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das Opferfest vereint Gläubige weltweit in Gedenken, Dankbarkeit und Solidarität.
Das Opferfest vereint Gläubige weltweit in Gedenken, Dankbarkeit und Solidarität.
Das Opferfest vereint Gläubige weltweit in Gedenken, Dankbarkeit und Solidarität.
Forclick Studio/iStockphoto.com

Ritual: Warum Muslime zum Opferfest Tiere schlachten

04.06.2025 um 14:06, Yunus Emre Kurt
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Das Opferfest erinnert an Ibrahims Hingabe an Gott. Doch was steckt wirklich hinter dem Schlachten eines Tieres? Ein Blick auf Geschichte, Sinn und Brauchtum.

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Wenn Millionen Muslime weltweit zum Opferfest (Kurban Bayramı) ein Tier schlachten, geht es nicht um Blutvergießen, sondern um Hingabe, Solidarität und spirituelle Nähe zu Gott. Das Ritual hat seinen Ursprung in einer jahrtausendealten Glaubensgeschichte, die von tiefem Vertrauen, Gehorsam und göttlicher Barmherzigkeit erzählt.

Ursprung und spirituelle Bedeutung

Das Opferfest wird vom 10. bis 13. des islamischen Monats Dhu l-Hidscha gefeiert, unmittelbar nach der Pilgerfahrt (Hadsch). Es erinnert an die Geschichte des Propheten Ibrahim (Abraham), der bereit war, auf Gottes Geheiß seinen Sohn zu opfern. Im Koran wird geschildert, wie Gott seine Bereitschaft prüfte, aber im letzten Moment ein Opfertier schickte. Diese Erzählung ist zentral für das Verständnis des Opferfestes: Nicht das Blut, sondern die Absicht zählt – wie es im Koran (Sure al-Hadsch, Vers 37) heißt: „Weder ihr Fleisch noch ihr Blut erreicht Gott, Ihn erreicht allein eure Frömmigkeit.“ 

Der arabische Begriff „Qurban“ bedeutet wörtlich „Nähe“. Wer ein Tier opfert, nähert sich symbolisch Gott an, durch Gehorsam, Demut und tätige Nächstenliebe.

Wann wird gefeiert?

Das Opferfest beginnt am 10. Tag des islamischen Monats Dhu l-Hidscha und dauert vier Tage. Im Jahr 2025 fällt der erste Festtag auf Freitag, den 6. Juni. Der Vortag (Arife Günü) ist Donnerstag, 5. Juni. 

Zuvor findet der Hadsch statt. Die große Pilgerfahrt nach Mekka, eine der fünf Säulen des Islam. Dort feiern Millionen Menschen aus aller Welt das Opferfest direkt nach Abschluss der heiligen Rituale.

Was wird geopfert – und wie?

Zugelassen sind Schafe, Ziegen, Rinder, Kamele oder Büffel. Das Tier muss gesund, ausgewachsen und ohne sichtbare Mängel sein. Es wird nach islamischem Ritus geschlachtet: mit Blickrichtung Mekka, unter Ausruf des Gottesnamens, schnell und schmerzarm. 

Das Fleisch wird zu je einem Drittel aufgeteilt: für die Familie, für Verwandte oder Nachbarn und für Bedürftige. Damit ist das Opfer nicht nur eine religiöse Pflicht, sondern auch ein Akt sozialer Gerechtigkeit.

Warum wird ein Tier geschlachtet?

Im Islam symbolisiert das Schlachten eines Opfertiers keine Gewalt, sondern: 

  • Gehorsam gegenüber Gottes Gebot
  • Dankbarkeit für Gottes Gaben
  • Solidarität mit Bedürftigen

Religiöse Grundlage: Verse aus dem Koran

Das Opfer hat im Islam klare theologische Grundlagen. Unter anderem wird es erwähnt in: 

  • Sure al-Kawthar 1–2: „So bete zu deinem Herrn und opfere!“
  • Sure al-Hadsch 34–37: „Ihr Fleisch und Blut erreichen Gott nicht, aber eure Frömmigkeit.“
  • Sure as-Saffat 102–107: Die Geschichte von Ibrahim und Ismail

Gemeinschaft und Gebet

Der Festtag beginnt mit dem gemeinsamen Bayram-Gebet in der Moschee. Gläubige versammeln sich, um gemeinsam zu beten, Vergebung zu erbitten und sich gegenseitig ein gesegnetes Fest zu wünschen. In vielen Kulturen ist es Brauch, neue Kleidung zu tragen, das Haus festlich zu schmücken und Verwandte zu besuchen.

Kulturelle Vielfalt der Bräuche

Rund um den Globus wird das Opferfest unterschiedlich gefeiert, stets mit lokalen Traditionen. In der Türkei wird das Opfertier mit Henna bemalt. In Südostasien spenden Familien oft das gesamte Fleisch. In arabischen Ländern wird das Fest oft mit dem Besuch von Gräbern der Verstorbenen verbunden. 

In ländlichen Regionen gehören symbolische Rituale zur Tierauswahl dazu: feilschen, Hände schütteln, ein Tier schon Wochen vorher aufziehen.

Soziale und gesellschaftliche Dimension

Das Opferfest ist nicht nur ein individuelles Glaubensbekenntnis, sondern auch ein soziales Ereignis. Bedürftige werden gezielt mitversorgt. In vielen Gemeinden werden Tiere zentral geschlachtet und Fleischpakete organisiert. Auch Spenden an internationale Hilfsorganisationen sind verbreitet, so erreicht das Opfer sogar Menschen in Krisenregionen. 

Das Teilen des Opfers wird damit zu einem Symbol für Mitgefühl, Verantwortung und Gerechtigkeit.

Verbindung zum Hadsch

Die Hadsch, die große Pilgerfahrt nach Mekka, ist eng mit dem Opferfest verbunden. Wer sie vollzieht, schlachtet nach dem wichtigsten Ritualtag (Arafat) ebenfalls ein Tier. Der Hadsch ist eine der fünf Säulen des Islam, für Muslime weltweit ein einmaliger spiritueller Höhepunkt. Im Jahr 2025 findet die Hadsch vom 4. bis 9. Juni statt, das Opferfest beginnt am 6. Juni. 

Schätzungen zufolge nehmen heuer über zwei Millionen Gläubige an der Pilgerfahrt teil. Angesichts der erwarteten Hitze von bis zu 43 Grad Celsius haben die saudischen Behörden zusätzliche Schattenplätze und strengere Sicherheitsmaßnahmen angekündigt. 

Die saudische Regierung hat für dieses Jahr neue Regeln eingeführt: 

  • Pflichtausweise für Pilger
  • Strafen bis zu 23.000 Euro für illegale Teilnehmer
  • Künstliche Intelligenz zur Pilgerüberwachung
  • Maßnahmen gegen Hitze nach über 1.300 Toten 2024

Ein Fest mit Verantwortung

Neben der religiösen Pflicht steht das Opferfest auch für Verantwortung – gegenüber der Schöpfung, den Mitmenschen und der Gesellschaft. Es ist ein Aufruf zur Selbstreflexion: Was bin ich bereit zu opfern? Wie viel teile ich mit anderen? Und was bedeutet mir Spiritualität im Alltag? 

Gerade in Zeiten sozialer Ungleichheit und globaler Krisen erinnert das Opferfest daran, dass Glaube mehr ist als Ritual: Es ist tätige Nächstenliebe.

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