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Jacqueline Mayerhofer | Credit: Jacqueline Mayerhofer
Ein Herz, das für Geschichten schlägt
Ein Herz, das für Geschichten schlägt
Jacqueline Mayerhofer

„Zwischen Welten, Wesen & Wundern“ – im Gespräch mit Jacqueline Mayerhofer

26.11.2025 um 07:28, Jacqueline Klein
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Fantastische Welten, starke Figuren und eine Muse in Fuchsform: Autorin Jacqueline Mayerhofer erzählt, wie Magie, Androiden und Emotionen ihre Bücher prägen.

Jacqueline Mayerhofer erschafft Welten, in denen Androiden fühlen, Magie rebelliert und Figuren ein Eigenleben entwickeln. Im Interview spricht die talentierte Autorin über die Seele, die in jedem ihrer Bücher steckt, ihre unerschöpfliche Faszination für künstliche Intelligenzen und fabelhafte Kreaturen, die sie begleiten. Sie verrät, warum manche Charaktere sich weigern zu sterben, wie ein Beutelwolf zu ihrem persönlichen Markenzeichen wurde, und weshalb Chaos für ihre Kreativität manchmal wichtiger ist als Struktur. Ein Gespräch voller Leidenschaft für Geschichten, Weltenbau und die Kunst, Figuren Leben einzuhauchen.

1. Wenn du in einer deiner Welten gefangen wärst – in welcher würdest du am ehesten überleben, und in welcher auf keinen Fall?

Jacqueline Mayerhofer: Das kommt darauf an. In meinem Mystery-Thriller „Mondschatten“ könnte ich wohl problemlos überleben, da der Roman in Schottland spielt. Ich müsste mich nur von gewissen Charakteren – wie Clyde zum Beispiel – fernhalten. Womöglich könnte ich mich auch in der Welt meines Science-Fiction-Sammelbandes „Hunting Hope – Zwischen den Sternen“ zurechtfinden, wenn ich lerne, wie man sich in das jeweilige Gesellschaftssystem eines Planeten anpasst und welche Routen der Raumschiffsverkehr anbietet. Definitiv würde ich allerdings in der Welt von „Our mechanical Hearts“ überleben, da meine Cyberpunk-Novelle nur einige Jahre in der Zukunft spielt. Ich wäre sogar glücklich, gäbe es heute schon – wie in meiner Geschichte – Androiden auf diesem Niveau. 

Wo ich vermutlich auf keinen Fall lange überleben würde, wäre meine Fantasy-Welt aus „Dimensionslichter – Zeitalter der Rebellion 1“. Mit all den fabelhaften Kreaturen, der Magie und einem psychopathischen Magier, der sämtliche Empathie verlernt hat, verscherzt man es sich besser nicht. Schon gar nicht, wenn man mit der Protagonistin Suna Anima unterwegs ist, die durchgehend von einem Schlamassel in den nächsten schlittert.

Dimensionslichter | Credit: Jacqueline Mayerhofer

2. Glaubst du, dass jede Fantasy-Autorin ein kleines Stück ihrer Seele in ihre Bücher legt – und wenn ja, welches ist deins? 

Jacqueline Mayerhofer: Nicht nur Fantasy-Autor:innen – jeder Mensch, der schreibt. Mein Stückchen Seele ist wohl eher eine Form von Liebe, da es in jedem meiner Werke Charaktere gibt, die mir besonders am Herzen liegen und dadurch etwas in sich tragen, das für mich einen persönlichen Wert hat. Um einige von ihnen zu nennen: Feynel aus „Hunting Hope“, Leo aus „Mondschatten“, Aark Dan aus meiner Space Opera „Brüder der Finsternis“, Anbel Philips aus „PERRY RHODAN Androiden 4: Willkommen in Menschenstadt“, Edloc aus „Dimensionslichter“ oder Galen Drex aus „PERRY RHODAN NEO 358: Schwarzmarkt Terra“ – sie alle sind solche Figuren. Müsste ich mich für einen Charakter entscheiden, wäre es Leo oder Feynel. In Letzterem steckt definitiv am meisten von mir. 

Ein weiteres Stückchen Seele sind bei mir gewisse Themen. Beispielsweise, wenn es zum Setting passt, der Wunsch nach Androiden mit künstlicher Intelligenz, die zu Freund:innen und Begleiter:innen werden können – zu künstlichem Leben. Damit verbunden ist immer die Hoffnung, dass Menschen es zu akzeptieren lernen und ethisch korrekt behandeln.

Hunting Hope | Credit: Jacqueline Mayerhofer

3. Hast du je geträumt, dass eine deiner Figuren zu dir spricht – und wenn ja, was hat sie gesagt? 

Jacqueline Mayerhofer: Tatsächlich habe ich schon ein paarmal von manchen meiner Figuren geträumt. Es waren meist Szenen, die jenen aus den Romanen ähnelten. Am meisten kam bisher Leo aus „Mondschatten“ in meinen Träumen zu Besuch. Was er oder andere Charaktere sagten, weiß ich leider nicht mehr. 

Da ist ein Figuren-Interview sinnvoller, weil dabei Dinge rauskommen, an die man selbst nie gedacht hätte. Klingt vielleicht seltsam – ist es irgendwie auch –, doch die Charaktere übernehmen in solchen Interviews und beantworten die Fragen gleich mit dem ersten Impuls. Durch diese Praktik habe ich sogar mal eine Schreibblockade, die über mehrere Monate ging, bei einem Dark-Fantasy-Roman gelöst, der erst erscheint. Weil ich meinen Barden etwas tun lassen wollte, das er nicht kann.

Mondschatten | Credit: Jacqueline Mayerhofer

4. Wenn deine Muse ein Fabelwesen wäre – welches wäre sie, und wie leicht lässt sie sich bändigen? 

Jacqueline Mayerhofer: Womöglich würde diese mit meinem Spirit Animal zusammenhängen und wäre daher ein silbern-blau schimmernder Magiefuchs, der teils manifestierte, teils astrale Gestalt hat und mit dem Mond(licht) in Verbindung steht. Als Muse wäre er mein Begleiter und würde sich wohl nur dann bändigen lassen, wenn er es will. Oder wenn ich – wie bei Suki, meiner Shiba-Hündin – die sogenannte „Batman“-Stimme einsetze, da lieb sprechen meist nur funktioniert, wenn man ein Leckerli in der Hand hält (lacht).

5. Gibt es reale Orte, die du heimlich als Vorlage für deine fantastischen Welten benutzt, ohne dass jemand es weiß? 

Jacqueline Mayerhofer: Heimlich eigentlich nicht. Wenn kommuniziere ich alles sehr offen. Wie etwa die Handlungsorte, Länder oder Straßen, wenn solche explizit in meinen Werken genannt werden. Wenn ich allerdings an meine Inspirationen denke – was Orte als auch Figuren betrifft –, sind diese Vorlagen in den meisten Fällen nicht real, sondern fiktiv.

Our Mechanical Hearts | Credit: Jacqueline Mayerhofer

6. Wenn du eine deiner Figuren bitten müsstest, dich zu retten – wem würdest du vertrauen und warum? 

Jacqueline Mayerhofer: Diese Frage ist tatsächlich gar nicht so einfach zu beantworten. Ich habe da nach einiger Überlegung etwa sechs Figuren vor Augen – drei davon sind Androiden (Xerrx Hamli aus „Hunting Hope“, Leyxor aus „Brüder der Finsternis“ und EnVau aus „Our mechanical Hearts“), drei davon Menschen; oder jedenfalls menschenähnlich. Nämlich Sunas Begleiter Dominic aus „Dimensionslichter“, Feynels Vater Frin Wilari aus „Hunting Hope“ und mein Kopfgeldjäger Aark Dan aus „Brüder der Finsternis“. 

Wenn es jedoch darum geht, mich wirklich zu retten, würde ich definitiv Aarks Hand ergreifen, da er gerechtigkeitsliebend, empathisch und mutig ist. Vertrauen würde ich ihm, weil er das Herz am rechten Fleck trägt, seine Menschlichkeit nach allem nicht verloren hat und ich an seine Fähigkeiten als guter Pilot glaube. Aark ist erdend, erfahren und vom Leben geprägt, trotzdem hat er nie seinen Charme und seine Verspieltheit verloren – wenn es darauf ankommt, ist er auch weise.

Brüder der Finsternis | Credit: Jacqueline Mayerhofer

7. Gibt es eine Figur, die du ursprünglich sterben lassen wolltest, die aber „sich geweigert hat“ zu gehen? 

Jacqueline Mayerhofer: Das beste Beispiel hierfür ist meine Kopfgeldjägerin Skitra Ed’Lupa aus „Brüder der Finsternis“. Sie hat sich nicht nur geweigert, am Ende zu sterben, sondern auch prinzipiell gegen alles gewehrt, das ich für sie geplant habe. Und wenn es nur darum ging, dass sie sich in eine Richtung dreht, sie sich jedoch genau deshalb für die entgegengesetzte entschied. 

Ich habe sie als Charakter trotzdem gern, obwohl sie sperrig zu schreiben ist, da sie – so seltsam das klingt – ein starkes Eigenleben und einen absoluten Dickschädel hat (lacht). Was wohl einige der Gründe dafür sein werden, wieso sie so viele Fans unter meinen Lesenden hat. Zusammen mit Aark Dan bekommt sie in den nächsten Jahren sogar noch einen Roman als Hauptperson, der nach den Ereignissen von „Brüder der Finsternis“ spielt.

Der Umbrische Gong | Credit: Jacqueline Mayerhofer

8. Gibt es einen Gegenstand in einem deiner Bücher, der in Wirklichkeit eine persönliche Bedeutung für dich trägt? 

Jacqueline Mayerhofer: Einen expliziten Gegenstand nicht, eher Themen. Emily aus „Mondschatten“ ist zum Beispiel Kellnerin, weil ich als Teenagerin selbst kellnern wollte. Ihr Verlobungsring besteht aus Mondgestein, mein damaliger aus Meteoritengestein. Für die Handlung sind das zwar keine tragenden, für mich persönlich aber nette Kleinigkeiten, die ich eingebaut hatte. 

Abgesehen davon, dass Androiden/KI durchgehend wichtige Rollen bei mir spielen und ich anhand dieser Thematik bereits als Autorin erkannt werde, ist eines meiner größten Markenzeichen wohl der Tasmanische Tiger – auch Beutelwolf genannt. Ich baue ihn meist unauffällig und nebenbei mit kleinen Diskursen in meine Geschichten ein. Sowohl Suna aus „Dimensionslichter“ als auch Emily interessieren sich für das ausgerottete Tier. Emily bekam sogar etwas Biografisches von mir mit auf den Weg – nämlich den Aspekt, wie sie auf den Beutelwolf stieß. In einem meiner älteren Romane („Fantuell“, den ich gerne neu und überarbeitet veröffentlichen möchte) gibt es sogar einen Beutelwolf als Gefährten – Thylacus. Was sich vom lateinischen Namen des Tasmanischen Tigers – Thylacinus cynocephalus – ableitet. Ich möchte einfach nicht, dass der Beutelwolf in Vergessenheit gerät, da er ausgerottet wurde. Diesbezüglich habe ich sogar eine Kurzgeschichte geschrieben, in der jemand auf einen Beuteltiger stößt, es aber für sich behält, um ihn zu schützen (In: „Verborgene Wesen II – Kryptozoologische Anthologie“). 

Was definitiv auffälliger ist, ist die Pfote, die ich seit Beginn meiner Autorinnenkarriere neben jede meiner Signaturen zeichne. Ich selbst habe diese Tatze sogar tätowiert und – Überraschung – die Vorlage dafür war der Pfotenabdruck eines Beutelwolfs. Suna hat ebenfalls einen Ring mit einem Edelstein in der Fassung, der die Form einer Pfote hat. Emily trägt ein Kettenarmband mit Hunde- und einem Pfotenanhänger. Hunde, Füchse oder Wölfe kommen allgemein sehr oft und in jeglicher Form in meinen Geschichten vor – fast in allen, um genau zu sein. 

Mein Kopfgeldjäger Aark Dan bekam jedoch ein anderes Markenzeichen, das für mich eine große, persönliche Bedeutung hat: Er trägt ein dreiläufiges Blastersymbol am Helm, da sowohl sein Blaster als auch Gewehr dreiläufig sind. Was eine Anspielung auf meine Lieblingsvideospielfigur seit 2007 ist: Vincent Valentine aus „Final Fantasy VII“. Dieser hat nämlich eine dreiläufige Waffe namens Cerberus. Womit sich ja wieder das Hundethema schließt! Selbst Perry Rhodan habe ich in „NEO 366: Der Umbrische Gong“ gegen einen zweiköpfigen Höllenhund kämpfen lassen.

Schwarzmarkt Terra | Credit: Jacqueline Mayerhofer

9. Wie viel Chaos braucht deine Fantasie und dein Schreiben, um zu funktionieren? Oder bist du total strukturiert? 

Jacqueline Mayerhofer: Manchmal bin ich strukturiert, manchmal nicht. Bei „PERRY RHODAN“ bekomme ich zum Beispiel ein Exposé, an das ich mich halten soll, mache mir aber selbst vorwiegend Gedanken zur Geschichte. Auch dazu, wie ich die Handlungsstränge und Ereignisse, die vorkommen müssen, am passendsten einfüge. Die Arbeit für die größte Science-Fiction-Serie der Welt verlangt also mehr Struktur, als ich es sonst mit meinen Werken handhabe. 

Meist habe ich nämlich gewisse Geschehnisse/Ideen im Kopf, zu denen es früher oder später führen sollte. Natürlich mache ich mir auch sonst viele Gedanken zur Handlung und den Figuren, bevor ich losschreibe. Die besten Ideen kommen jedoch immer dann, wenn ich am wenigsten damit rechne – nicht selten während der abstrusesten Situationen. Wie unter der Dusche (lacht), wenn mir jemand etwas erzählt und meine Gedanken unfreiwillig in andere Sphären abdriften, oder wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe. Ich glaube, ich bin somit eher chaotisch strukturiert (lacht).

Willkommen in der Menschenstadt | Credit: Jacqueline Mayerhofer

10. Gibt es noch eine ungeschriebene Geschichte in deinem Kopf, die dich seit Jahren verfolgt, aber du dich noch nicht getraut hast, sie zu schreiben? 

Jacqueline Mayerhofer: Eigentlich nicht. Ich habe zwar noch etliche Geschichten und Romane (zum Teil sogar fertig) in der Schublade, müsste diese aber alle noch überarbeiten, damit sie veröffentlichungsbereit sind. Das liegt jedoch nicht daran, dass ich mich nicht traue, sondern vor allem daran, weil ich durch meinen Brotjob als Lektorin gebremst werde und dadurch für alles länger brauche. Oder es kommen Auftragsarbeiten als Autorin rein – da sage ich (meistens) natürlich auch nicht nein. 

Sonst schreibe ich etwas explizitere Genres unter einem geschlossenen Pseudonym, um meine Lesenden nicht zu verstören oder zu verwirren. Und vielleicht auch ein kleines bisschen deshalb, weil ich nicht unbedingt als Jacqueline Mayerhofer – also ein Name, hinter dem ich mich als private Person nicht verstecken kann – verbunden werden möchte.

Steckbrief

Jacqueline Mayerhofer, 1992 in Wien geboren, ist eine österreichische Autorin, die vor allem in den Genres Science-Fiction und Fantasy schreibt. Neben ihrer schriftstellerischen Arbeit ist sie als freie Lektorin und Herausgeberin tätig. Sie hat Deutsche Philologie an der Universität Wien studiert und 2024 ihren Master of Arts abgeschlossen. Für ihr literarisches Schaffen wurde sie 2023 mit dem Chrysalis Award der European Science Fiction Society ausgezeichnet. 

Mehr erfahren über Jacqueline Mayerhofer unter: www.jacquelinemayerhofer.at

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