Reiterer rechnet mit ORF ab: „Bin ein Stehaufweibchen”
Inhalt
- Ohne Grund aufs Abstellgleis
- Bauch gegen Kopf
- Abschied und Ayurveda
- Ein Knochenjob ohne Pause
- „Nicht ansehnlich genug“
- Macht und Mut
Nach 27 Jahren beim ORF ist für Claudia Reiterer Schluss. Doch freiwillig war der Abschied nur auf dem Papier. Die langjährige Journalistin und Moderatorin der Polit-Talkshow „Im Zentrum“ wurde nach eigenen Angaben mehr oder weniger zum Gehen gedrängt. Ihr sei mitgeteilt worden, sie müsse vom Bildschirm und aus der politischen Berichterstattung verschwinden. Während sie das eine noch geschluckt hätte, war das andere für sie zu viel. „Es war das dritte Mal, dass ich aus der politischen Berichterstattung hätte wegmüssen, die war immer der Sinn meines journalistischen Daseins“, sagt sie im Gespräch mit der Presse.
Ohne Grund aufs Abstellgleis
Warum sie beim ORF plötzlich nicht mehr erwünscht war, weiß Reiterer bis heute nicht. Eine schriftliche Nachfrage bei der Chefetage blieb unbeantwortet. „Mir wurde gesagt, man müsse mir keinen Grund nennen“, erklärt sie. War es das Alter? Die Optik? Ihre Leistung? Oder politische Motive? Reiterer bleibt nur die Spekulation. Doch der Schmerz über das abrupte Ende sitzt tief.
Bauch gegen Kopf
Die Entscheidung, zu gehen, sei alles andere als leicht gefallen. Der Kopf wollte bleiben, die Sicherheit, die Routine. Doch das Bauchgefühl sagte: gehen. Am Ende gab eine Erinnerung aus ihrer Jugend den Ausschlag. Mit 24 hatte sie bereits einmal den Sprung ins Ungewisse gewagt, als sie den Job als Krankenschwester aufgab, um Journalistin zu werden. „Ich habe mich daran erinnert, wie ich damals nichts hatte, keine Ahnung, ob das was wird, aber Mut“, erzählt sie. Und wieder wagte sie den Schritt ins Unbekannte.
Abschied und Ayurveda
Am 24. April war endgültig Schluss mit dem Küniglberg. Handy, Laptop, Schlüsselkarte – alles abgegeben. Drei Tage später erfüllte sich Reiterer einen Traum: eine Auszeit in Sri Lanka inklusive Ayurveda-Kur. „Zehn Tage war ich schwer gekränkt, aber das Schreiben hat mir geholfen. Ich habe eine Befreiung gespürt, von der Seele weg“, sagt sie.
Ein Knochenjob ohne Pause
Was viele nie gesehen haben: Die Arbeit hinter „Im Zentrum“ war knallhart. Während in Deutschland große Teams an politischen Diskussionssendungen arbeiten, hatte Reiterer am Ende gerade mal drei Teilzeitkräfte zur Seite. Wöchentlich hagelte es Absagen, bis zu 32. An manchen Tagen telefonierte sie 50-mal, organisierte, kämpfte, recherchierte. „Ich hatte in den Sendewochen nie einen freien Tag. Acht Jahre lang“, berichtet sie. Eine Dauerbelastung, die Spuren hinterließ.
„Nicht ansehnlich genug“
Doch Reiterer hat schon früher Gegenwind erlebt. Nach der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2004 wurde sie plötzlich aus der Sendung genommen. Die Begründung lautete, sie habe zu viel zugenommen und sei für das Publikum nicht mehr ansehnlich genug. „Mir wurde ausgerichtet, dass ich nicht mehr gut genug aussehe. Und ich wurde abgesetzt“, sagt sie. Doch sie wehrte sich. Mit Erfolg. „Ich bin ein Stehaufweibchen“, sagt sie selbstbewusst.
Macht und Mut
Heute spricht Claudia Reiterer offen über Macht, Mut und darüber, Dinge frühzeitig anzusprechen, bevor es kracht. „Frauen hören nicht so gern das Wort Macht, aber ohne Macht kann man nichts machen“, betont sie. Ob sie selbst in die Politik geht, lässt sie offen. „Ich habe in meinem Leben gelernt, dass man nichts komplett ausschließen sollte. Vor einem Jahr hätte ich nicht für möglich gehalten, dass ich heute nicht mehr im ORF arbeite. Ich halte mir die Zukunft offen“, sagt sie.