Bernd Brodtrager: Der neue Anwalt der Landwirtschaft
Inhalt
- Über das Potenzial von Farmfluencern und die steirische Jungbauernschaft
- Über Tierwohl und die Landwirtschaft als Klimasünder
- Über seinen ersten Bauernbundball als Direktor
- Zur Person
Sie sind seit August der neue Direktor des Steirischen Bauernbundes. Ihr Vorgänger, Franz Tonner, war 26 Jahre im Amt. Was haben Sie von ihm gelernt?
Brodtrager: Ich habe viel von seiner Erfahrung mitgenommen, vor allem, wie vielfältig die Arbeit im Bauernbund ist, von der politischen Vertretung bis zum persönlichen Service für Mitglieder. Er war ein Experte bei Wahlanalysen, da kann ich mir noch einiges abschauen.
Zwischen Ihnen liegen fast 30 Jahre Altersunterschied: Ein bewusster Generationenwechsel?
Brodtrager: Ja, das kann man so sagen. Mit neuen Köpfen wie Simone Schmiedtbauer als Bauernbund-Obfrau und Andreas Steinegger als Landwirtschaftskammer-Präsident wollen wir frischen Wind in die Agrarpolitik bringen und dabei neue Wege gehen.
Was bedeutet das konkret?
Brodtrager: Wir halten an unseren Grundwerten fest – Eigentumschutz, ökosoziale Marktwirtschaft und der Rolle als Anwalt des ländlichen Raums. Ich möchte den Bauernbund künftig politisch kantiger positionieren, aber immer lösungsorientiert bleiben. Letzteres unterscheidet uns vom Mitbewerb. Außerdem wollen wir sichtbarer werden.
Über das Potenzial von Farmfluencern und die steirische Jungbauernschaft
Welche Rolle spielt dabei die Kommunikation?
Brodtrager: Eine enorme. Nur noch drei Prozent der Menschen arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft. Die anderen Es liegt an uns, den anderen 97 Prozent zu erzählen, wie wir Lebensmittel produzieren, warum wir Pflanzenschutz brauchen und weshalb das Rind für den Tourismus wichtig ist. Wenn wir das nicht machen, tun es andere – oft mit falschen Informationen.
Inwiefern können Farmfluencer und Social Media dabei helfen, das Image zu verbessern?
Brodtrager: Social Media hat eine riesige Wirkung. Junge Landwirte zeigen bereits ihren Followern die Realität auf ihren betrieben, mit Höhen und Tiefen. So verstehen viele (junge) Menschen wieder besser, wie Land- und Forstwirtschaft wirklich aussieht. Das ist wichtig für unser Image und für das Verständnis und für den Dialog mit der Gesellschaft.
Apropos junge Landwirte: Wie geht es der Jungbauernschaft in der Steiermark?
Brodtrager: Europaweit haben wir in Österreich den höchsten Anteil an jungen Hofübernehmern. Vor allem die Steiermark ist mit vielen Jungbauern mit tollen Ausbildungen und reichlich Innovationsgeist vorne dabei. Die größten Herausforderungen bei Hofübergaben sind erfahrungsgemäß eher von sozialer Natur. Wirtschaftlich kann eine standortangepasste Landwirtschaft attraktiv sein, viele Junge entscheiden sich aber doch öfter für ein monatliches Fixgehalt als Arbeitnehmer.
Wenn wir den Menschen nicht erklären, wie Landwirtschaft funktioniert, tun es andere. Oft mit falschen Informationen.
Über Tierwohl und die Landwirtschaft als Klimasünder
Die Landwirtschaft wird gerne als großer Klimasünder dargestellt: Warum ist das so?
Brodtrager: Weil wir zu wenig erklärt haben, was wir tun, während gut finanzierte NGOs laut waren und gegen uns geschossen haben. Jetzt liegt es an uns, unsere Geschichten selbst zu erzählen, über unsere Arbeit, Tiere und Felder. Damit wieder ein realistisches Bild entsteht. Wir produzieren zurzeit die sichersten Lebensmittel, die es je gegeben hat.
Vor allem das Thema Tierwohl sorgt immer wieder für hitzige Debatten.
Brodtrager: Laut dem Animal Protection Index zählt Österreich weltweit zu den Top-Ländern. Und diese Vorreiterrolle bauen wir mit dem Auslaufen der Vollspaltenböden ab 2034 noch stärker aus. Schwarze Schafe, die sich nicht richtig verhalten, gibt es leider immer, sie sind aber schwindend gering. Sie sind die Ausnahme und stehen nicht stellvertretend für eine ganze Branche.
Vor kurzem sorgte die Abstimmung im EU-Parlament um die Bezeichnung von fleischlosen Alternativen für Diskussionen. Was ist Ihre Meinung dazu?
Brodtrager: Ich bin dafür, dass Begriffe klar bleiben. Fleisch soll Fleisch, Milch soll Milch bleiben und damit echten tierischen Produkten vorbehalten sein, damit keine Verwirrung entsteht. Wir hatten bereits den Fall, dass eine Dame glaubte, dass Heumilch die Alternative zu Kuhmilch sei. Wenn etwas aus Linsen besteht, darf es auch gerne „Linsenburger“ heißen. Darin sehe ich kein Problem.
Was sind die wichtigsten Themen, die aktuell den Bauernbund beschäftigen?
Brodtrager: Auf EU-Ebene geht es darum, das Agrarbudget zu sichern. National arbeiten wir an der Lebensmittelpreisdebatte und an einfacheren Regeln für tierhaltende Betriebe. In der Steiermark beschäftigt uns der Umgang mit Wolf und Biber sowie die Vorbereitung auf die Landwirtschaftskammerwahl.
Die Landwirtschaft braucht wieder ein realistisches Bild. Wir produzieren zurzeit die sichersten Lebensmittel, die es je gegeben hat.
Über seinen ersten Bauernbundball als Direktor
Apropos Vorbereitung: Im Februar findet mit dem Bauernbundball wieder der größte Ball Europas statt. Werden Sie so wie Ihr Vorgänger den letzten Gast persönlich hinausbegleiten?
Brodtrager: Ob ich derjenige bin, der zum Schluss den Stecker zieht, weiß ich noch nicht. Ich werde mich bemühen, aber das war schon eine Leistung (lacht).
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Brodtrager: Darauf, viele Freunde und bekannte Gesichter zu sehen und das nachzuholen, was in der letzten Zeit auf der Strecke geblieben ist. Ich bin sieben Tage die Woche unterwegs und habe selbst einen Betrieb zu Hause. Da bleibt wenig Zeit. Der Ball ist eine gute Möglichkeit, mal wieder ein Achterl in einer geselligen Runde zu trinken.
Sie sind Anfang Dreißig. Da fragen sich wohl manche: Warum tun Sie sich den Stress an?
Brodtrager: Es war nie mein Ziel, in die Politik zu gehen. Eines Sonntags im Winter beim Fasanenfüttern bekam ich plötzlich den Anruf von Simone Schmiedtbauer. Jetzt sitze ich hier. Wir müssen uns selbst in der Bauernschaft vertreten, weil sonst tut es niemand. Das ist mein Ansporn.
Zur Person
Bernd Brodtrager studierte an der Universität für Bodenkultur, arbeitete im Europäischen Parlament für Simone Schmiedtbauer und später bei Wirtschaften am Land in Wien. Von 2023 bis 2025 war er Obmann der Steirischen Jungbauern, seit August ist er der neue Direktor des Steirischen Bauernbundes. Er führt in Hofstätten an der Raab einen Ackerbaubetrieb mit Schwerpunkt Direktvermarktung. In seiner Freizeit ist er ein begeisterter Jäger.