Adel verbindet - auch im Business
Mit Alexander Schallenberg hatte die Zweite Republik erstmals einen Bundeskanzler adeliger Abstammung. Zwar ist es mittlerweile über 100 Jahre her, dass der Adelsstand und das Führen des Titels verboten wurden, doch noch 2010 war Ulrich Habsburg-Lothringen das Antreten bei der Bundespräsidentenwahl wegen des Habsburger-Paragrafen, der mittlerweile aufgehoben wurde, untersagt worden. Ansonsten sind Adelige eher selten in der Politik zu finden. In der Wirtschaft hingegen machen einige sehr erfolgreiche Sprosse des Adelsstandes von sich reden. Was die meisten antreibt: Der Erhalt der Burgen und Schlösser verschlingt Unsummen. Zwar gehört den Adelsnachfahren – immerhin 1,4 Prozent der österreichischen Bevölkerung – noch heute etwa ein Zehntel der Waldfläche im Land und sie sind unter den Großgrundbesitzern stark überrepräsentiert. Doch nur sehr wenige der etwa 180 Familien zählen heute noch zu den Superreichen, wie etwa der Mayr-Melnhof-Clan mit seinem börsennotierten Verpackungskonzern und einer riesigen Holzindustrie. Die meisten müssen erfinderisch sein, um ihren Besitz zu erhalten. Oder haben der Tradition längst den Rücken gekehrt: Weg von angestammten Berufen hin zu Managementtätigkeiten. „Da es immer schwieriger wird, den traditionellen Betrieb finanziell über Wasser zu halten, halte ich Augen und Ohren offen, um ergänzend auch anderweitig meine Fähigkeiten einsetzen zu können. Ich versuche, Chancen zu erkennen und zu nutzen“, sagt etwa Niklas Salm-Reifferscheidt. Er führt das von seinem Vater geerbte Familienunternehmen, einen Forstbetrieb in Steyregg.
Weg von angestammten Berufen hin zum Manager
Sein Herzensprojekt ist das Pumpspeicherkraftwerk Linz, das am Pfenningberg errichtet werden soll. Laut Niklas Salm, er unterschreibt seine Mails nur mit dem ersten Teil seines Nachnamens, wird derzeit an der Umweltverträglichkeitsprüfung gearbeitet. „Ein Pumpspeicherkraftwerk ist zurzeit die ökologischste und effizienteste Variante, Strom zu speichern.“ Nachhaltigkeit ist für ihn der Schlüssel zum Erfolg. „Der Begriff kommt aus der Forstwirtschaft und wird gegenwärtig leider so oft zitiert, dass er ein wenig abgedroschen klingt. Was nicht aus wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Sicht nachhaltig ist, verschwindet bald wieder von der Bildfläche, hinterlässt aber Wunden und Narben.“ Als Forstwirt habe er gelernt, in Generationen zu denken: „Den Baum, den ich pflanze, erntet bestenfalls irgendwann die Enkelgeneration.“ Natürlich habe er bei dem Pumpspeicherkraftwerk auch wirtschaftliche Interessen, „aber mich begeistert die Idee, gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und viele Vorteile zu bieten wie die Abdeckung von Stromspitzen oder Energiesicherheit für Linz“.
Kleiner Forstwirt meets Start-up-Investor
Auch einen bunten Strauß an Beteiligungen hat Salm mittlerweile zusammengetragen. „Mein Interesse an technischen Neuerungen hat mich in die Start-up-Szene gebracht. Ich beteilige mich grundsätzlich nur dort, wo ich mich, mein Wissen und meine Fähigkeiten fruchtbringend einsetzen kann.“ So ist er nach eigenen Angaben mit 50 Prozent an einer Betreibergesellschaft für das Coworking-Office am Linzer Hauptplatz beteiligt, hat einige Beteiligungen an Kleinwasserkraftwerken und nachhaltigen Immobilienprojekten in Südamerika, bei Startup300, einem Londoner EMS-Fitnesstraining und an Community, ein Social-Marketing-Start-up, das Fans und Prominente verbindet. Auch an der höchst erfolgreichen Angler-Plattform Hejfish ist er zumindest mit 5 Prozent gemeinsam mit seinem Bruder beteiligt. Und in die investiert auch ein anderer oberösterreichischer Adeliger: Georg Starhemberg. Auch er sieht sich als „Substanzverbesserer“, der neue Wege gehen muss mit „nachhaltigen, enkeltauglichen Investitionen“. Er besitzt Tausende Hektar Wald, sechs Schlösser, zehn Ruinen und mehrere Hundert Kilometer Fischwasser. Er vermarktet das Schloss Eferding als Museum und kulturellen Veranstaltungsort. Hier findet im kommenden Jahr die nächste OÖ Landesausstellung statt. An der Hejfisch App beteiligte er sich auch aus der Notwendigkeit heraus, die Fischereirechte in seinen Ländereien effizienter zu verwerten, mittlerweile ist sie international expandiert und bündelt die Angelangebote von 1.000 Anbietern. Der umtriebige Fürst, der auch das Eferdinger Kulturinstitut gegründet hat und mit einer Plattform junge Künstler unterstützt, hat noch weitere grundverschiedene Standbeine: Schon vor mehr als zehn Jahren beteiligte er sich am Onlinebezahlsystem Viveum.
Privat und geschäftlich stark „verbandelt“
Auch wenn Starhemberg betont, dass die adeligen Verwandtschaftsbande „geschäftlich betrachtet wenig“ bei seinen Geschäften helfen, weil „untereinander eher Familiäres und Privates verbindet“, wird deutlich, wie bestens vernetzt die österreichische Adel-Community ist. Starhemberg, der auch als ehemaliger LASK-Präsident von sich reden machte, war vor Jahren Kompagnon in der Computerhandelsfirma von Heinrich Hoyos, der auch sein Trauzeuge ist, und baute mit ihm gemeinsam einen Klettergarten in Linz. Hoyos ist ein Multi-Unternehmer: Er entwickelte Golfplätze und gründete Ende der 90er-Jahre mit zwei weiteren die Lagerraum-Company „My Place Selfstorage“, die mittlerweile 51 Standorte betreibt. Und noch ein Blaublut-Projekt unterstützt Starhemberg: Er realisierte gemeinsam mit Windkraft-Pionier Johannes Trauttmansdorff einen Windpark im Mühlviertel. Beim Windpark Koralpe in Kärnten waren mit Trauttmansdorff etwa Alfred Liechtenstein und Dominik Habsburg-Lothringen gemeinsam in einem Boot.
Adeliger Windkraft-Pionier und Business Angel
Der Hauptsitz von Trauttmansdorffs Unternehmen „ImWind“ befindet sich gleich neben dem Schloss Pottenbrunn in Niederösterreich. Trauttmansdorff übernahm zunächst den elterlichen Land- und Forstwirtschaftsbetrieb. Schnell kam sein Herzensthema Windkraft dazu, auch wenn das vor 25 Jahren noch als Hirngespinst abgetan wurde und er sich schwertat, Fördergeber zu finden. Doch der Siegeszug der Windkraft und seines Unternehmens nahm Fahrt auf: Mittlerweile hat „ImWind“ 140 Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Österreich umgesetzt, dazu Dutzende in ganz Europa und Übersee. „Wir sind der größte private Ökostromproduzent in Österreich“, sagt Trauttmansdorff stolz. Doch die „ImWind“-Gruppe sei breit aufgestellt: „Wir sind auch an verschiedenen österreichischen Industrieunternehmen beteiligt, stark in der Immobilienbranche engagiert und investieren seit Jahren auch in Start-ups.“ So hält er rund 25 Prozent am Welser Trodat-Trotec Stempel-Konzern, investierte als Business Angel in die N26-Bank und in die Start-ups Heimwerkertools und Dreamstage, eine virtuelle Konzerthalle. „Es muss immer eine Begeisterung geben für das Geschäftsmodell und das Team, wir müssen etwas entwickeln und aufbauen können. Optimal ist es, wenn es eine positive Umwelt- und Klimakomponente hat“, begründet Trauttmansdorff seine Investitionsauswahl. Auch Trauttmansdorff wird nicht gerne auf die Adelsbande angesprochen. „Wir arbeiten mit Menschen und Unternehmen zusammen, die uns von ihrer Mentalität, ihrer Moral und ihrer Professionalität überzeugen. Die Herkunft ist vollkommen belanglos.“ Eine gewisse Vernetzung sei im Wirtschaftsleben natürlich wichtig – „aber die Vernetzung innerhalb der eigenen Branche und mit den besten Köpfen und Entscheidungsträgern. Adelig zu sein ist hier weder Grund noch Hindernis.“ Niklas Salm geht noch weiter: „Der Adel war noch nie eine homogene und geschlossene Gruppe – und heute erst recht nicht. Unsere Gesellschaft braucht aufrichtige und ehrliche Menschen mit tatkräftigem Engagement, Verantwortung zu tragen, sich für Staat, Familie und Mitmenschen einzusetzen, soziales Leid zu bekämpfen und die Schöpfung zu bewahren. Wer das lebt, zählt zum heutigen Adel.“