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Carmen Bischof

Was macht man, wenn einem ein Auto zuläuft?

13.07.2017 um 13:02, Weekend Online
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Das Glück, das bekanntlich ein Vogerl ist, hat sich diesen Vergleich vor allem wegen einer Eigenschaft eingehandelt: Es fliegt und zwar davon. Manchmal pfeift es dir auch etwas, aber meistens blicken wir ihm sehnsüchtig nach und wünschen uns seine Wiederkehr.

Doch manchmal hat das Glück einen lichten Moment und zwitschert ein besonders schönes Frühlingsliedchen. Vor ein paar Wochen ist mir das Glücksvogerl in den Schoß beziehungsweise richtiger in die Mailbox geflogen.

Liebe Frau Bischof, so mein persönliches Frühlingslied, wir gratulieren ganz herzlich, Sie haben ein Auto für ein Jahr gewonnen.

Das Glück - ein riesiger Vogel

Das Merkwürdige am Glück ist: Wenn es wirklich einmal bei dir vorbeifliegt, dann kannst du es nicht glauben. Meine erste Reaktion war daher ein halblautes “Des gibts net”. Die zweite Reaktion war die genaue Überprüfung des Absenders und des Schreibens. Schließlich schreiben mir auch nigerianische Menschen, dass ich die dortige Lotterie gewonnen hätte oder kasachische Potentaten, dass ich ihnen helfen möge, ein beträchtliches Vermögen ins Ausland zu bringen.

Dieses Schreiben war anders, nämlich kurz, höflich und grammatikalisch einwandfrei. Der Absender war über jeden Zweifel erhaben, nämlich das Fashion Outlet meines Vertrauens im burgenländischen Parndorf. Ein Blick in meinen Kleiderschrank und meine Küche belegt: Über die Jahre habe ich dort so viel eingekauft, dass wir das Outlet und ich pari aussteigen, wenn ich tatsächlich ein Auto für ein Jahr bekommen sollte.

Außerdem konnte ich mich erinnern, tatsächlich eine Gewinnkarte ausgefüllt zu haben. Allein dass ich dafür drei Minuten Einkaufszeit geopfert hatte, dürfte das Glücksvogerl überzeugt haben, dass ich des Gewinns würdig bin.

Was tun also mit dem großen Glücksvogel, bevor er wegfliegen kann? Ganz klar: den Absender anrufen und nachfragen, auf die Gefahr hin, ausgelacht zu werden. Nach zwei Minuten war klar: Es stimmt tatsächlich. Das Auto ist klein und nagelneu und gelb, was zum Burgenland passt, das ja als Land der Sonne bekannt ist. Gottlob ist das Fahrzeug auf Zeit auch ein Fabrikat meiner Lieblingsmarke: ein Mini. Ich versuche zu atmen und betone zwanzigmal, dass ich mich sehr freue. Dann lege ich leicht benommen auf und bespreche den Vogelflug mit meinem schwedischen Lebensgefährten.

“Uns ist ein Auto zugelaufen. Unglaublich”, staune ich.

“Glaublich, ganz glaublich”, meint mein schwedischer Liebster, dessen Vokabular im Vergleich zu einem Muttersprachler beneidenswert groß und ungezähmt ist. Außerdem glaubt er ans Glück, zumindest an meins.

Ein kleines Auto, in das wir einziehen

Gemeinsam fahren wir ins Burgenland und holen das Auto ab. Es ist knallgelb mit großer Werbeaufschrift, verdreht den Leuten die Köpfe und wärmt uns das Herz. Dem verblüfften Repräsentanten des Shopping-Centers falle ich so heftig um den Hals, dass ihm die Luft wegbleibt.

Nur komplett herzlose Menschen steigen einfach in ein neues Auto ein und fahren los . Wer Autos liebt, zieht in sie ein wie in eine Wohnung, nur mit dem Vorteil, dass ein Auto keine Immobilie ist, sondern sogar ausgesprochen mobil.

An unserem ersten gemeinsamen Tag schenken wir dem Mini einen gelben Schlüsselanhänger und befüllen die Ablagefächer mit einer gelben Sonnenbrille, einem gelben Regenschirm, einem gelben Fahrtenbuch, mehreren gelben Kugelschreibern, etlichen gelben Taschen und einer großen gelben IKEA-Tasche. Schließlich könnte man ja irgendwann einmal etwas zu tragen haben.

Die gelben IKEA-Taschen sind auch in der schwedischen Heimat meines Liebsten für den Verbleib im Möbelhaus gedacht, aber wir bringen es nicht übers Herz, eine blaue IKEA-Tasche in den Mini zu geben. Wenn wir ertappt werden, müssen wir einfach auf Mundraub plädieren.

Am Abend sitzen wir im Wohnzimmer und schauen melancholisch auf die leere Fläche vor der Couch. Wunderbar hätte hier ein neuer gelber Mini Platz, aber die kurzsichtige Hausverwaltung hat nur einen winzigen 6-Personen-Lift ins Haus eingebaut. So müssen sich Eltern fühlen, denen ein grausames Krankenhaus mitgeteilt hat, dass sie das neue Baby nicht mit nach Hause nehmen dürfen.

In wilder Ehe mit einem Mini

"Wann stellst du ihn uns vor?", fragen meine Eltern, und bei einem neuen Lebensgefährten könnte die Frage kaum neugieriger und die Ungeduld kaum größer sein. "Bald", sage ich und genieße noch ein paar Tage wilde Ehe, bevor die Beziehung offiziell wird.

Der Mini ist vorne geräumig und bietet hinten genug Platz für Schuhe und andere Notwendigkeiten. Der Kofferraum erweist sich als ausgesprochen geräumig, besonders als wir statt einem Reservereifen ein weiteres Fach entdecken. “Weinkeller!” kommentiert der praktisch orientierte Schwede fachkundig.

Die wilde Ehe und auch der Mini laufen wunderbar. Das einzige, womit wir als mittelalterliche Menschen Probleme haben, ist das moderne Keyless-System, das BMW eingebaut hat. Man sperrt das Auto auf, setzt sich hinein und sucht mit dem Schlüssel nach einem geeigneten Platz. Den gibt es nicht mehr. Ab und zu legen wir den Schlüsselbund in einen Getränkehalter, manchmal in die Ablagefächer auf der Seite, fallweise einfach in den Schoß. Kompliziert wird es nur, wenn der Schlüssel in der Handtasche verbleibt. Wir gewöhnen uns daran, nicht nur daheim, sondern auch im Auto nach dem Schlüssel zu suchen.

Wohin geht die erste Ausfahrt mit einem kleinen gelben Auto? Klar: In Richtung Sonne. Aber darüber mehr das nächste Mal.

Carmen Bischof ist gebürtige Murauerin ("die Stadt mit dem besten Bier", betont sie!), beruflich und privat gerne auf Reisen, beruflich in Sachen Vertriebssteuerung für die Senzor Industries AB aus Schweden unterwegs und privat auf der Suche nach schönen Orten, gutem Bier und lässigen Aktivitäten.

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