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Henning Besser

Deichkind in Linz: Interview und Gewinnspiel

09.04.2015 um 08:57, Gerlinde Vierziger
min read
Deichkind machen am 24. April auf der Gugl in Linz Station mit ihrer "Niveau Weshalb Warum?!"-Tour. Noch keine Tickets? Wir verlosen 2x2 Karten für das Konzert.

Drumbeats & Dosenbier: Kaum eine andere Band bringt den Zeitgeist so kritisch auf den Punkt, wie Deichkind. Ob Social Media, Softdrinks oder andere Themen, die die Gesellschaft bewegen, die drei Hamburger legen den Finger so lange drauf, bis es wehtut. Für ihre Live-Performance sind die Hip-Hopper und Electropunker mittlerweile berühmt. Wenn die Konzertgäule mit ihnen durchgehen, dann surfen sie schon einmal im Schlauchboot über die Köpfe ihrer Fans. Aber was hält den Kreativmotor von Deichkind am Laufen? Wir haben mit Sänger und MC Philipp Grütering gesprochen.

Ihr seid das trojanische Pferd des deutschen Musikbiz, d.h. bei euch kommen gesellschaftskritische Texte im Partyoutfit daher. Ist das bewusst gewählt?
Das war, ehrlich gesagt, nicht Konzept. Das hat sich ergeben, weil das die Sprache war, auf die wir uns einigen konnten. Humor ist ein Faktor bei uns in der Band, eine große Schnittmenge. Wir haben es gemerkt bei der Nummer "Remmidemmi", die wir auf unserem dritten Album gemacht haben. Das war halt ne Partynummer, aber im Unterton hatte es etwas gesellschaftskritisches. Wir wollten jetzt aber nicht bewusst eine politische Nummer machen und Arm und Reich anprangern, oder so. Wir haben gemerkt, da gibts mehr Fleisch dran, als nur auf die Kacke hauen und Party machen. Das hat sich dann durchgezogen, und das haben wir irgendwann verfeinert, diese Sprache zu sprechen. Weil es uns auch Spaß macht, noch mehr auf den Punkt zu kommen, es aber trotzdem interpretationsfähig zu lassen.

Ein gutes Beispiel dafür ist "Leider Geil". Wenn man so einen Riesenhit gelandet hat, wie geht man da an ein neues Album heran. Versucht man sich die Latte noch höher zu legen, oder macht man etwas komplett anderes?
Auf keinen Fall die Latte höher legen. Das wäre eigentlich Quatsch, weil im Grunde genommen, man arbeitet Jahre an einem Album. Man versucht in dieser Zeit das Bestmögliche rauszuquetschen, soundmäßig, thematisch, inhaltlich usw. - Wenn man dann am Ende mit zwölf guten Titeln rauskommt, hat man das erstmal, unter Anführungszeichen, handwerklich erledigt. Ob da Hits dabei sind, das kann man nie erzwingen. Das würde einen völlig wahnsinnig machen und unter Druck setzen. Wir haben uns von Anfang an davon verabschiedet zu sagen, wir müssen jetzt nochmal zwei Hits machen, die müssen auch genau so sein wie "Leider Geil", ich glaube das wird dann alles zu gewollt. Da das jetzt unser sechstes Album ist, sind wir da auch schon relativ erfahren. Wir haben einfach versucht Spaß im Studio zu haben und Themen zu suchen, die wir alle gut finden.

Weiß man dass es ein Hit ist, wenn man aus dem Studio geht?
Nein, das weiss man nicht. Wir hatten das witzigerweise auch mit "Leider Geil" so. Als wir das Album "Befehl von ganz unten" gemacht haben, sagte jeder: "'Leider Geil' ist witzig, aber eine Single ist das nicht." Als wir das Album schon veröffentlicht hatten, da brauchten wir bei "Leider Geil" noch visuelles Material für die Live-Show, weil wir eine kleine Leinwand hinten hatten. Da haben wir eben dieses Video gemacht, das war ursprünglich nur für die Show gedacht, eigentlich exklusives Material für Live. Wir haben es dann bei YouTube hochgeladen und es wurde ja mittlerweile über 20 Millionen Mal aufgerufen. Phantastisch, unglaublich! Also was da für eine Resonanz rübergekommen ist. Das wussten wir vorher nicht. Das war auch bei "Remmidemmi" so. Das hat auch die Plattenfirma nicht gesehen damals, dass sich so eine Nummer durchfrisst und irgendwann zu einer Hymne wird. Das konnten wir nicht wissen, das ist schwierig. Man kann ja sagen, wie z.B. "Like mich am Arsch", die Nummer gefällt mir richtig gut, aber das ist was anderes als einen Hit vorauszusagen. Das kommt das erst hinterher so wirklich raus.

Woher kommt eigentlich das Bedürfnis, dass man den Finger dorthin legt, wo es in der Gesellschaft weh tut?
Vielleicht ist das immer auch so ein Gegenentwurf zu dem, dass wir den Hedonismus so abfeiern. Dass wir uns sagen, wir müssen da ein bisschen dagegensteuern. Direkt Sachen ansprechen die eigentlich schieflaufen in der Gesellschaft. Das ist dieser Widerspruch, der interessiert uns.

Ihr hab jetzt seit kurzem euer eigenes Label "Sultan Günther Music". Wie hat das die Arbeit am Album beeinflusst?
Das hatte teilweise Einfluss, aber nicht wirklich. DJ Phono ist da ins kalte Wasser reingesprungen. Der ist ja nie wirklich an der Musikproduktion beteiligt gewesen. Für ihn hat sich die Arbeitsweise, glaube ich, sehr verändert, weil wir beide auch viel mehr Entscheidungen treffen mussten, konkretere Entscheidungen was so Finanzen oder Marketingpläne betrifft. Das ist schon mehr Arbeit, aber er hat mir da sehr den Rücken freigehalten, sodass ich die Platte fertigproduzieren konnte.

Wie kam's zu dem Titel "Niveau Weshalb Warum"?
Wir haben einfach festgestellt, wenn man anfängt, zu niveauvoll zu denken und sagt, das Niveau muss jetzt richtig hoch sein, dann blockiert man sich selbst sehr. So war das für uns ein Ansporn zu sagen, wir schmeissen Niveau beseite und machen erstmal Partytracks die laut und deutlich sind. Dann kristallisiert sich auch raus, welche Songs gesellschaftskritikfähig sind. So haben wir das aufgebaut. Man muss, glaube ich, wenn man kreativ sein will, auch mal nicht zu sehr auf den inneren Kritiker und den inneren Nevauhalter achten.

In der Nummer "Like mich am Arsch" gehts um die Social Media-Welt. Wie siehst du Internetphänomene wie z.B.Selfies?
Wir sind natürlich überhaupt keine Social Media-Gegner, da wären wir auch schön blöd. Angefangen hat das alles mit Myspace, das hat uns damals sehr weitergeholfen. Das waren Powertools, die uns sehr viel näher an unsere Fans gebracht haben. Aber wir kennen auch die Kehrseite der Medaille, wenn es manchmal überhand nimmt. Wie schnell sich z.B. Facebook zu dieser Größe entwickelt hat und wirklich allumfassend und weltweit agiert. Da ist es schon schwer das einfach nur so hinzunehmen und zu sagen, das ist total cool. Oder auch manche Kommentare, wo man sich fragt, bringt es das jetzt wirklich, einen Shitstorm über sich ergehen zu lassen? Wir haben das gottseidank noch nicht selbst erlebt, aber ich habe bei einigen schon mitgelitten, wo es echt unter die Gürtellinie ging.

Im Blog habt ihr von einem Musikerkollegen geschrieben, der sich "von nichts hat inspierieren lassen". Ihr seid ja hörbar inspierierter. Wie geht das eigentlich von einer Idee zum fertigen Song?
Eine interessante Frage, es gibt auf keinen Fall einen einheitlichen Weg. Man schlägt dabei immer wieder irgendwelche Haken, man versucht sich zu inspirieren und Blockaden zu umgehen. Bei mir sind das alle möglichen Sachen, ob das jetzt irgendwelche Bücher sind, oder Buchtitel oder in Magazinen rumblättern. Ich bin auch viel auf Twitter, da kann man viel entdecken. Auch Gespräche mit Freunden und überhaupt Fernsehen, wenn du da irgendwas aufschnappst. Deichkind findet ja nicht nur Ideen in der Musik, sondern auch in anderen Bereichen, wie man z.B. Fotos oder Videos macht, sogar wie man eine Marketingstrategie anlegt. Es gibt tausend Ideen die man machen kann. Als Special Edition haben wir so ein Spiel entwickelt, das heisst "Bäm". Manchmal hat man eben eine Idee und die setzt man dann einfach um, oder man sagt, die ist zu teuer, das lohnt sich nicht.

Im Video zu "So 'ne Musik" habt ihr Smartphone-Anzüge an, ist das ein Seitenhieb auf die Kultur der Wearables oder machen die Dinger einfach schlank?
Find ich ganz gut, die machen schlank (lacht). Darum haben wir uns das ausgedacht, weil wir so dicke Bierbäuche haben, dass wir dagegen ansteuern wollen. Wir sind auch super erstaunt, das war z.B. wieder so eine dieser Ideen. Deichkind ist eine Ideenband und wir haben viele Ideen. Manchmal versanden solche Ideen einfach, das war aber eine Idee, an der DJ Phono auch wirklich dran festgehalten und es auch durchgezogen hat. Wir haben einen Handyhersteller kontaktiert und der hat uns 500 Smartphones zugeschickt, richtige Batterien von Handys. Unserem Ingenieur Stefan Hübner, der hat die so programmiert, dass man alle über WLAN gleichzeitig angesteuern kann. Man kann die Kameras anmachen, dann sieht sich das Publikum selber, während wir performen auf der Bühne.

"Powered by emotion" ist ein humorvoller Seitenhieb auf die Welt der Werbung. Wäre es nicht noch schlimmer, wenn alle Werbeversprechen auch wirklich wahr würden?
Das ist Fantasy, das ist keine Realität. Und Deichkind neigt natürlich dazu zu übertreiben und realitätsfern zu sein. Aber wir sind dann Leute, die doch den Realitätscheck brauchen, um wieder auf den Boden der Tatsachen zu kommen. Wir sind ja viel maskiert und eigentlich eine relativ bekannte Band, aber ich könnte jetzt, wenn ich in Wien oder Berlin in der Straßenbahn fahre, da bin ich nur einer von vielen. Im Grunde sind wir nicht diese abgehobenen Typen, die wir scheinen zu sein.

Bei Liveauftritten seid ihr ja für eure Bühnenshow bekannt. Was dürfen wir uns für die beiden Österreichkonzerte erwarten?
Das wird ein Riesenspektakel, was ich eigentlich auch gar nicht so richtig verraten will. Wenn ein Künstler was macht und sich dann selbst erklärt, ist das immer ein bisschen blöd. Das muss jeder für sich selber rausfinden.

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