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Beginn einer Freundschaft
Beginn einer Freundschaft
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Die Super-Schweden im Kino: Björn Borg

28.09.2017 um 12:04, Carmens PS-Blog
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Halten Sie auf der Straße einen beliebigen Menschen an und fragen Sie nach dem berühmtesten Schweden. Von Musikliebhabern werden sie ABBA hören, vielleicht Roxette, von der jüngeren Generation Avici. Wintersportler kommen mit Ingemar Stenmark. Sagen Sie das magische Wort Tennis, und die Menschen beginnen mit leuchtenden Augen über das ganze Gesicht zu lächeln. "Björn Borg! Der mit dem Stirnband!"

Sportlegende, Sunny Boy, Sexsymbol

Die schwedische Filmindustrie hat 2017 offensichtliche ihre Sportlegenden entdeckt. Nach "Superswede", einem Film über den größten schwedischen Rennfahrer Ronnie Peterson, schlagen sie mit "Borg vs. Mc Enroe" zu. Im Gegensatz dazu ist dieser Film keine Dokumentation, sondern ein Spielfilm.

Borg im "Bio" (so heißt auf Schwedisch das Kino)

Mit dem gebürtigen Isländer Sverrir Gudnason hat das Casting ganze Arbeit geleistet: Er sieht dem jungen Björn Borg unglaublich ähnlich. In Interviews hat Gudnason gestanden, dass er vor den Dreharbeiten noch nie ein Racket in der Hand gehabt hat. Monatelang hat er nach eigenen Worten trainiert und gelebt "wie ein Soldat".

LaBoeuf hat die ehrenvolle und sicher lustige Aufgabe, Heißsporn John McEnroe zu spielen.

Im Film bekommt man eine Ahnung davon, dass auch Borg selbst ähnlich gelebt haben muss. Der Mann mit dem Aussehen des ultimativen Sunny Boys hat in seiner Jugend tausende Stunden an Training absolviert: sportliches Training gegen Garagentore und gegen – meist unterlegene – Gegner.

Das wichtigere Training, dem im Film in Rückblenden viel Raum gewidmet wird, ist das mentale. Sein Trainer Lennart Bergelin hat ihn systematisch mit frustrierenden Situationen konfrontiert. "Out!" schreit Bergelin, "In!" schreit Borg zurück. "Out!" schreit Bergelin nicht einmal, sondern zweimal, dreimal, viermal, bei Bällen, die alle innerhalb der Linie waren. Der junge Borg muss ein ähnlicher Hitzsporn gewesen sein wie McEnroe. Das stoische Wegstecken von Rückschlägen und die absolute Konzentration auf den nächsten Schlag waren kein angeborenes Talent, sondern Ergebnis einer harten Schule.

Zwei von einem Schlag

Der Film wird wirklich großartig, als das große Wimbledon-Match 1980 gezeigt wird, in dem Björn Borg seinen Titel gegen McEnroe verteidigt. Zusätzlich zur körperlichen Anstrengung kommt die mentale Belastung in dem Match der beiden Giganten.

In einer berührenden Szene, in der Borg klar gegen McEnroe führt, wendet sich der Schwede an den Amerikaner und meint: "Don’t worry, it is a good game."

Danach kämpfen sie weiter über 3 Stunden und 53 Minuten, am Ende gewinnt einer – wenn Sie nicht wissen, welcher, dann tun Sie sich einen Gefallen und schauen Sie nicht vor dem Film nach, welcher. Genießen Sie die Spannung und erleben Sie auch mit, wie zwei Sportgrößen in gegenseitigem Respekt eine jahrzehntelange Freundschaft beginnen.

Beginn einer Freundschaft

Eine der schönsten Seiten Schwedens

Ein Film über Borg polarisiert ebenso wie Björn Borg selbst. Aus meiner Sicht haben die Schweden ein Problem mit ihren Berühmtheiten, die sie leicht abfällig "Kändis" nennen. Das kann man mit "Promi" übersetzen, aber es schwingt mit, dass da einer ist, der besser ist als die anderen. Sich für etwas Besseres zu halten, ist im egalitären Schweden eine Todsünde – auch wenn man besser singt, tanzt oder eben Tennis spielt als der Rest des Landes oder der ganzen Welt.

"Mir wäre lieber gewesen, ich wäre kein Superstar geworden, sondern vielleicht ein kleinerer Star", hat Agnetha, die Blonde von ABBA, einmal mit großen Bedauern gemeint.

Reden Sie mit einem Schweden über Björn Borg, und binnen Minuten kommt das Bonmot: "Mr. Borg, stay away from the white lines." Die weißen Linien gibt es auf dem Tennisplatz, aber auch im richtigen Leben von Björn Borg in Form von Kokain-Straßen.

Borg hat mit den Folgen seines Ruhms zu kämpfen gehabt: Kokain-Konsum und angebliche Sucht, Konkurs, ein vermeintlicher Selbstmordversuch, mehrere Scheidungen und unzählige Frauengeschichten. Letzteres verstehe ich, denn noch heute ist Björn Borg mit über sechzig Jahren eine Augenweide.

In der aufsehenerregendsten Szene des Films steigt Björn Borg aus einer Limousine und trägt einen Pelzmantel, in dem er aussieht wie ein Wikinger-Gott. Ich bekomme einen Anfall von Atemnot.

"Du bist Vegetarierin", mahnt mich meine Kinobegleitung zu. "Dir kann doch ein Pelzmantel gefallen!"

Der Pelzmantel gefällt mir ja auch gar nicht, sondern eben Björn Borg im Pelzmantel. Wenn Sie dieser Aussicht auch etwas abgewinnen können, kann ich nur sagen: Schauen Sie sich das an.

Stimmen zum Film

Der echte Björn Borg hat den Film übrigens gesehen und sich ruhig, positiv und freundlich dazu geäußert. Nur in den Tennis-Szenen, so meint die Legende, wäre es für einen Profi immer innerhalb von Sekunden sichtbar, wie gut jemand das Spiel beherrscht. Von John McEnroe hingegen war nur ein kurzer Ausbruch zu vernehmen: ziemlicher Quatsch, nichts passt, und gefragt worden sei er auch nicht.

Sehr viel hat sich also bei den beiden in den letzten Jahrzehnten nicht geändert.

Carmen Bischof ist gebürtige Murauerin ("die Stadt mit dem besten Bier", betont sie!), beruflich und privat gerne auf Reisen, beruflich in Sachen Vertriebssteuerung für die Senzor Industries AB aus Schweden unterwegs und privat auf der Suche nach schönen Orten, gutem Bier und lässigen Aktivitäten.

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