Ich will doch nur spielen: So verändern Video Games die Gesellschaft
Eine illustre Runde beim Abendessen: Das Ambiente ist stimmig, köstliche Gerichte warten auf den Verzehr. Doch diese spielen hier nur die zweite Geige. Denn die Leute bei Tisch haben nur Augen für ihre Smartphones. Lautes Gejohle, triumphierende Gesten, piepsende Töne aus dem Handy: Hier spielt man gerade „Quizduell“, ein App-Game, das sich zuletzt in Windeseile verbreitet hat. Und was man Kindern schon von klein auf eintrichtert, gerät bei den Erwachsenen im Spielrausch aus dem Fokus: gutes Benehmen und anständige Manieren. Ist gar der Untergang des Abendlandes gekommen?
Im Spiel-Rausch
Über 16 Millionen Menschen sind in Europa bereits im „Quizduell“-Rausch, weltweit sind es bedeutend mehr, Tendenz steigend. Die neue Lust am Wetteifern um das Wissen, ist das Game-Phänomen der Stunde. Die Idee dahinter ist so genial wie simpel: In einem Wissensduell treten zwei Spieler gegeneinander an, in sechs Runden mit verschiedenen Wissenskategorien beantworten sie je drei Fragen mit vier Antwortmöglichkeiten. 20 Sekunden haben sie pro Frage Zeit, dann wird verglichen. Und das macht richtig süchtig. Fälle von Spielsucht sorgen immer wieder für negative Schlagzeilen, dabei kommt es auch zu erschreckend extremen Fällen. Denn Spieler, die an der digitalen Nadel hängen, vergessen oft auf das Leben in der realen Welt. Erst unlängst verhungerte in Südkorea ein kleines Kind, während der Vater im Internetcafé zockte.
Normales Freizeitvergnügen?
Mehr als ein Drittel der österreichischen Gesamtbevölkerung vertreibt sich mittlerweile hin und wieder die Zeit mit Computer- oder Videospielen. In den USA sind es sogar mehr als die Hälfte. „Computerspiele sind kein Nischenprodukt mehr“, sagt auch Mag. Alexander Pfeifer, Leiter des Zentrums für Angewandte Spieleforschung an der Donau-Uni Krems. Wer sich einen Spieler heute als weltfremden Video-Nerd vorstellt, ist klar im Irrtum. Das Durchschnittsalter der Computerspieler liegt bei 35 Jahren. 40 Prozent davon sind Frauen, die dem Thema lange Zeit eher skeptisch gegenüberstanden. Die rasante Verbreitung von Smartphones und Tablet-PCs hat in den vergangenen Jahren für einen unglaublichen Game-Schub gesorgt. Denn dadurch wurden Spiele mobil und immer und überall verfügbar. Und Gelegenheitsspiele für Zwischendurch (Fachleute sprechen hier von „Casual Games“) wie eben Quizduell, Candy Crush oder Angry Birds sind für jedermann gemacht: einfach und doch knackig.
Warum spielen?
Es gibt viele Gründe, warum uns Spiele ansprechen. Sie sind ein schnell verfügbarer Zeitvertreib, der oftmals durch schnelle Erfolge in den Bann zieht. Dabei schüttet der Körper das Glückshormon Dopamin aus. Für den einen ist es die Kommunikation mit anderen Spielern die zählt, der andere schätzt die Machart und Ästhetik. Als Gamer kann man Abenteuer in virtuellen Welten erleben, ohne dabei Konsequenzen fürchten zu müssen. Eroberer, Fußball- Star, Rennfahrer oder Geheimagent – im Spiel kann man sein, wozu man Lust hat. Damit gelten Computerspiele heute nicht mehr als zweifelhafte Kurzweil, sie sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und werden konsumiert, wie Fernsehen, Kino, Bücher – als ganz normales Freizeitvergnügen.
Geschäft mit Games
Damit setzt die Gaming-Industrie alljährlich Milliarden um, 65 waren es 2013. Hollywoods- Film-Traumfabrik kann da mit läppischen acht Milliarden nicht mehr mithalten. Und versucht verzweifelt, am großen Kuchen mitzunaschen, indem es Spieletitel wie „Tomb Raider“, „Prince of Persia“ oder jüngst „Need for Speed“ für die große Leinwand adaptiert. Ein Trend, dem viele Spielehersteller allerdings wenig abgewinnen können. Chefentwickler Dan Houser von Rockstar Games beispielsweise möchte sein Juwel „Grand Theft Auto“ nicht durch eine möglicherweise lahme Filmumsetzung in Gefahr bringen. Zumal diese Game-Reihe eine Goldgrube ist. Der jüngste Teil erlöste innerhalb von 24 Stunden sagenhafte 800 Millionen Dollar.
Spiele machen klug
Doch Spielen kann mehr sein als nur Zeitvertreib: Wissenschafter haben bereits mehrfach die positive Wirkung nachgewiesen. Erst jüngst sorgte die amerikanische Autorin und Spieleentwicklerin Jane Gonigal mit ihrem Buch „Besser als die Wirklichkeit“ für Aufsehen. Denn Computerspiele würden die Welt zu einem besseren Ort machen, da sie uns lehren, immer komplexere Aufgaben mit Freude, Fantasie und Ausdauer anzugehen. Um dies zu schaffen, müsste der Alltag spielerischer gestaltet werden. Denn Studien zufolge können Computerspiele positive Gefühle hervorrufen – Musikspiele ermuntern etwa zum Erlernen echter Instrumente, Sportsimulationen fördern die Bereitschaft zum Training. Außerdem ist Spielen ein ureigener Trieb. Damit beginnen wir bereits von der Gehschule aus, die Welt zu erforschen. Auch die Möglichkeit, durch Spiele das Gehirn zu trainieren, ist vielfach belegt: Wer täglich eine Runde „Mahjong“ spielt, verbessert etwa seine Konzentrationsleistung.
Das Leben ist ein Spiel
Die Computerkultur hat unser Leben bereits viel spielerischer gemacht, als man es vielleicht vermuten würde: Eine E-Mail wird unbefangener formuliert, als ein per Hand geschriebener Brief. Wer mit Online-Banking seine Rechnungen überweist, leidet weniger, als jemand, der sein Bargeld persönlich am Bankschalter abgibt. Wer sein Navigationsgerät vor einer Reise bedient, tut dies entspannter, als jemand, der sich über eine ausgebreitete Karte beugen muss. Wer es andererseits schafft, in „World of Warcraft“ 60 Online- Spieler aus aller Welt gleichzeitig an einem Auftrag arbeiten zu lassen, wird auch im realen Leben eine gewisse Führungskompetenz entwickeln. So wird das Leben stückweise auch zum Spiel.
Meistverkaufte Games
Platz 1: Angry Birds (2009):
+ 2.000.000.000 Downloads
Erfolgreicher Kult: Bunte Vögel werden als Geschosse gegen Schweine eingesetzt.
Platz 2: Candy Crush Saga (2012):
+ 500 Millionen Downloads
Das Puzzle-Spiel mit den Süßigkeiten ist auch das meistgenutzte facebook-Game.
Platz 3: Wii Sports (2006):
82,89 Millionen Exemplare
Das erste Bewegungsspiel wurde gemeinsam mit der Nintendo Wii-Konsole verkauft.
Platz 4: Super Mario Bros. (1985):
40,24 Millionen Exemplare
Die Urmutter aller Hüpfspiele machte Super Mario zum Star.
Platz 5: Tetris (1984):
35 Millionen Exemplare
Das Puzzle-Game wurde zum Dauerbrenner.