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Nachhaltigkeitsbericht
Der Nachhaltigkeitsbericht überholt in seiner Bedeutung den Geschäftsbericht.
Der Nachhaltigkeitsbericht überholt in seiner Bedeutung den Geschäftsbericht.
Getty Images

Immer mehr grün statt reines Zahlenwerk

08.10.2021 um 11:24, Jessica Hirthe
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Multimediale und interaktive Elemente machen den Geschäftsbericht längst zu einem Marketinginstrument. Nicht fehlen darf dabei: Wie nachhaltig wird gewirtschaftet?

Wie steht es um den Umweltschutz im Unternehmen? Wie wird die Dekarbonisierung vorangetrieben? Welche Energiequellen werden verwendet? Nachhaltigkeitsthemen werden immer häufiger in den Geschäftsberichten gesucht. Nach einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien, die über mehrere Monate mehr als 23.000 Nutzer von digitalen Geschäftsberichten befragte, interessierten sich 14,1 Prozent für Umweltschutz und Ökologie - damit steht dieser Themenbereich hinter wirtschaftlicher Entwicklung (25,6 Prozent) und Strategie (16,4) bereits an dritter Stelle der Hauptinteressen. Erst danach folgen Informationen zum Management (9,4), zum Ausblick (8,8) sowie zum Unternehmen und der Aktie (8). „Ein Nachhaltigkeitsbericht wird in den nächsten Jahren genauso wichtig, wenn nicht wichtiger werden wie der Jahresabschluss“, glaubt Erich Lehner, Linzer Standortleiter der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. „Wenn es keinen extra Nachhaltigkeitsbericht gibt, dann werden zumindest die wichtigsten Themen im Annual Report dazu berichtet“, beobachtet auch Christine Weixelbaumer, Geschäftsführerin der Projektagentur Weixelbaumer, die sich auf Annual Reports spezialisiert hat.


Neue Richtlinien für Unternehmen


Erich Lehner geht noch weiter: „Es werden auch neue Richtlinien auf die Unternehmen zukommen.“ Bereits jetzt gibt es gesetzliche Berichtspflichten gemäß dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz. Ernst & Young hat sich in einer Studie die Nachhaltigkeitsberichterstattung österreichischer Top-Unternehmen angeschaut. Der Anteil der 110 Top-Unternehmen, die einen solchen veröffentlichen, lag 2020 bei 42 Prozent - seit der ersten EY-Studie im Jahr 2010 hat er sich verdoppelt. Laut der Studien-Autoren sei der Anteil jedoch im internationalen Vergleich immer noch sehr gering. Die Berichtspflichten sollen deutlich ausgeweitet werden, wenn es nach der EU geht. Ende April dieses Jahres wurde von der EU-Kommission ein Vorschlag für eine neue Regulierung mit der Bezeichnung Corporate Sustainability Reporting Directive vorgelegt. Ein Punkt, den die EU-Kommission fordert: Für alle großen Unternehmen und alle am regulierten Markt gelisteten Unternehmen soll die Berichtspflicht gelten. Dafür sollen auch einheitliche Standards erarbeitet und verpflichtend angewendet werden. Diese Standards sollen auch klären, welche detaillierten Informationen etwa zur Wertschöpfungskette oder zur Strategie des Vorstands angegeben werden müssen. Die EU-Kommission will auch eine verpflichtende externe Prüfung dieser Nachhaltigkeitsberichte.

Konzerne integrieren Öko-Themen


Die Voestalpine AG etwa veröffentlicht bereits seit fünf Jahren neben ihrem Geschäftsbericht einen konzernweiten Corporate Responsibility Report. Die AMAG AG hat den Nachhaltigkeitsbericht in den Geschäftsbericht integriert. „Durch das zunehmende Interesse am Thema Nachhaltigkeit gewinnt der integrierte Geschäftsbericht insgesamt an Bedeutung“, sagt Leopold Pöcksteiner, Leiter der Konzernkommunikation. Auch bei der Energie AG hat man die Umweltthemen in den Geschäftsbericht integriert. „Besonders die Aspekte Nachhaltigkeit, Umwelt, Soziales, Compliance und Arbeitnehmer sind in den Fokus von Eigentümern und Investoren gerückt und haben im Geschäftsbericht ein dementsprechendes Gewicht“, sagt Energie AG-Pressesprecher Michael Frostel. Diese Themen interessieren nicht nur Eigentümer und Investoren. Denn laut der Studie der WU Wien besteht die Leserschaft der Geschäftsberichte nur aus rund einem Drittel an Investoren und Analysten. Für das Leitmedium der Finanzkommunikation interessieren sich überraschenderweise sehr häufig auch die eigenen Mitarbeiter (25 Prozent), Studenten und Bewerber (14,5), Kunden (8,2), Nachhaltigkeitsexperten (4,4), Lieferanten (4), Journalisten (2,1) und Vertreter von NGOs (1). „Neben der Financial Community richten sich Geschäftsberichte ganz klar auch an interne Zielgruppen und die breite Öffentlichkeit“, sagt dazu Stéphanie Mittelbach-Hörmanseder von der Abteilung Unternehmensrechnung und Revision der WU Wien. Unternehmen müssen ihre Geschäftsberichte in Zukunft so gestalten, dass sie der Vielfalt der Stakeholder auch gerecht werden: „Einige Konzerne haben ihre Berichte in den letzten Jahren auf reine Daten-Werke reduziert und dabei gestalterische und kommunikative Aspekte vernachlässigt. Es muss aber auch in Zukunft darum gehen, dass Geschäftsberichte auch für fachfremde Zielgruppen verständlich bleiben, eine Geschichte erzählen und Leser abholen.“

Annual Report als Marketinginstrument


Das unterstreicht auch Christine Weixelbaumer von der Projektagentur: „Annual Reports eigenen sich sehr gut als Marketinginstrument. Er wird nicht als Werbung wahrgenommen, ist meist aktueller als die Imagebroschüren der Unternehmen und wird vom Vorstand unterfertigt, vom Wirtschaftsprüfer testiert.“ Wenn Geschäftsberichte nur Zahlenwerke sind, „versäumt man die Möglichkeit, dass Image des Unternehmens zu stärken. Corporate Design, Corporate Visuals and Language tragen dazu bei, dass alle Maßnahmen des Unternehmens als Einheit wahrgenommen werden.“ So gibt etwa die AMAG AG zum klassischen Geschäftsbericht ein Magazin heraus, das die wichtigsten Informationen zum Unternehmen und zur Geschäftsentwicklung enthält. Während es den reinen Finanzbericht nur noch in digitaler Form auf der Website abrufbar gibt, wird die Printversion des Magazins laut Konzernsprecher Leopold Pöckensteiner an „Investoren, Privataktionäre, Banken und weitere, vornehmlich regionale Stakeholder, die dies ausdrücklich wünschen, versendet“. „Durch die Aufteilung des Geschäftsberichts in ein Magazin und den Finanzbericht ergibt sich, dass das Magazin gestalterische und kommunikative Aspekte enthält.“

Voestalpine setzt noch auf Printversion


Die Energie AG gibt den Geschäftsbericht seit 2017/18 nur noch digital heraus. „Eine PDF-Version kann generiert werden“, sagt Sprecher Michael Frostel. Dadurch sei er auch für jedermann zugänglich. Und: „Die Digitalisierung ermöglicht es, individuell nach Inhalten zu suchen und Grafiken und Bericht herauszufahren. Die wichtigsten Kriterien sind Übersichtlichkeit, Bedienbarkeit und Durchsuchbarkeit. Weitere Vorteile der Online-Version liegen auf der Hand, etwa können auch Videos und Animationen eingebunden werden.“ Die Voestalpine setzt neben der digitalen Form schon noch auf einen gedruckten Geschäftsbericht: „Da die gesetzliche Vorgabe besteht, den Geschäftsbericht bei Hauptversammlungen aufzulegen und unsere Aktionäre ausdrücklich nach einem gedruckten Bericht fragen, stellen wir diesen auch in Print zur Verfügung.

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