Teuerung: So eng wird es für die Mittelschicht
Alleine im Vorjahr sind die Verbraucherpreise um 8,6 Prozent gestiegen. Auch heuer dürfte die Steigerung wieder über 7 Prozent liegen. Die anhaltende Teuerung führt weiter zu einem Verlust der Lebensqualität. Besonders betroffen von der Teuerung sind jene, für die es auch davor schon knapp war. Wie eine neue Studie der Armutskonferenz zeigt werden Armutsbetroffene weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Knapp wird es mittlerweile aber auch für Menschen der unteren Mittelschicht.
Die Studie
Als Armutsbetroffen gelten Menschen mit einem Einkommen von 1.392 Euro oder weniger. Von unterer Mittelschicht spricht man bei einem Einkommen von 1.800 Euro oder weniger im Monat. Für die Studie im Auftrag des Sozialministeriums hat die Armutskonferenz 41 Armutsbetroffene sowie 17 Personen aus der unteren Mittelschicht in Diskussionsrunden zu ihrem Alltag und Umgang mit der Teuerung befragt.
Sparmöglichkeiten
Gespart wird vor allem bei Lebensmitteln, bei der Freizeitgestaltung, der Mobilität, aber auch bei der Gesundheit. Um die Teuerung abzufangen, arbeiten Menschen mehr, greifen auf Ersparnisse zurück, machen Schulden oder nützen die Hilfe von Freunden, Familie und Nachbarn sowie die Nothilfe diverser Organisationen.
Armutsbetroffene haben keinen Spielraum
Armutsbetroffene trifft die Teuerung doppelt hart. Sie hatten bereits davor wenig und jetzt weniger Möglichkeit an Kosten zu sparen. Dass sie nur an sehr kleinen Rädchen drehen können, dränge sie jetzt endgültig an den gesellschaftlichen Rand, so die Studie. "Die kleinste finanzielle Mehrbelastung bringt bei ihnen stets das Gleichgewicht – sofern es überhaupt eines gibt – durcheinander. Ihre Lebensrealität besteht im Alltag darin, mit den Rechnungen und Ausgaben zu jonglieren", so Studienautorin Evelyn Dawid. Eine Befragte habe etwa von einem öffentlichen Kaffeeautomaten zu einem um wenige Cent billigeren gewechselt.
Untere Mittelschicht verliert Sicherheit
Auch auf die untere Mittelschicht hat die Teuerung soziale Auswirkungen. Sie haben weniger Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. So berichten Teilnehmer der Diskussion etwa, soziale Kontakte bewusst einzuschränken. "Früher bin ich jedes Wochenende in irgendein Lokal, zwei, drei Bier und so weiter und so fort. Das mach ich nicht mehr, das kann ich mir nicht mehr leisten“, erzählt ein Mann. Das sei für sie ungewohnt, hätten sie doch zuvor mit einem Gefühl der ökonomischen Stabilität und Sicherheit gelebt. Ihr Spielraum ist deutlich kleiner geworden. Das schlägt sich in der Stimmung nieder. Sie wechselt zwischen Frustration und Verzweiflung, Angst und Ärger. In ihrer Empörung über die Teuerung sind sie lauter als Armutbetroffene.
Nährboden für Verschwörungstheorien
Beide Gruppen zeigen sich wütend sowie misstrauisch und suchen nach Schuldigen. Das nährt laut Studie auch die Bereitschaft, an Verschwörungstheorien zu glauben. Misstrauisch gab man sich vor allem gegenüber politischen Institutionen und Politikern. Kritische und aggressive Bemerkungen gab es in den Gesprächen u.a. gegen jene, die mehr haben, gegen Zuwanderer, Asylberechtigte, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die als Konkurrenz um preiswerte Güter beschrieben werden. Negative Äußerungen gibt es aber auch gegen jene, die Sozialleistungen erhalten, die man selbst nicht erhält. Zudem würde Scham die Betroffenen ständig begleiten.
Abdecken der Inflation nicht genug
Das Abgelten der Inflation wäre für sie nicht ausreichend."Das stimmt dort, wo vorher alles ok war. Dort aber, wo schon seit jeher massive Lücken und Fehlentwicklungen aufgetreten sind, kommt die Teuerung jetzt dazu", analysiert Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz. Die Teuerung müsse ausgeglichen, Preise gedämpft und die Probleme von vorher gelöst werden. Ein Fokus bei der Armutsvermeidung solle auf die untere Mittelschicht gelegt werden.
Einmalzahlungen greifen nicht
Die Einmalzahlungen wiederum hätten Betroffene vor allem für den Alltag aufgewendet, damit Rechnungen bezahlt oder das Minus am Konto ausgeglichen. Vielfach sei es auch in notwendige Sonderausgaben geflossen – etwa in Waschmaschine, Geschirrspüler oder Kleidung. Wirklich spürbar waren dabei aber nur Einmalzahlungen mit höheren Beträgen, von vielen Einmalzahlungen wussten die Teilnehmer nicht. Einzig der Klimabonus war allen bekannt.