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alphaspirit / Hermsdorf/ iStock / Getty Images Plus

Mit Vollgas in die Zukunft - Robuste Wirtschaft

09.02.2023 um 09:22, Klaus Schobesberger
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Oberösterreich zeigt sich in der Krise robust und investiert in die Energiewende, die Bildung und in die Mobilität von morgen.

Österreich ist keine Insel, schon gar keine Insel der Seligen. Auch ­starke Bundesländer wie Oberösterreich können sich geopolitischen Entwicklungen und Marktturbulenzen nicht entziehen. Im Gegenteil: Stärke kann in einer globalen Krise zu einer Schwäche werden. Globale Lieferketten­probleme, zweistellige Inflationsraten oder explodierende Energiepreise als Folge von Pandemie und Ukraine-Krieg haben die Wirtschaft gehörig unter Druck gesetzt. Trotz der Verwerfungen erweisen sich Unternehmen erstaunlich anpassungsfähig. Schnell und überwiegend unbürokratisch hat die Politik kongenial mit milliardenschweren Hilfspaketen geholfen, um Abwanderung, Pleitewellen und Massenarbeitslosigkeit abzuwenden.  

Robuste Wirtschaft. Es bewahr­heitete sich erneut: Angekündigte Katastrophen finden nicht statt. Wer hätte nach dem faktischen Ende der russischen Gaslieferungen gedacht, dass Österreichs Gasspeicher Anfang des Jahres fast zu 90 Prozent gefüllt sind? Am Arbeitsmarkt herrscht Rekordbeschäftigung. Die Exporte aus Oberösterreich kletterten im Vorjahr mit einem Handelsvolumen von 48,8 Milliarden Euro auf ein neues Rekordhoch. Besser als ihr Ruf ist auch die inhaltliche Bilanz der heimischen ­Politik: Immerhin war 2022 das Jahr, in dem die kalte Progression abgeschafft wurde – ein echter Meilenstein. Rekordsummen fließen in Bahn und Ökologisierung, mit Antiteuerungspaketen wurde nicht immer sozial treffsicher, jedoch rasch die Bevölkerung unterstützt.  

Unbekannte Champions. Oberösterreicher gelten als Anpacker. Nicht von ungefähr sitzen im Land ob der Enns zahlreiche Weltmarktführer. Zum Beispiel die Firma Fill aus ­Gurten. Sie hat sich von einer kleinen Schlosserei zu einem internationalen Maschinenbau-Unternehmen für die Automobil- und Flugzeugindustrie entwickelt. Globale Champions sind der Spritzgießmaschinen-Hersteller Engel in Schwertberg oder Erema, ein Hersteller von Recyclingmaschinen in Ansfelden. Zu den großen Maschinenbauern von Weltformat zählen Plasser & Theurer (Gleisbau) oder ­Pöttinger (Landmaschinen),  ein Unternehmen, das bei Ladewagenlösungen global führend ist. Die voestalpine AG ­wiederum ist bei Weichensystemen ­einsame Spitze. Was der Linzer Stahlkonzern für das Eisenbahnwesen ist, ist Rosen­bauer aus Leonding für die Feuerwehr. Mit seinem Flughafenlöschfahrzeug ­„Panther“ dominiert das Unternehmen den Brandschutz an den Airports dieser Welt. 

JKU Campus
Der Campus der JKU wurde stark aufgewertet. Heuer soll die Digital-Uni IDSA als „Leuchtturmprojekt“ folgen.

Sie bewegen die Welt. voest­alpine und Rosenbauer sind an der Börse notiert und jeder Bürger kann Aktien kaufen, um am Erfolg teilzuhaben. Auch andere Börsenfirmen sind wirtschaftliche Eckpfeiler, etwa der Faserhersteller Lenzing, der Aluminiumkonzern AMAG, der Flugzeugteile­- zulieferer FACC oder Pierer Mobility (KTM). Sie sichern Tausende Arbeitsplätze, treiben Innovationen voran und halten mit ihrer Exportleistung die Welt in Bewegung. Bei den Exporten ist Oberösterreich einsame Spitze. Ein Beispiel: Die BMW Motoren GmbH in Steyr exportiert praktisch 100 Prozent der Erzeugnisse. Das fünftgrößte Unternehmen des Bundeslandes ist außerdem ein perfektes Beispiel für Agilität. Stand das weltweit größte Motorenwerk in Steyr jahrelang für Dieselkompetenz, sollen ab 2025 rund 600.000 E-Antriebe pro Jahr vom Band in eine immer verbrennerärmere Zukunft rollen. Dafür investiert BMW eine Milliarde Euro.

Zero Emission. Die Automotive-Branche ist mit 280 Unternehmen und 31.000 Beschäftigten traditionell stark. BMW ist neben dem Motorradhersteller KTM, der auf E-Bikes setzt, ein Beispiel für den Wandel. Ebenfalls in der Eisenstadt fertigt das Unternehmen Steyr Automotive (ehemals MAN Steyr) E-Lkw für die schwedische Marke „Volta Trucks“. Wacker Neuson ist ein drittes prominentes Beispiel: Der Kompaktmaschinenhersteller gilt als Pionier im Bereich Elektrifizierung von Baumaschinen. Die Landespolitik will die über Jahrzehnte aufgebaute Kompetenz für die Transformation nutzen und Oberösterreich international als „Future Mobility Region“ positionieren. Zulieferunternehmen sowie Forschungseinrichtungen sind in einem Umkreis von 50 Kilometern zu finden – ideal, um nachhaltige Fahrzeugkonzepte zu fertigen. Dieser Vorteil soll gezielt Fahrzeughersteller und große Zulieferer anlocken. Die Wertschöpfungskette soll zudem erweitert werden mit Kompetenzen bei 3D-Druck, Batterie-Recycling oder Leichtbau.

Klotzen, nicht kleckern. Für die digitale und ökologische Zukunft macht die Landesregierung viel Geld locker. Ab 2023 fließen jährlich 200 Millionen Euro aus dem „OÖ Zukunftsfonds“ in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, von E-Ladestationen und des Breitbandnetzes, in Energiewirtschaft sowie nachhaltigen Wohnbau, in Datensicherheit, in Digitalisierungsprojekte bei Pflege, Bildung und Landwirtschaft oder in den Aufbau der neuen Technischen Universität für Digitalisierung. Das „Institute of Digital Sciences Austria“ (IDSA) will sich mit einem einzigartigen Angebot auch über die Grenzen Österreichs an Studierende wenden. Der Start des IDSA ist mit Herbst 2023 sehr ambitioniert, weil immer noch kein Rektor gefunden wurde. Neben der neu errichteten medizinischen Fakultät, dem ausgebauten JKU-Campus und den sehr gut etablierten Fachhochschulen wertet die „Digital-Uni“ den Bildungsstandort enorm auf.

US-Arbeitsminister Marty Walsh (l.) besuchte die Lehrwerkstätte der voestalpine. So etwas wie eine Lehre gibt es in den USA nicht.

Leistung muss sich lohnen. Nicht nur Absolventen technischer Studienrichtungen sind für den wachsenden Digitalbereich gefragt, insgesamt ­fehlen überall Mitarbeiter. In Ober­österreich wurden Ende Dezember 30.000 offene Stellen gemeldet. „Der tatsächliche Arbeits- und Fachkräftebedarf dürfte aber sogar doppelt so hoch sein, denn viele Betriebe melden ihre offenen Stellen nicht beim AMS“, sagt Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner. „Die Firmen können noch sehr gut mit diesen vielen Krisen umgehen. Langfristig wird das ­Thema ‚Arbeitskräftemangel‘ aber bleiben“, bestätigt Iris Schmidt, die designierte Geschäftsführerin des AMS Ober­österreich. Auch die Lehrlingslücke wird trotz zuletzt steigender Lehrvertragsanmeldungen größer. Auf durchschnittlich 520 Lehrstellensuchende kamen im Vorjahr 1.959 offene Lehrstellen. Die demografische Entwicklung droht, die Lage am Arbeitsmarkt weiter zu verschärfen. Stichwort „Babyboomer“: Die geburtenstarke Generation der 1960er Jahre verabschiedet sich in die Rente. Gefordert werden rasch umsetzbare Maßnahmen am Arbeitsmarkt – etwa steuerbegünstigtes Arbeiten bei Überstunden und in der Regelpension. Motto: „Leistung muss sich wieder lohnen.“

Innovation und Tradition. Ganz besonders benötigt werden Mitar­beiter für die Umsetzung der geplanten­ Energiewende. Für diese wichtige Transformation setzt man ganz auf die Innovationskraft heimischer Unternehmen. Beispiele sind die Linzer Keba Group, die sich zu einem führenden Hersteller von Ladestationen für Elektroautos gemausert hat, oder Fronius, einer der größten Hersteller von Wechselrichtern. Gegründet wurde der Konzern 1945 von Günter Fronius auf seiner Flucht aus Rumänien. Er ­wollte zu Kriegsende nach Kanada aus­wandern, stoppte jedoch in Pettenbach, reparierte dort ein Klein­- kraftwerk und bekam zum Dank eine Garage zur Verfügung gestellt. Von dort aus entstand ein mehrfacher globaler Technologieführer. Familien­unternehmen sind das Rückgrat der heimischen Wirtschaft. Manche existieren wie die Greiner AG seit mehreren Generationen. „Begonnen hat das Unternehmen vor 154 Jahren mit handgefertigten Korkstopfen. Die Unternehmensgeschichte hat uns gelehrt, dass manchmal radikale Innovationen notwendig sind, um auch in Zukunft erfolgreich sein zu können“, sagt Axel Kühner, CEO der Greiner AG.

Frauen in Top-Positionen. Auch in den Führungsetagen ändert sich das Bild zunehmend. Noch nie waren so viele Frauen in Oberösterreich im Top-Management präsent. Die Inhaberinnen, Geschäftsführerinnen und Vorständinnen unter den 300 größten Unternehmen Oberösterreichs sind für ein Umsatzvolumen von über 16,2 Milliarden Euro mitverantwortlich. Doch es gibt noch Aufholbedarf. „Obwohl viele Unternehmen vom Wettbewerbsvorteil geschlechterausgewogener Führungsteams überzeugt sind und einen höheren Frauenanteil als Ziel definiert haben, ist ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis bei Weitem noch nicht nachhaltig umgesetzt“, sagt Jutta ­Rinner, Vorständin der Linz AG.

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