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Intermittent Fasting - ein Selbstversuch

28.06.2017 um 13:24, Weekend Online
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„Danke, aber ich faste!“ – mit diesen, von unterschwelligem Magenknurren begleiteten Worten boykottierte ich das Frühstück, gab meiner ungläubigen Mutter einen flüchtigen Abschiedskuss und machte mich ein weiteres Mal auf den Weg zum Zentrum der geistigen Schinderei, meiner Universität.

Während der Motor meines zwölf Jahre alten Alfa Romeos mit meinem Magen um die Wette grollte, verfluchte ich insgeheim meine langsam aber sicher ausufernde Affinität zu ernährungs- und trainingsspezifischen Selbstexperimenten. Nichtsdestotrotz - mein Entschluss stand fest!

Wer leidet mehr: Körper oder Psyche?

Für die nächsten vier Wochen würde ich meinen Körper – und noch viel schlimmer, meine Psyche – täglich einem 16-stündigen Nahrungsentzug aussetzen. Ja, richtig gelesen: 16 Stunden am Stück ohne Süßes, Saures oder Pikantes! Oder in anderen Worten: 16 Stunden ohne Lebensfreude. Konkret bedeutete das: Ich nahm jeden Abend um 20 Uhr meine letzte Mahlzeit zu mir. Anschließend fastete ich die ganze Nacht einschließlich des darauffolgenden Vormittags. Die einzigen legitimen Konsummittel, die mir während des Fastenfensters ein zumindest marginales Sättigungsgefühl bescherten, waren Wasser, grüner Tee oder schwarzer (!) Kaffee.

Die erste - und die letzte Mahlzeit

Um punkt 12 Uhr mittags - nach 16 Stunden Nahrungs-Abstinenz wohlgemerkt - folgte die erste Mahlzeit des Tages! Im Laufe des weiteren Nachmittags konsumierte ich dann in der Regel zwischen drei und vier Mahlzeiten, bis – Sie ahnen es bereits – um punkt 20 Uhr die nächste Fastenperiode eingeläutet wurde.

Was bringt "Intermittent Fasting"?

„Intermittent Fasting“ - zu Deutsch periodisches bzw. unterbrochenes Fasten - nennt sich dieses von etlichen Sportmedizinern und Ernährungsexperten hochgepriesene Fastenkonzept, das viele Vorteile für die Gesundheit sowie das optische Erscheinungsbild mit sich bringen soll. Dazu zählen unter anderem:

  • Reduktion des Körperfettanteils (KFA)
  • Verbesserung der zellulären Regeneration (Stichwort: Anti-Aging!)
  • Erhöhte Ausschüttung an Wachstumshormonen (HGH)
  • Verbesserte Immunabwehr
  • Senkung des Blutdrucks
  • Reduktion von oxidativem Stress
  • Prävention gegen in unserer Gesellschaft weitverbreitete Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Krebs, hoher Blutzucker etc.)
  • Erhöhung der Lebenserwartung um 30% (Tierstudien)

Alternativen

Für all diejenigen unter Ihnen, bei denen die Symbiose aus den Wörtern „tägliches“ und „Fasten“ noch inneres Unbehagen auslösen, habe ich zwei alternative Fastenvariationen in petto:

  • Eat-Stop-Eat: Bei dieser Fasten-Methode wird nur zwei Mal pro Woche auf eine Nahrungszufuhr verzichtet – dafür aber gleich für 24 Stunden am Stück! Und so funktioniert es: Sie essen zum Beispiel montags ganz normal - Ihre letzte Mahlzeit nehmen Sie um 19 Uhr zu sich. Am darauffolgenden Tag (Dienstag) essen Sie dann erst wieder - Sie haben es erraten - um 19 Uhr Ihre erste Mahlzeit. Somit haben Sie schon einmal das erste vierundzwanzigstündige Zeitfenster der Woche erfolgreich absolviert. Mittwoch und Donnerstag wird dann der normale Speiseplan verfolgt. Am Freitag läuten Sie wieder um 19 Uhr das letzte Abendmahl ein, fasten die ganze Nacht und den darauffolgenden Samstag bis einschließlich 19 Uhr. Danach ist wieder erlaubt was das kulinarische Herz begehrt!
  • Alternate Day Fasting: Wie der Name bereits impliziert, wird bei dieser Variante jeden zweiten Tag 24 Stunden lang gefastet. Dabei haben Molekularbiologen der Karl-Franzens-Universität in Graz herausgefunden, dass diese Form des Fastens nicht nur der Fettverbrennung zuträglich ist, sondern sich obendrein auch noch in Bezug auf die Lebenserwartung positiv auswirkt.

Eine weitere positive Auswirkung, die sich bereits in den ersten Tagen meines Selbstversuches abzeichnete, war aber viel mehr psychologischer als physischer Natur und schaffte das schier Unglaubliche: Ich schlief während den Literatur-Vorlesungen nicht mehr ein. Beziehungsweise kaum noch. Stattdessen fühlte ich mich geistig „hellwach“ und erfreute mich einer nie zuvor dagewesenen Konzentrationsfähigkeit. Die Folge: Mit diesem neugewonnenen mentalen Fokus stieg auch meine Produktivität während meines ansonsten oftmals von Lustlosigkeit geprägten Vormittags direkt proportional an. Keine langwierige Frühstückszubereitung. Kein lästiges Pausenbrote-Schmieren. Keine sonstigen kulinarischen Ablenkungen.

Mein Magen donnert!

Die Kehrseite der Medaille: Mein anfängliches Magenknurren mutierte von Minute zu Minute immer mehr zu einem markerschütternden Magendonnern. Das fiel natürlich auch meinen Sitznachbarn auf. Sei's drum – da mussten wir jetzt beide durch. Was nach der 16-stündigen Askese folgte? Eine achtstündige Völlerei. Oder wie ich zu sagen pflege: eine „Göllerei“ – eine gesunde Völlerei. Bedeutet: Ich esse viel. Aber eben viel von den „richtigen“ Dingen. Denn auch während dieses Selbstversuches blieb ich meiner sonstigen gesunden Ernährungsweise treu. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte. Schlussendlich wirkte sich diese Treue gepaart mit dem kontinuierlichen Fasten nach Ablauf meines 30-tägigen Selbstversuches positiv auf der Waage aus – minus 8 Kilogramm! Ein kritischer Blick in den Spiegel bestätigte es: Mein Körper präsentierte sich definiert und athletisch wie selten zuvor. Mit etwas (etwas viel) Fantasie konnte ich sogar den Ansatz eines Waschbrettbauches erahnen. Ein beeindruckendes Ergebnis für lediglich vier Wochen ertragbarer Selbstbeherrschung.

Heute bleibt der Teller leer!

Fazit

Zugegeben: Vor circa dreißig Tagen assoziierte ich mit dem Begriff „Fasten“ noch den Zeitraum von Aschermittwoch bis Ostersamstag und glatzköpfige Shaolin-Mönche in orange-farbenen Kutten. Nun, da ich es am eigenen Leib getestet habe, kann ich sagen: Fasten ist mehr als religiöse Selbstkasteiung, mehr als ein hipper Diät-Trend und vor allem mehr als das bloße Alternieren zwischen Essens- und Fastenfenster! Intermittent Fasting - insbesondere im 16/8- Rhythmus, wie ich ihn praktizierte – ist eine Lebenseinstellung. Darum erfährt dieser längst vergessen geglaubte „Lifestyle“ aktuell auch eine Renaissance, die seinesgleichen sucht. Die Gründe dafür sind schnell gefunden: Intermittent fasting ist so simpel wie effektiv. Das tägliche Fasten macht Sie nicht nur jung, schlank und gesund, sondern kostet Sie obendrein auch keinen Cent (Wer braucht schon teure Detox-Kuren?). Und das anfängliche Magenknurren? Das verschwindet bereits nach einer kurzen Umstellungsphase unseres Ghrelin-Haushaltes (appetitanregendes Hormon). Versprochen.

Weekend-Blogger Philipp Sitter liebt Herausforderungen - vor allem, wenn es um körperliche Fitness geht. Der Grazer Student testet Diäten und Trainings und lässt die Leser an seinen Erfahrungen, Tipps und Erkenntnissen teilhaben.

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