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Bürgermeister Michael Ludwig in seinem Büro| Credits: Alexander Gelten
Brgermeister Michael Ludwig im Talk mit Weekend Magazin Wien-Redakteur Rudolf Grüner.
Brgermeister Michael Ludwig im Talk mit Weekend Magazin Wien-Redakteur Rudolf Grüner.
Alexander Felten

Ludwig: „Holen Sie sich die Spritze"

29.09.2021 um 11:42, Rudolf Grüner
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Der Bürgermeister über die Impf-Strategie, Straßenprojekte und seinen moralischen Kompass.

Der Wiener Bürgermeister hält nichts vom Zwang zum Jaukerl, appelliert aber an alle, sich den Stich zu holen. Wo ihm noch das Geimpfte aufgeht? Beim Straßenbau und in der strittigen Afghanistan-Frage.

Experten warnen vor der vierten Corona-Welle: Wie geht Wien in den Herbst?

Michael Ludwig: Besorgt, aber vorbereitet. Wir impfen ja mittlerweile überall: in Märkten, Kirchen, Moscheen. Mir ist aber auch klar, dass es einen gewissen Prozentsatz in der Bevölkerung gibt, den wir nicht erreichen. Darum steigern wir das Test-Tempo und bauen das PCR-Angebot aus.

weekend: Die Spritze für alle über zwölf – für Sie vorstellbar?

Michael Ludwig: Eine generelle Impfpflicht wäre aus Sicht der Virologen sicher sinnvoll, ist aber meiner Meinung nach gesellschaftspolitisch nicht durchsetzbar.

Eine generelle Impfpflicht inst nicht durchsetzbar.

weekend: Was, wenn sich die Lage weiter verschärft?

Michael Ludwig: Da nehme ich den Bund in die Pflicht. Auch wenn dort manche meinen, dass Corona ein individuelles Problem ist. Die Regierung ist angehalten, für alle möglichen Szenarien einheitliche Regeln auszuarbeiten. Wir Landeschefs waren immer bereit, auch unpopuläre Entscheidungen mitzutragen; dann, wenn die Kommunikation stimmt.

weekend: Stichwort Dialog: Auch in Sachen Nordostumfahrung herrscht dicke Luft. Wann nimmt das Straßenprojekt wieder Fahrt auf?

Michael Ludwig: Möglichst bald. Hoffentlich. Ich würde mir wünschen, dass die Nordostumfahrung Genauso schnell evaluiert wird wie zum Beispiel die Schnellstraße zwischen Freistadt und Rainbach in Oberösterreich.

Was mich verwundert: Anscheinend gibt es gute Straßen und schlechte Straßen.

Wiens Bürgermeister am Balkon des Rathauses| Credits: Alexander Felten
Bürgermeister Michael Ludwig.

weekend: Wird verzögert?

Michael Ludwig: Das will ich nicht behaupten. Man könnte aber den Eindruck gewinnen, dass es aus Sicht des Klimaschutzes – und der Frau Bundesministerin (Anm. d. Red: Leonore Gewessler) – gute Straßen und böse Straßen gibt. Ich erwarte mir nur eine Gleichbehandlung und eine präzise Einschätzung zweier Projekte – mehr nicht.

weekend: Skeptiker rund um das Lobautunnel-Projekt sitzen nicht nur im Ministerium, sondern demonstrierend auf der Straße: Ihre Botschaft an diese Bürgerbewegung?

Michael Ludwig: Die Lobau ist nicht gefährdet: Die Natur wird weder buchstäblich noch sinnbildlich überfahren. Wird aber die Nordostumfahrung nicht gebaut, bleiben durch den Durchzugsverkehr weiter Zigtausende Menschen in der Donaustadt auf der Strecke – vor allem was die Lärmbelastung betrifft. Nicht vergessen darf man, dass dann auch Wirtschaft und Wohnbau im Stau stehen. Aber auch die viel leiseren und umweltfreundlicheren E-Autos, die wir alle ins Rollen bringen wollen.

Was ist die Alternative? Keine Wohnungen mehr bauen – und keine Jobs mehr schaffen?

weekend: Die Situation in Afghanistan geht Ihnen ans Herz: Wem wollen Sie helfen?

Michael Ludwig: Denen, die auf unserer Seite sind. Jenen mutigen Menschen, die sich für Demokratie eingesetzt haben und jetzt auf Todeslisten stehen und um ihr Leben zittern. Etwa Richterinnen, Journalistinnen und Lehrerinnen, die Mädchen unterrichtet haben. Wir haben eine moralische Verpflichtung, diese Frauen, aber auch verfolgte, prowestliche Männer jetzt nicht im Stich zu lassen.

Wir haben eine moralische Verpflichtung, diese Frauen jetzt nicht im Stich zu lassen.

weekend: Also individuell und gezielt aufnehmen?

Michael Ludwig: Genau. Da geht es nicht um Flüchtlingsströme, die man organisieren oder stimulieren möchte. Das ist eine Propagandageschichte, die erzählt wird. Am besten auf Bundesparteitagen.

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