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Leonard Lipp erklärt die Bedeutung der Natur im Wohnbereich.
Leonard Lipp erklärt die Bedeutung der Natur im Wohnbereich.
Leonard Lipp

Garteln gegen den Blues

03.05.2021 um 15:46, Jürgen Philipp
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Garten, Balkon und Terrasse erleben durch die Pandemie einen wahren Boom. Warum das so ist, erklärt Landschaftsgestalter Leonard Lipp, und er gibt einige überraschende Antworten.

Wie beobachten Sie den Trend zum Garteln. Was ist so faszinierend daran?

Lipp: „Man besinnt sich mehr auf die Natur. Der Garten selbst wird zu einer Art Wohnzimmer des Sommers. Und das wird sicher eine Zeitlang so bleiben. Einfach drei Tage nach New York zu fliegen, wird es so bald nicht spielen. Der Garten bietet mir Ruhe und Geborgenheit. Da geht es nach meinem Rhythmus, wenn ich zwei Stunden Unkraut jäte, gibt mir keiner vor wie schnell ich sein muss. Das ist gerade in unserer hektischen Zeit eine enorme Entlastung. Dazu kommt die Freue an eigenen Produkten aus dem Garten. Man pflanzt wieder vermehrt Obstbäume. Da geht es nicht darum Geld zu sparen, sondern um die Frische. Man weiß woher es kommt und die Energie und die Liebe die ich in meine Pflanzen investiere, kommt auch wieder zurück. Man macht sich den Garten zu Eigen. Außerdem ist der Garten ständig im Wandel und zeigt uns den Wechsel der Jahreszeiten. Das ist für den Mensch ganz wichtig. Man spürt hautnah den Kreislauf der Natur. Die Beschäftigung mit der Natur ist der perfekte Ausgleich zu unserer verkopften Welt und wirkt wie eine Therapie.“

Nicht jeder hat einen Garten. Wie kann man als Wohnungsbesitzer mehr Grün in sein Heim bringen?

Lipp: „Eine Wohnung ohne Balkon während der Pandemie ist wie ein Gefängnis. Es reicht ein Balkon mit ein paar Pflanzen und man fühlt sich gleich besser. Alleine das Öffnen der Balkontüre hat schon einen Effekt. Auch auf Balkonen und Terrassen kann man viel machen. Auch hier lässt sich der Lauf der Natur beobachten. Wer keinen Zugang zu Balkon, Terrasse oder Garten hat, der kann auf Selbsterntegärten zurückgreifen. Dort kann man einige Quadratmeter selbst bepflanzen. Die Pflanzen werden auf Wunsch sogar gegossen. Das Ernteerlebnis und das Beobachten der Natur beim Wachsen hat man dann selber.“

Wie bewerten Sie den Trend zu Urban Gardening?

Lipp: „Stadt- oder Dachgärten haben eine wichtige Funktion. Durch die zunehmende Verdichtung von Grund und Boden ist das Kanalsystem bei starkem Regen überfordert. Dachgärten können Regengüsse speichern und dann als Verdunstung abgeben. Diese Verdunstungskälte senkt die Temperaturen in der Stadt. Das Vertical Gardening, also die Fassadenbegrünung, hat einen ähnlichen Effekt, es wirkt wie eine Klimaanlage. Das ist aber sehr komplex, weil die Pflanzen natürlich ständig in Bewegung sind, dann auch mal verwelken. In Deutschland ist man beim Thema Urban Gardening schon etwas weiter als wir. Hier gibt es strenge Vorgaben wieviel Grün geschaffen werden muss, wenn neu gebaut wird. Doch auch bei uns tut sich einiges. In Wien muss für jeden Baum der gerodet wird, ein neuer gepflanzt werden. Das ist strenger als in Linz. Doch da wird sich noch einiges tun. Die moderne Architektur hat sich auch verändert. Doch warum sind da gerade Altbauten so begehrt? Weil sie wie Vierkanter gebaut wurden mit einer großen Grünfläche in der Mitte, die für Ruhe sorgt. Man kann der Hektik der Stadt entfliehen. Es gäbe einige Hebel, mehr Grün in die Stadt zu bringen, doch solange man, wenn man 1.000m2 Stadtfläche besitzt, und dann – je nach Bundesland – zwischen 600 und 800m2 davon verbauen darf, werden die Böden mehr und mehr versiegelt. Dadurch geht sehr viel Grünfläche verloren.“

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