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schwangere Frau sitzt auf einem Bett
Das Durchschnittsalter der Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, liegt bei etwa 31 Jahren.
Das Durchschnittsalter der Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, liegt bei etwa 31 Jahren.
iStockphoto.com/Basilico Studio Stock

Spätes Mutterglück: Wenn die biologische Uhr tickt

06.05.2022 um 12:30, Cornelia Scheucher
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Die Rolle der Mutter hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Nun gilt es, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Viele Frauen entscheiden sich deshalb, erst im späteren Alter eine Familie zu gründen.

"Das Leben beginnt damit, aufzuwachen und sich in das Gesicht seiner Mutter zu verlieben", sagte einst die englische Schriftstellerin George Eliot. Ob dieses Gesicht nun einer 20- oder 40-jährigen Frau gehört, spielt dabei keine Rolle. Im Laufe der Zeit hat sich das gesellschaftliche Bild einer Mutter stark gewandelt – weg von der Hausfrau, die ihr erstes Kind im jungen Alter gebärt, und hin zur Karrierefrau, die selbst bestimmt, wann sie bereit für die Gründung einer Familie ist. Dass dieser Zeitpunkt immer öfter erst später im Leben eintritt, ist mehreren Faktoren geschuldet.

Mit Kind und Kegel

Einer dieser Faktoren ist die berufliche Laufbahn. Zuerst die Selbstverwirklichung, dann der Rest, lautet das Motto der Stunde. Und mit dem Rest wird nicht nur auf das Kinderkriegen referiert, sondern auch auf das, was es dazu braucht: eine funktionierende Partnerschaft. Unsere Gesellschaft distanziert sich immer weiter vom Modell der klassischen  Mitzwanziger-Heirat. Vielen kommt die Ehe frühestens Anfang dreißig in den Sinn, der Nachwuchs darf dann auch noch gerne auf sich warten. Mit Ende dreißig Mutter zu werden, war früher die Ausnahme. Mittlerweile ist es die Norm.

Wunsch ohne Erfüllung 

Eine Frau kommt mit etwa zwei Millionen Eizellen zur Welt, im Laufe des Lebens nimmt diese Anzahl rasant ab. Mit Anfang zwanzig ist die Fruchtbarkeit einer Frau am höchsten. Mit 30 ist etwa die Hälfte der Eizellen genetisch fit, mit 40 sind es nur noch zehn Prozent. Als Knackpunkt wird das 32. Lebensjahr genannt, denn ab diesem Zeitpunkt nimmt die Anzahl der befruchtungsfähigen Eizellen immer schneller ab. Und auch Samenzellen bleiben nicht ewig fit. Was also tun, wenn der Kinderwunsch im späteren Alter auftritt, sich aber einfach nicht erfüllt?

Das Alter hat nichts mit der Fähigkeit zu tun, eine gute Mutter zu sein! 

Psychotherapeutin Anja Gutmann 

Kleiner Exkurs 

Dann gibt es mehrere Wege, ums ans Ziel zu kommen – der meist gegangene ist wahrscheinlich der medizinische. Stichwort unterstützte Fortpflanzung. Drei Methoden können dabei zum Einsatz kommen: die Insemination, die In-vitro-Fertilisation (IVF) sowie die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Ein kleiner Exkurs: Bei Ersterer wird aufbereitetes Sperma von einem Mediziner in die Gebärmutter injiziert. Die IVF ist die älteste und meistbenutzte Methode. Dabei trifft eine entnommene Eizelle erst im Reagenzglas auf das Sperma. Nach erfolgreicher Befruchtung werden eine oder mehrere Eizellen in die Gebärmutter eingesetzt. Und last but not least: Bei der ICSI wird ein einzelnes Spermium mittels Pipette direkt in das Zellinnere einer zuvor entnommenen Eizelle injiziert. Bei Erfolg wird der Embryo in die Gebärmutter eingesetzt.

Das Vorsorgethema 

Trotz all der Alternativen darf die biologische Realität nicht vergessen werden, wie Michael Schenk vom Kinderwunsch Institut Schenk in Dobl weiß. Und die ist eben, dass eine Schwangerschaft ohne Unterstützung im Alter immer unwahrscheinlicher wird. „Bei meinen 40-jährigen Patientinnen gibt es pro Jahr einen von zwölf Zyklen, in denen eine fruchtbare Eizelle wächst. Entweder wir haben Glück oder wir müssen auf eine Eizellenspende umsteigen“, erklärt der Experte. Deswegen ist es auch wichtig, das Ticken der biologischen Uhr nicht zu ignorieren und sich bereits im Vorhinein Gedanken zu machen. „Die meisten wissen, dass sie, wenn auch nicht jetzt, trotzdem in ein paar Jahren eine Familie gründen wollen“, so Schenk. Die Voraussetzung dafür ist ein gesunder Körper. Eine ausgewogene Ernährung sowie eine gute Fitness sind auch für die Zukunftsplanung essenziell.

Mutter sitzt mit ihren Töchtern am Laptop
Wir müssen eine Gesellschaft anstreben, in der Frau nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden sollte. 

Gesellschaftlicher Diskurs 

Kinderkriegen ist auf eine gewisse Weise immer auch politisch und muss daher auch als ein solches Thema behandelt werden. Müttern wird es im Allgemeinen schwer gemacht, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen – das fängt bei der Karenz an und endet bei der Betreuung im Kindergarten oder in der Schule. Mitunter ein Grund, weshalb viele Frauen sich erst im späteren Alter für ein Kind entscheiden. Michael Schenk wünscht sich außerdem auch einen anderen Ansatz in der Medizin: „Es sollte Frauen erlaubt sein, im jungen Alter ihre Eierstockreserven einfrieren zu lassen. Das würde vieles erleichtern.“ Derzeit ist das in Österreich verboten, außer, es gibt einen medizinischen Grund wie etwa den Verlust eines Eierstockes, eine Autoimmunerkrankung oder ein Karzinom. 

Zur Leihmutterschaft 

Auch auf eine Leihmutterschaft können Paare hierzulande nicht zurückgreifen. Sie ist nämlich laut dem Bundesgesetz der Reproduktionsmedizin verboten. Heißt: Als Mutter wird nur die Frau genannt, die das Kind geboren hat. Ob dieses Verbot noch dem Zeitgeist entspricht, ist eine andere Frage. „Beim Kinderthema spielen tieferliegende Probleme oft eine große Rolle. Wichtiger wäre es, die individuelle Situation der Betroffenen zu analysieren und dann zu entscheiden“, meint die Psychotherapeutin Anja Gutmann. Spannend: Die Ukraine ist das Land mit dem liberalsten Leihmutterschaftsgesetz. Mehr als 50 Kliniken stehen für den Zweck der Fortpflanzungsmedizin zur Verfügung. Eine ukrainische Leihmutter erhält ungefähr 14.000 Euro. Dass das auch durchaus problematisch sein kann, zeigte sich in den letzten beiden Jahren: Corona und der derzeit laufende Krieg erschweren vielen westlichen Paaren die Adoption.

Stigma rund ums Alter

Apropos erschweren: Neben zahlreichen Verboten spielt auch die Gesellschaft eine große Rolle im späten Mutterglück. „Es ist nicht nur ein innerer Druck, der stresst, sondern auch das Drumherum. Ältere Mütter werden oft mit direkten Kommentaren zur späten Schwangerschaft konfrontiert“, meint Gutmann. Fragen wie „Bist du überhaupt fit genug?“ oder „So spät möchtest du noch Mutter werden?“ gehören für viele zum Alltag. Zeit, das zu ändern und das Stigma rund um Alter und Schwangerschaft zu brechen. Denn das Alter ändert nichts an der Fähigkeit, eine gute und verantwortungsvolle Mutter zu sein. „Es gibt so viele Eltern, die, unabhängig vom Alter, nicht mit ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind leben können. Kinder brauchen Liebe und Nähe, um glücklich aufzuwachsen“, so Gutmann.

Das Alter und seine Vorteile 

Dabei sieht die Expertin auch viele Vorteile im späten Mutterglück: „Gerade bei älteren Müttern kommt kaum der Gedanke auf, etwas zu versäumen. Sie sind mit der Mutterschaft intensiv zufrieden.“ Und auch die Lebenserfahrung sowie das Wissen, wie am besten mit Stress umzugehen ist, sind positive Nebeneffekte, die das Elternsein erleichtern.

Helikopter oder Rabe? 

Gesellschaftlich gesehen haben Mütter eine schwere Last zu tragen. Schließlich glaubt jeder Otto Normalverbraucher, sich beim Thema Schwangerschaft und Kindererziehung besser auszukennen. Ob Mann oder Frau sei dahingestellt. Der Nachwuchs wie auch der Körper der Frau werden plötzlich zum offenen Thema, zu dem jeder versucht, seine Meinung kundzutun. Dass das weder gewollt noch nützlich ist, scheint die wenigsten zu interessieren. „Als Mütter können wir nur verlieren. Machst du Karriere, wirst du als Rabenmutter bezeichnet. Kümmerst du dich zu sehr um den Nachwuchs, zählst du zu den Helikopter-Eltern. Irgendjemand wird immer Kritik üben. Je schneller man akzeptiert, dass man als Mutter im offenen Diskurs immer verlieren wird, desto leichter wird es“, erklärt Gutmann. Und sieht auch hier einen Vorteil bei späten Schwangerschaften: „Ältere Frauen tun sich oft leichter, diesen Anforderungen nicht entsprechen zu müssen. Sie sind stabiler und haben meist einen hohen Selbstwert.“ Ob nun 20 oder 40 – das Alter macht keine gute Mutter aus. Sondern der Wille, für sein Kind wirklich da zu sein.

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