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Karriere
Der Traumjob soll heute Spaß machen und die Möglichkeit bieten, sich zu entwickeln. 
Der Traumjob soll heute Spaß machen und die Möglichkeit bieten, sich zu entwickeln. 
iStock.com/Vasyl Dolmatov

Moderne Arbeitswelt – Arbeitspsychologin im Gespräch

14.07.2021 um 09:52, Manuela Fritz
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Was sind heute die Anforderungen an den perfekten Job, welche Kriterien muss der optimale Arbeitgeber erfüllen und wie hat Corona die Arbeitswelt verändert? Die Tiroler Arbeitspsychologin & Unternehmensberaterin Cornelia Schallhart im Gespräch.

Weekend: Wie sieht die moderne, ideale Wunschvorstellung an die Arbeit aus?
Cornelia Schallhart: Menschen suchen meiner Meinung nach im Beruf immer häufiger auch Erfüllung. Der Job soll gefallen, Spaß machen, aber auch die Möglichkeit bieten, etwas dazuzulernen, sich zu entwickeln. Die Arbeit in einem Team, das sich gegenseitig respektiert und fördert, ist wünschenswert, ebenso ein Vorgesetzter, der gut führen kann, sowie eine Firma, die den Mitarbeiter schätzt und auf dessen Gesundheit achtet.

Welche Rolle spielt dabei der Verdienst?
Cornelia Schallhart:
„Nur“ Geld verdienen ist für viele nicht mehr so wichtig. Vielmehr treten Selbstbestätigung und Erfüllung im Job in den Vordergrund. Leider hat aber auch heute noch nicht jeder die Chance, sich einen Job zu suchen, in dem Geld keine Rolle spielt.

Und wie sieht der ideale Arbeitgeber aus?
Cornelia Schallhart:
Ideal wäre er vielleicht, wenn er jeden Mitarbeiter individuell betrachtet und ihn in Abstimmung mit dessen Fähigkeiten und Talenten einsetzt. Dieser Arbeitgeber achtet auch auf die Gesundheit der Mitarbeiter und bietet Möglichkeiten, sich kreativ einzubringen. Die Lebenswelt der Mitarbeiter wird in der Gestaltung des Arbeitsumfeldes ebenso berücksichtigt wie Pausen und Erholungsphasen. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, selbst mitzubestimmen und sich im Team Aufgaben zu organisieren. Jeder darf sich nach seiner Art einbringen. So entsteht automatisch eine Win-Win-Situation, denn das Potential der Mitarbeiter nützt auch dem Unternehmen.

Corona hat ja all unsere Lebensbereiche beeinflusst, vor allem aber auch die Arbeitswelt. Was hat sich besonders verändert?
Cornelia Schallhart:
Allem voran die Etablierung und das Ermöglichen von Homeoffice. Im Grunde war Homeoffice nämlich schon lange fällig, viele Mitarbeiter haben es schon seit langem gefordert. Corona hat eben gezeigt, dass es funktioniert: Arbeit hängt nicht mehr an einem bestimmten Ort, sie ist überall möglich. Auch hat Corona dem Einen oder Anderen vielleicht aufgezeigt, was wirklich nötig ist, um Arbeit, Familie und Freizeit in Balance zu bringen bzw. zu halten. Und auch im Hinblick auf Fortbildungen hat uns Corona gezeigt, dass viel mehr möglich ist, wenn Anwesenheitspflichten entfallen und Fortbildung flexibel wird, sowohl örtlich als auch zeitlich. 

Schallhart
Cornelia Schallhart ist Systemische Psychotherapeutin, Unternehmensberaterin und Arbeitspsychologin in Innsbruck und Telfs.

Gesundheit am Arbeitsplatz spielt eine essenzielle Rolle. Stichwort Burnout – was sind Warnsignale?
Cornelia Schallhart:
Warnsignale von Burnout sind etwa ein wachsender Zynismus oder das Gefühl der Distanziertheit zu Mitarbeitern oder Kunden, das Erleben von Misserfolg trotz großem Einsatz und eine emotionale Erschöpfung, die auch durch Stress bedingt wird. Gespräche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können helfen, um herauszufinden, was einem negativen Verlauf entgegensteuern kann. Vor allem die Unterstützung durch Psychotherapeuten oder Arbeitspsychologen ist bei solchen Warnsignalen hilfreich und sollte angeboten sowie angenommen werden.

Und wie sieht es beim so genannten Boreout aus? 
Cornelia Schallhart: 
Boreout ist ein Begriff, der jene Situation eines Arbeitnehmers beschreibt, in der er nichts zu tun hat. Meist ist dies strukturell bedingt, der Mitarbeiter bekommt also keine Aufgaben zugewiesen. Dies ist in mehrerlei Hinsicht kaum erträglich für den Betroffenen, weil er einerseits nicht die Möglichkeit bekommt, etwas zu leisten, Anerkennung zu bekommen oder einen Beitrag zu leisten und sich einzubringen. Außerdem ist er damit konfrontiert, die Zeit ohne Inhalt zu verbringen. Viele fühlen sich schließlich auch noch ausgeschlossen vom Team, den Kollegen oder den Vorgesetzten. Hier müssen unbedingt strukturelle Änderungen erfolgen, um den Mitarbeiter wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern um eine Sinnhaftigkeit der Tätigkeit herzustellen.

Was raten Sie Jugendlichen, wie sie ihren Traumberuf finden?
Cornelia Schallhart:
Hilfreich kann für Jugendliche sein, wenn sie sich vorstellen, wie sie später leben wollen und ob sie lieber etwas mit den Händen erschaffen möchten, ob Kreativität wichtig ist oder die Sichtbarkeit eines Ergebnisses. Will man im Team arbeiten, mit Kundenkontakt, kurze oder lange Arbeitszeiten haben, reisen? Will man eine Führungsposition haben oder lieber gemeinsam mit anderen an etwas arbeiten? Welche Rolle soll Freizeit spielen, wie wichtig ist Erfolg? Entsprechend kann jeweils geprüft werden, ob ein möglicher Beruf diese Kriterien erfüllt.

Homeoffice
Homeoffice wird bleiben, ist sich Expertin Schallhart sicher. 

Tipps fürs Homeoffice 

Homeoffice bietet viele neue Möglichkeiten: Die Arbeit kann so organisiert werden, wie es am besten passt, sowohl zeitlich als auch in Abstimmung mit den gegebenen Rahmenbedingungen. Fahrtzeiten fallen weg und Freizeitaktivitäten können vermehrt in den Tagesablauf eingebaut werden. Die Nachteile: Zum einen geht der persönliche Kontakt zwischen den Menschen verloren. Daher sind echte Kontakte im Arbeitsleben sicher weiterhin notwendig. Zum anderen kommt es beim Homeoffice vermehrt zu Vermischung von Privatem und Beruflichem.

Tipps von Cornelia Schallhart:

  • Ideal: Ein eigener Raum für das Homeoffice.
  • Ein kleines Ritual soll die Arbeit beenden, z. B.Wegräumen der Unterlagen oder das Schließen des PCs – die Arbeit soll quasi aus dem Blickfeld geräumt werden.
  • Handy abschalten oder den Stumm-Modus aktivieren.

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