen sind also der falsche Adressat?
Schmiedtbauer: Die Politik sorgt für die Rahmenbedingungen. Die Preise bestimmt der Markt, also der Handel und die Kunden.

Muss man vielleicht noch stärker beim Konsumenten ansetzen?
Schmiedtbauer: Nun ja, das führt wieder zurück zum Klimaschutz. Je regionaler und saisonaler man sich ernährt, desto mehr tut man für das Klima und auch die eigene Gesundheit. Jeder, der eine Banane, eine Ananas oder eine Papaya isst, dem muss klar sein, dass diese Früchte nicht mit der Brieftaube nach Österreich geflogen wurden.

Weekend-Redakteur Robert Eichenauer im Gespräch mit Landesrätin Simone Schmiedtbauer.

Volkspartei in der Krise

Kommen wir zurück in die Steiermark. Im Herbst sind Landtagswahlen. Aktuell sind die Umfragen nicht sonderlich gut für Ihre ­Partei. War es nicht ein zu großes Risiko, den Job in Brüssel aufzugeben?
Schmiedtbauer: Ich bin Bürgermeisterin geworden, ohne über das Risiko nachzudenken. Dann hat man mich ­gefragt, ob ich nach Brüssel gehen möchte. Ich habe den Bürgermeister zurückgelegt und bin ohne Sicherheitsnetz in einen Wahlkampf gegangen, ohne zu wissen, wie die Wahlen ausgehen. Und als mich Christopher Drexler angerufen hat, habe ich ohne Zögern zugesagt. Weil ich von ihm als Mensch und Politiker überzeugt bin. Daher werden wir mit ihm die Wahlen gewinnen.

Was muss die ÖVP machen, um wieder in die Erfolgs­spur zu kommen?
Schmiedtbauer: Wir brauchen keine Sprücheklopfer, sondern Menschen, die Probleme offen und ehrlich ansprechen und Lösungen erarbeiten.

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