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Innenminister Karner ist kein besonderer Freund des Wortes "Krise"
Innenminister Karner ist kein besonderer Freund des Wortes "Krise"
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Gerhard Karner: Über Coronaleugner und Putin-Versteher

25.10.2022 um 14:22, Stefanie Hermann & Robert Eichenauer
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Innenminister Gerhard Karner spricht im Weekend Magazin Interview über akute Bedrohungen, in den Wind geschlagene Warnungen und erklärt, wie er das Migrationsproblem langfristig lösen würde.

Die Gesamtsituation ist von multiplen Krisen gekennzeichnet: Corona, Ukrainekrieg, Teuerung. Wie bewerten Sie die Lage?
Gerhard Karner: Ich bin kein besonderer Freund vom Wort „Krise“ und schon gar nicht von „multiplen Krisen“. Ja, wir haben einige Problemfelder, bei denen die Verantwortungsträger anpacken müssen. Und das tun wir ruhig, sachlich und konsequent.

Das klingt so, als sei das alles „Business as usual“ …
Gerhard Karner: Nein, gar nicht. Diesen Eindruck will ich in keiner Weise vermitteln. Wir reden hier von großen Herausforderungen. Es ist aber auch die Aufgabe von Politikern, den Blick nach vorne zu richten und Perspektiven aufzuzeigen. Das ist der Job der Bundesregierung und den machen wir sehr intensiv.

Ist die angesprochene Situation eine Brutstätte für radikale Entwicklungen?
Gerhard Karner: Manche Me­dien – und da spiele ich auf die sozialen Medien an – entwickeln sich in Teilbereichen zu solchen Brutstätten. Dort geht es sehr schnell und auch einfach, dass sich Menschen radikalisieren. Das hat mit den ­Corona-Demonstrationen begonnen, wo sich Rechts- und Linksradikale verbündet haben. Sehr viele sind dann vom Coronaleugner-Lager ins Putin-Versteher-Lager gewechselt. Der Staatsschutz beobachtet hier sehr genau.

Beim Extremismus gibt es keine akute, sondern eine latente Bedrohung - Gerhard Karner

Von wo geht im Moment die größte Gefahr aus?
Gerhard Karner: Die größte Steigerung, nämlich von 30 Prozent, gibt es im Bereich der Cyberkriminalität. Im Bereich des „Extremismus“ gibt es keine akute, sondern eine latente Bedrohung, wo wir wachsam sein müssen.

Welchen Stellenwert nimmt auf dieser Skala die aktuelle Migrationsbewegung ein?
Gerhard Karner: Der Kampf gegen die Schleppermafia und gegen die illegale Migration ist aktuell das größte Problem. Bereits im Frühjahr habe ich davor gewarnt, dass die Schlepper immer dreister und brutaler werden. Es wurde eine „Aktion scharf“ in Auftrag gegeben. Wir müssen das Asylsystem vor jenen schützen, die dieses System missbrauchen. Und obwohl das System an der Grenze der Belastbarkeit ist und die Bevölkerung in manchen Regionen verunsichert ist, gibt es noch immer welche, die meinen, ich würde dramatisieren. Die SPÖ-Chefin sagt sogar, dass es überhaupt kein Problem gäbe. Ich war auch auf europäischer Ebene einer der Ersten, der darauf hingewiesen hat, dass wir Maßnahmen setzen müssen. Jetzt sehen das mittlerweile alle so.

Hätten Sie als Innenminister gegen diese Entwicklung etwas tun können?
Gerhard Karner: Nicht nur „hätten“, wir haben etwas getan. Wir haben die Grenzkontrollen deutlich verschärft mit 1.000 Soldatinnen und Soldaten sowie knapp 1.000 Polizistinnen und Polizisten. Ja, die Zahlen sind dramatisch, und genau deswegen mussten wir etwas tun. Gleichzeitig werden wir weiterhin versuchen, der Schleppermafia das Handwerk zu legen. Mittlerweile wird bei der Mafia mit Menschenhandel mehr verdient als mit Drogenhandel.

Sie sagen, Sie haben seit Anfang dieses Jahres vor dieser Migrationswelle gewarnt. Und dennoch müssen jetzt Zelte zur Unterbringung errichtet werden?
Gerhard Karner: Lassen wir die Kirche im Dorf. Ja, wir haben Zelte aufgestellt, weil wir mittlerweile 90.000 Menschen in der Grundversorgung haben. In diesen Zelten werden im Übrigen keine Familien, sondern nur Männer untergebracht sein. Das sind in erster Linie junge Männer aus In­dien, Tunesien oder Marokko mit einer geringen Bleibewahrscheinlichkeit. Diese Männer haben auf ihrer Wirtschaftsflucht mehrmals in Zelten oder im Freien geschlafen.

Ich habe meine Diplomarbeit gewissenhaft geschrieben. Einer Prüfung sehe ich gelassen entgegen - Gerhard Karner

Warum kommen ­diese Menschen, wenn Sie ­ohnehin keine Chance haben zu bleiben?
Gerhard Karner: Die Schleppermafia macht brutale Werbung und verspricht diesen Menschen das Paradies in Europa. Und beispielsweise haben Inder die Möglichkeit, visafrei über Istanbul nach Serbien einzureisen.

Die EU hat offensichtlich nicht auf Ihre Warnungen reagiert. Nehmen wir an, Sie könnten ohne EU und in einer Alleinregierung entscheiden. Was würden Sie tun?
Gerhard Karner: Ein zentrales Anliegen von mir ist, so wie es auch England und Dänemark planen, ein Verfahren in sicheren Drittstaaten abzuwickeln. Das Ziel muss doch sein, dass sich Menschen erst gar nicht auf den lebensgefährlichen Weg etwa über das Mittelmeer machen. Tausende sind dabei schon ertrunken. Das müssen wir verhindern.

Wer will das nicht in der EU?
Gerhard Karner: Die Diskussion stockt seit Jahren. Nach 2016 ist die Brisanz der Migration innerhalb der EU wieder abgeflaut. Erst seit einigen Wochen habe ich den Eindruck, dass auch die Innenkommissarin Ylva Johansson die Meinung vertritt, dass sich etwas ändern muss.

Plagiatsjäger Stefan Weber erhebt schwere Vorwürfe gegen Sie. Ist da was dran?
Gerhard Karner: Am Beginn war mein Studium holprig. Da habe ich das Studentenleben sehr genossen. Am Ende habe ich meine Diplomarbeit gewissenhaft und mit Engagement geschrieben, also nach bestem Wissen und Gewissen. Einer etwaigen Prüfung sehe ich daher sehr gelassen entgegen.

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