Direkt zum Inhalt
Stille Nacht-Kapelle in Oberndorf | Credit: SalzburgerLand Tourismus/Eva-Maria Repolusk/eva trifft.
SalzburgerLand Tourismus/Eva-Maria Repolusk/eva trifft.

Stille Nacht: Aus Oberndorf in die Welt

23.12.2020 um 10:00, Gert Damberger
min read
Am 24. Dezember 1818 erklang das berühmteste Weihnachtslied der Welt „Stille Nacht“ in der St. Nikolaus-Kirche. Mit „Guitarre-Begleitung“, weil die Orgel kaputt war.

Es war am 24. Dezember des Jahres 1818, als der damalige Hilfspriester Herr Josef Mohr bei der neu errichteten Pfarre St. Nicola in Oberndorf dem Organistendienst vertretenden Franz Gruber ein Gedicht überreichte, mit dem Ansuchen eine hierauf passende Melodie für zwei Solostimmen samt Chor und für eine Guitarre-Begleitung schreiben zu wollen.“ Der das schrieb, war Franz Gruber selbst, in einer später verfassten Niederschrift, die auf die näheren Umstände der Uraufführung des berühmtesten Weihnachtsliedes der Welt einging (die so genannte „Authentische Veranlassung“). Die Orgel funktionierte anscheinend nicht – deshalb der Wunsch Mohrs nach einer Gitarrenbegleitung. Kirchenmusiker Gruber setzte sich also hin und schrieb. Bei der Mitternachtsmesse erklang das Lied zum ersten Mal. Mohr sang die Tenorstimme und zupfte die Gitarre, Gruber übernahm die Bass-Stimme.

Getextet 1816

Das Lied habe „allgemeinen Beifall“ bei den Messbesuchern gefunden, hieß es. Der Text war schon zwei Jahre früher entstanden, nämlich in Mariapfarr im Lungau, wo Josef Mohr zu dieser Zeit Hilfspfarrer (Coadjutor) war. Dass er die Zeilen dort geschrieben hatte, weiß man erst seit 1995, als ein Stille-Nacht-Autograph von Mohrs Hand auftauchte, das mit „1816“ datiert ist. Im darauffolgenden Jahr 1817 wechselte Mohr dann auf eine Stelle nach Oberndorf an der Salzach, wo er Bekanntschaft mit Franz Gruber machte. Dieser war Lehrer in Arnsdorf und half als Organist in der Pfarre Oberndorf aus.

Autograph Stille Nacht | Credit: SalzburgerLand Tourismus/Salzburg/Kathrin Gollackner
Das Autograph Stille Nacht von Joseph Mohr wird auf die Zeit um 1823 datiert.

Geteilt und klein

Diese Pfarrgemeinde bestand eigentlich nur aus einigen wenigen Häusern und einer spätbarocken Kirche. Oberndorf, zuvor Vorort von Laufen, war durch den Vertrag von München 1816 plötzlich tiefste österreichische Provinz geworden, während die Stadt Laufen selbst zum Königreich Bayern gehörte. Jetzt, da die Staatsgrenze mitten durch den Ort verlief, ging man ungewissen Zeiten entgegen. Für den Salzverkehr selbst – das heißt für die Erhaltung der Trasse – war ab nun Österreich zuständig. Die wirtschaftliche Lage der von der Salzachschifferei lebenden Familien war nach den napoleonischen Kriegen generell schwierig, hüben wie drüben. Dazu kam noch, dass während des Winters der Verkehr auf dem Fluss komplett ruhte und die Fuhrleute keinerlei Einkommen hatten.

Ein Lied des Trostes

Es war also eine triste Situation, mit der der Coadjutor konfrontiert war. Was Krieg, Not und Besatzungszeit bedeutete, hatte sich dem 1792 in Salzburg geborenen Mohr – er war der uneheliche Sohn eines Soldaten – sowieso auch selbst tief eingegraben. Um den Schiffern von Oberndorf ein wenig Trost und Ablenkung zu spenden, erinnerte sich Mohr an das Gedicht, das er in Mariapfarr geschrieben hatte.

Kuriose Beschwerde

Er blieb nicht lange in der Gemeinde. Ab September 1819 war er schon wieder weg, denn häufige Ortswechsel und Versetzungen waren damals nicht ungewöhnlich für einen Hilfspriester. Dem Stille- Nacht-Schöpfer dürfte der Abschied nicht besonders schwer gefallen sein, denn leicht hatte er es unter seinem Vorgesetzten, den Pfarrprovisor Joseph Nöstler nicht gehabt. Dieser hatte sich sogar im Herbst 1818 beim Konsistorium in Salzburg offiziell über seinen Assistenten beschwert. Mohr fehle der „nöthige Subordinations Geist“, lautete Nöstlers Vorwurf. Außerdem neige er zum „Scherzen, auch mit Personen anderen Geschlechts“ und zum Singen „oft nicht erbaulicher Lieder“.

Briefmarke Franz X. Gruber | Credit: Stille Nacht Gesellschaft
Franz X. Gruber brachte es später zu einigem Wohlstand, so konnte er sich auch porträtieren lassen. Hier befindet sich sein Konterfei auf einer Briefmarke.

more