Bewährungshilfe: Zweite Chance für Straftäter
Inhalt
- Aufgaben: Unterstützen & konfrontieren
- Realität statt Idealismus
- Erfolgserlebnis
- Jugendliche im Fokus
- 70 Bewährungshelfer in Salzburg
- Zweite Chance
Diebstahl, Drogen, Körperverletzung. Simone Meidl-Düringer macht das, wovor viele Menschen zurückschrecken: Sie hilft Straftätern, zurück in ein geregeltes Leben innerhalb der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu finden. Ein Fall aus dem persönlichen Umfeld hat sie einst dazu bewogen, als Bewährungshelferin tätig zu werden. Mittlerweile blickt die studierte Soziologin auf elf Jahre Ehrenamt und zwei hauptberufliche Jahre als Bewährungshelferin zurück. Seit 2024 leitet sie den Verein Neustart in Salzburg, der sich österreichweit Straftätern annimmt.
Aufgaben: Unterstützen & konfrontieren
Grundsätzlich sollen die regelmäßigen Treffen zwei Aufgaben erfüllen: unterstützen und konfrontieren. Ersteres heißt, bei Wohnungs- und Arbeitssuche zu helfen, Ausbildung anzustoßen, die richtigen Stellen ins Boot zu holen. „Bei der Konfrontation geht es hingegen ans Eingemachte“, erläutert Meidl-Düringer. Dabei werden Personen mit ihrer Straftat konfrontiert, gemeinsam wird eruiert, wie es so weit kam und wann und wie man hätte aussteigen können. „In mehreren Terminen werden mit den Straftätern der Weg zur Tat Schritt für Schritt nachvollzogen und alternative Handlungsstrategien entwickelt.“ Zu Beginn trifft man sich häufiger, später seltener, bei Krisen wieder engmaschig.
Realität statt Idealismus
„Natürlich bin auch ich mit Idealismus gestartet. Doch schon mein erster Fall hat mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“, erzählt die 47-Jährige. Ein Jugendlicher kam wegen Diebstahls zur Bewährungshilfe, später folgten Gewaltdelikte, schließlich landete er im Gefängnis. „Ich dachte mir: Was mache ich hier eigentlich? Bin ich dafür ungeeignet?“, erinnert sich Meidl-Düringer. Hart, aber wichtig sei diese Erfahrung gewesen, denn Hilfe stößt an Grenzen, wenn Menschen eigene Entscheidungen treffen. „Professionalität bedeutet, diesen Raum zu respektieren und dennoch am Auftrag festzuhalten.“ Die größte Herausforderung ist, Nähe und Distanz im Gleichgewicht zu halten: „Mitfühlen, aber nicht mitleiden.
Ein einziges Mal hatte ich bei einem Klienten ein ungutes Gefühl. Das ist aber die absolute Ausnahme, die Menschen begegnen einem mit Wertschätzung und Dankbarkeit.
Erfolgserlebnis
Zum Glück gibt es aber auch andere Fälle, Zweifel hatte Meidl-Düringer nach ihrem ersten Klienten nie wieder. Ein 16-Jähriger, zuerst stolz auf seine kurze Haft, tat sich lange schwer Empathie für das Opfer seiner Gewalttat zu entwickeln. Dann veränderte eine Beziehung seinen Blick. Verantwortung entstand, Werte verschoben sich, das Gespräch über die Tat griff. Ein anderer Bursche aus dem Drogenmilieu beendete das Kiffen, absolvierte ein Anti-Gewalt-Training und strukturierte sein Leben um. Das sind jene Fälle, die die Arbeit von Bewährungshelfern so enorm wichtig machen.
Jugendliche im Fokus
Statistiken zeigen, dass man am ehesten zwischen 14 und 25 Jahren straffällig wird. Ein Drittel der Klienten kommt aus dieser Altersgruppe, der Großteil davon ist männlich. Teenager befinden sich noch in der Identitätsfindungsphase, Grenzen werden getestet, Freundesgruppen prägen den Alltag. Viele waren zuvor selbst Opfer. „Das birgt viele Herausforderungen, aber auch enorme Chancen für die Bewährungshilfe. Man kann in Verhaltensmuster und Lebenswelten noch besser eingreifen“, erläutert Meidl-Düringer. Bei Erwachsenen wirken hingegen häufig lange eingeübte Muster und schwierige Lebensphasen als Auslöser für Straftaten.
70 Bewährungshelfer in Salzburg
Allein in Salzburg sind rund 70 Menschen aus verschiedensten Berufsgruppen als ehrenamtliche Bewährungshelfer tätig, laufend werden neue gesucht. Davon übernimmt jeder pro Jahr drei bis fünf Fälle, die bis zu drei Jahre lang betreut werden. Bewährungshilfe wird generell bei einer bedingten Strafe oder bedingten Entlassung aus der Haft vom Gericht verordnet. Freiwillige haben es mit Diebstahl, Drogendelikten und leichten Körperverletzungen zu tun. Schwere Delikte wie Mord oder Sexualverbrechen werden von hauptberuflichen Bewährungshelfern übernommen
Zweite Chance
Die Rückfallquote wird auf etwa 30 Prozent geschätzt, rund 70 Prozent der Straftäter, die Bewährungshilfe bekommen, begehen keine weiteren Delikte mehr. Bleibt nur noch eine Grundsatzfrage: Hat jeder eine zweite Chance verdient? „Ja, davon bin ich überzeugt. Denn wie soll jemand lernen, sich anders zu verhalten, wenn er oder sie keine zweite Chance bekommt“, ist Simone Meidl-Düringer überzeugt.