Wettskandal in Türkei: 3.700 Spieler im Visier
- Schiedsrichter unter Verdacht
- Ermittlungen gegen Spieler und Vereine
- Vereine fordern Transparenz
- Auswirkungen auf den Spielbetrieb
Der türkische Fußball wird derzeit von einem weitreichenden Wettskandal heimgesucht. Der Verband hat Ermittlungen gegen hunderte Schiedsrichter bestätigt. Inzwischen weitet sich die Affäre auch auf Spieler und Vereine aus. Die großen Klubs reagieren fassungslos und verlangen Aufklärung.
Schiedsrichter unter Verdacht
Der türkische Fußballverband (TFF) gab am Montag bekannt, dass 152 Schiedsrichter aktiv auf Spiele gewettet haben sollen. Präsident İbrahim Hacıosmanoğlu erklärt laut der Nachrichtenagentur „Anadolu“: „Es gab sieben Schiedsrichter der Süper Lig, 15 Schiedsrichter-Assistenten der Süper Lig, 36 Schiedsrichter der 1. Lig und 94 Schiedsrichter-Assistenten der 1. Lig. Davon platzierten zehn Schiedsrichter über zehntausend Wetten, ein Schiedsrichter platzierte allein 18.227 Wetten.“
Nach Angaben des Verbandes besitzen 371 von 571 aktiven Schiedsrichtern in den Profiligen ein Wettkonto. „Der Disziplinarausschuss wird nun die notwendigen Verfahren einleiten“, sagt Hacıosmanoğlu. Wetten sind für aktive Referees in den türkischen Ligen untersagt. Der Verbandspräsident betont: „Wir haben mit den Schiedsrichtern begonnen, aber mein Vorstand und ich führen auch interne Überprüfungen mit den zuständigen Regierungsinstitutionen durch.“
Ermittlungen gegen Spieler und Vereine
Nur einen Tag später wurde das Ausmaß größer. Der Sender „Habertürk“ berichtete am Dienstag, dass auch gegen Vereine und Spieler ermittelt wird. Nach Informationen aus Justizkreisen stehen 3.700 Spieler im Visier der Staatsanwaltschaft. Es wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, zudem nahm die Istanbuler Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf.
Der Fall betrifft nach Medienberichten mehrere Vereine aus den beiden höchsten Ligen. Der Verband wollte keine Namen nennen. Der Präsident kündigte an, die Ergebnisse der Untersuchungen „in Kürze bekanntzugeben“.
Vereine fordern Transparenz
Galatasaray Istanbul bezeichnet die Erklärung des Verbandes als wichtigen Schritt. In einem Statement heißt es: „Wir betrachten diese Initiative unter der Leitung von Herrn Hacıosmanoğlu als einen bedeutenden Wendepunkt für den türkischen Fußball.“ Der Verein forderte zugleich, die Namen der Schiedsrichter zu veröffentlichen, „bei denen Wettkonten festgestellt wurden, die von ihnen geleiteten Spiele und den Umfang der von ihnen getätigten Wetten“.
Fenerbahçe Istanbul reagierte ähnlich deutlich. „Um die Glaubwürdigkeit des türkischen Fußballs wiederherzustellen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Informationen ohne Verschleierung und ohne Zögern weitergegeben werden“, erklärte der Klub. Andernfalls sei es „unmöglich, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fußballgemeinschaft wiederherzustellen“.
Fenerbahçe-Präsident Sadettin Saran sagt nach dem Spiel seiner Mannschaft gegen Gaziantep: „Ich glaube daran, dass die Sache aufgeklärt und danach eine neue Seite für den Fußball aufgeschlagen wird.“ Besiktas spricht von einer „hoffnungsvollen Entwicklung“ und fordert ebenfalls „eine transparente Aufarbeitung“.
Auswirkungen auf den Spielbetrieb
Wie sich die Ermittlungen auf den Spielbetrieb auswirken, ist offen. Am kommenden Wochenende stehen mit Galatasaray gegen Trabzonspor und Besiktas gegen Fenerbahce zwei Spitzenspiele an. Zunächst war von ausländischen Schiedsrichtern die Rede. TFF-Vizepräsident Mecnun Otyakmaz erklärt jedoch, das sei „kein Thema“. Man wolle den türkischen Nachwuchs stärken.
Experte Sinan Yener ordnet die Situation folgendermaßen ein: „Viele Fans würden ausländische Schiedsrichter befürworten, aber das entscheidet der türkische Verband. Es ist extrem schwer, ausländische Schiedsrichter zu bekommen. Deutschland, Spanien und Frankreich haben bisher keine geschickt.“
Yener hält einen schnellen Austausch der Referees für unwahrscheinlich. „In den türkischen Profiligen gibt es über 120 Mannschaften – das bedeutet, jede Woche werden mindestens 60 Schiedsrichter benötigt. Wenn man plötzlich so viele Schiedsrichter absetzt, könnte das große Probleme verursachen. Wahrscheinlich wird der Verband die Schiedsrichter schrittweise austauschen.“