Energie Steiermark: Milliardeninvestition in grüne Energie und digitale Netze
Inhalt
- Netzinfrastruktur und Digitalisierung
- Preissenkungen und Bürokratie
- Wasserstoffstrategie und Industriepartnerschaften
Martin Graf, seit 2016 Vorstand der Energie Steiermark, verantwortet Finanzen, Controlling, Treasury, Recht, Personal und Netze. Mit 30 Jahren Branchenerfahrung prägte er den Konzern zu einem internationalen Vorzeigemodell. Werner Ressi, seit 2013 Geschäftsführer der Energie Graz, folgte Christian Purrer und übernahm Erzeugung, Vertrieb, Technik, Fernwärme und IT – u. a. entwickelte er das Geothermie-Projekt für Graz.
Seit sechs Monaten leiten Sie als neues Vorstands-Team die Energie Steiermark. Welche sind die wichtigsten Säulen Ihrer neuen strategischen Ausrichtung?
Ressi: Wir agieren in der E-Wirtschaft mit drei übergeordneten Zielkomplexen: Die Versorgungssicherheit, die Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit sowie die Leistbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Preise.
Graf: Wir investieren massiv in alle drei Bereiche, um mehr Unabhängigkeit, besonders auf der Erzeugungsseite, zu schaffen. Das Investitionsvolumen beträgt in den nächsten Jahren über 5,5 Milliarden Euro. Wir wollen die Netze modernisieren und gleichzeitig die erneuerbare Erzeugung massiv ausbauen. Das tun wir aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, um den Standort Steiermark zu sichern.
Netzinfrastruktur und Digitalisierung
Herr Ressi, Sie errichten drei große Windparks mit 260 Megawatt Leistung. Wie fügt sich das in die Elektrifizierung des Landes, speziell die E-Mobilität, ein?
Ressi: Die von diesen Windparks erzeugte Energie – 500 bis 600 Gigawattstunden – könnte rechnerisch jedes dritte E-Auto in der Steiermark mit Strom versorgen. Das entlarvt den Mythos des fehlenden Stroms. Ein E-Auto benötigt auf 100 Kilometern nur ein Viertel der Energie eines Benziners. Im Vergleich zu unseren jährlich zwölf Terawattstunden ist der Mehrbedarf also beherrschbar.
Herr Graf, die Netzinfrastruktur ist essenziell. Wie bereiten Sie die historisch auf Großkraftwerke ausgerichteten Netze auf die dezentrale Einspeisung von Tausenden PV-Anlagen vor?
Graf: Die Netze waren früher unidirektional – vom Kraftwerk zum Kunden. Jetzt müssen wir sie für eine bidirektionale, dezentrale Einspeisung umrüsten. Wir investieren über die nächsten zehn Jahre in die Netze, um die steigende Zahl an Erzeugern aufzunehmen. Ein Fokus liegt auf der Digitalisierung, um die Netzführung intelligent zu machen und die Stabilität zu gewährleisten.
Zur effektiven Nutzung: Mittags gibt es oft eine PV-Überproduktion. Wie wollen Sie dieses Ungleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch lösen?
Graf: Hier benötigen wir dringend Load Shifting – die Verschiebung des Verbrauchs dorthin, wo der Strom gerade erzeugt wird. Das ist ein gemeinsames Ziel aller, vom Endkunden bis zur Industrie.
Ressi: Die künstliche Intelligenz ist der entscheidende Hebel. Wenn ich Erzeugung und Verbrauch exakt prognostiziere, kann ich vermeiden, kurzfristig teuren Strom als Ausgleichsenergie zukaufen zu müssen. Eine falsche Prognose kann zu enormen Kosten führen. Mit KI können wir die Vorhersagequalität der Wetterdaten und deren Auswirkung auf Wind und PV massiv verbessern.
Ein E-Auto benötigt auf 100 Kilometern nur ein Viertel der Energie eines Benziners.
Preissenkungen und Bürokratie
Ein drittes wichtiges Ziel, Herr Ressi, war die Leistbarkeit. Die angekündigte Strompreissenkung von 25 Prozent erforderte die aktive Zustimmung der Kunden. Warum dieser komplizierte Weg?
Ressi: Das war ein rechtlich notwendiger Schritt, um uns vor Klagen zu schützen. Österreichweit gibt es über 100 Prozesse gegen Versorger. Nach zwei Wellen haben wir eine Zustimmungsquote von 55 Prozent erreicht. Wer nicht zugestimmt hat, erhält eine 10-prozentige Senkung. Für die Zukunft wünschen wir uns eine klare gesetzliche Regelung im neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz.
Herr Graf, Genehmigungsverfahren bremsen den Ausbau erneuerbarer Energien oft aus. Wie gehen Sie damit um?
Graf: Wir gehen bei Projekten wie den kürzlich genehmigten 60 Megawatt Photovoltaik teilweise ein gewisses unternehmerisches Risiko ein. Aber ohne eine klare Beschleunigung der Fristen – wie sie das Erneuerbare-Ausbaubeschleunigungsgesetz vorsieht – wird der politisch geforderte Ausbau nicht zeitgerecht zu schaffen sein.
Wir wollen die Netze modernisieren und gleichzeitig die erneuerbare Erzeugung massiv ausbauen.
Wasserstoffstrategie und Industriepartnerschaften
Abschließend zum Masterplan Grüne Energie 2040. Er sieht einen massiven Ausbau von Wasserstoff vor. Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen dabei?
Ressi: Der Aufbau einer wasserstofffähigen Netzinfrastruktur ist eine europäische Aufgabe. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und eine eigene Wasserstoffgesellschaft gegründet.
Graf: Das ist essenziell, denn die steirische Industrie wird mittelfristig massiv auf grünen Wasserstoff angewiesen sein, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Wir schaffen damit einen direkten Ansprechpartner für unsere Industriekunden.