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Liedermacher Konstantin Wecker -- Liedermacher Konstantin Wecker zu Gast in der WDR Talkshow Kölner Treff
Konstatin Wecker leidet an einer Nervenkrankheit.
Konstatin Wecker leidet an einer Nervenkrankheit.
Galuschka,Horst / Action Press / picturedesk.com

Konstantin Wecker: So geht es dem Sänger heute

18.10.2025 um 10:37, Marcel Toifl
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Konstantin Wecker hat seine Musik verloren. Der Liedermacher spricht offen über Krankheit, Sucht und Dankbarkeit gegenüber seinem Vater

Konstantin Wecker ist ein Mann der Extreme. Der Musiker, Dichter und Aktivist lebt seit Jahrzehnten zwischen Wut, Mitgefühl und Poesie. Heute, mit 78, blickt er auf ein Leben voller Brüche – und auf eine Krankheit, die ihm die Hände lähmt.

Frühe Jahre und Haltung

Wecker wächst in München auf. Sein Vater, ein Tenor, Antifaschist und Freigeist, prägt ihn früh. Im Gespräch mit dem SRF sagt er: „Ich hatte einen antiautoritären Vater in einer Zeit, als meine Kollegen zu Hause verprügelt wurden.“ Fast alle Lehrer an seiner Schule seien ehemalige Nazis gewesen. Diese Spannung zwischen Härte und Freiheit habe ihn für das Leben geformt.

Mit zwölf beginnt er zu dichten. „Gott sei Dank waren meine Lieder immer klüger als ich“, erzählt er. Die Poesie sei für ihn ein Zugang zu tieferen Wahrheiten, die dem Verstand verschlossen bleiben. Schon früh schreibt er gegen Macht und Ungerechtigkeit, ohne zu begreifen, dass er selbst Teil dieser Strukturen ist. „Als junger, eitler Macho waren meine Lieder bereits beseelt von feministischer Machtkritik. Doch erst nach Jahrzehnten wurde aus dem blöden Macho wirklich ein bekennender Feminist.“

Der Vater bleibt die wichtigste Bezugsperson. Gemeinsam singen sie italienische Liebesduette, bis seine Stimme bricht. „Bis zu meinem Stimmbruch sangen wir die schönsten Liebesduette der italienischen Romantik“, erinnert sich Wecker im SRF-Interview lächelnd. Heute, so sagt er, vermisse er den Vater mehr als früher – weil er erst im Alter erkenne, was für ein Glück das war.

Exzesse, Suche, Erkenntnis

Wecker sucht Zeit seines Lebens das Wunderbare. Er glaubt an die Einheit der Menschen, an Mitgefühl als höchste Form des Denkens. „Wahrscheinlich ist das Wunderbare, wie wir tief in uns erkennen, dass wir alle eins sind. Es gibt keinen Rassismus, keine Unterschiede – nur Mitgefühl“, sagt er im Gespräch mit Urs Gredig. Dass man ihn dafür naiv nennt, stört ihn nicht. „Ich bin Dichter, ich darf naiv sein.“

Seine Utopie ist politisch. „Meine endgültige Hoffnung ist eine herrschaftsfreie, liebevolle Gesellschaft“, erklärt er. Pazifismus bleibt für ihn Grundsatz. Auch im Krieg dürfe Gewalt keine Antwort sein. „Wir sollten die unterstützen, die den Mut haben, zu desertieren und Widerstand gewaltfrei zu leisten.“

Doch der Idealist kennt Abgründe. Er hat jahrelang Alkohol und Kokain konsumiert. „Ich wollte mein Leid mit allen möglichen Drogen und Vergnügungen wegzaubern – aber das klappt nicht“, sagt er offen im SRF-Interview. Der Schmerz sei geblieben, habe sich nur verwandelt in Erkenntnis. Schwermut nennt er eine notwendige Bedingung, um sich selbst zu begreifen. „Wir brauchen Schwermut, um uns kennenzulernen.“

Krankheit und Abschied vom Klavier

Heute zwingt ihn die Krankheit zur Stille. Nerven in seinen Händen sind geschädigt, besonders die linke Hand versagt. In der „Süddeutschen Zeitung“ erzählt Wecker: „Gerade die linke Hand hatte immer wieder Ausfälle. Ich nahm es anfangs nicht ernst, dachte mir, vielleicht hast du einfach einen schlechten Tag, das vergeht schon wieder. Aber es verging nicht.“ Es gebe keine Aussicht auf Heilung. „Ein schleichender Prozess, bei dem es von Woche zu Woche schlimmer wurde.“

Er kann nur noch einfache Melodien spielen. „Wie ein kleines Kind. Wie ein Anfänger. Mehr ist nicht mehr drin. Und vermutlich wird das auch nicht mehr. Es gibt keine Aussicht auf Heilung.“ Besonders der Verlust seines Liedes „Willy“ trifft ihn. „Da könnte ich niemand sonst ans Klavier lassen. Den muss ich einfach selbst spielen. Aber ich kann es nicht mehr. Der Willy ist nun Geschichte.“

Das Klavier war für ihn immer Zuflucht. „Am Klavier zu sitzen, das war für mich pure Meditation. Ich habe dabei nie geübt, ich habe einfach gespielt, mich gänzlich verloren in der Musik“, sagt er im Gespräch mit dem SRF. Drei Stunden lang konnte er sich darin verlieren. Jetzt bleibe ihm nur die Erinnerung – und die Dankbarkeit. „Je mehr ich zurückblicke, um so dankbarer werde ich. Heute weiß ich: All meine Melodien und Texte habe nicht ich geschrieben – sie wurden mir geschenkt.“

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