Charakter-Bier ist im Kommen: Mehr als Märzen
Bier ist wie Schnitzel und Sachertorte: Teil der nationalen Identität, Stolz und Grundnahrungsmittel. Wir sind Vize-Europameister im Konsum, geschlagen nur von der Schluckfreude der tschechischen Nachbarn. Lieblingsbier ist das Märzen, in Deutschland hingegen trinkt man eher Pils. Weiter westlich gibt man sich sortenverliebter. Doch seit einiger Zeit machen sich Stout, IPA, Porter und diverse Böcke in den Regalen von Spezialbierhandlungen und sogar im Supermarkt breit. Craftbeer nennen sich die erlesenen Tropfen abseits des Einheits-Gesöffs. Doch was steckt dahinter?
Rückbesinnung
Die kreativen Biere sind keine Neuerfindung. Im Gegenteil, Sorten wie das IPA (India Pale Ale) gibt es schon länger als das weit verbreitete „Lager“. Intensiver im Geschmack, sind sie jedoch kein Bier für jedermann und zwischendurch. Biere für Kenner, Genießer, zum Er-Schmecken. Gerade das trifft den Zeitgeist der Foodies und Individualisten. Zum Runterschütten sind die edlen Gerstensäfte zu schade. Und meist auch zu teuer.
Definition
Was man überhaupt unter Craftbeer versteht, da sind sich die Bier-Experten noch nicht schlüssig. Das englische „handcrafted“ für „handgemacht“ verwirrt jedenfalls. Auch die Kleinsten brauen mit hochtechnisierten Maschinen. Sepp Wejwar aka „der Biersepp“, Koryphäe in Sachen Bierwissen (www.beerkeeper.eu), hat eine Annäherung versucht: C wie Creativität (Innovationskraft), R wie Radikalität, (Kompromisslos zu den Wurzeln), A wie Abwechslung (Lust auf Vielfalt), F wie Feuer (Leidenschaft), T wie Talent (Inspiration). Das alles braucht es, um ein vollmundiges Charakterbier zu brauen.
Volumen
Was man nicht definieren kann, ist auch nicht messbar. Schätzungen zum Marktanteil gibt es aber: In Österreich werden pro Jahr etwas mehr als neun Mio. Hektoliter Bier gebraut. Der Craftbeer-Anteil liegt zwischen einem und vier Prozent, Tendenz steigend: „Optimisten sehen in den nächsten Jahren ein Potenzial bis zu zehn Prozent. Ich bin eher vorsichtig, mit fünf bis acht Prozent“, sagt Martin Voigt von proBier.
Trend
Auch die österreichischen Culturbrauer sind auf den Zug aufgesprungen. Klaus Möller, Geschäftsführer der Brauerei Hirt: „Bewusst genießen ist für immer mehr Menschen zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Craftbiere stillen die Sehnsucht nach Individualität und Geschmacksvielfalt.“ Mit dem „Beerique“ haben die Kärntner sogar ein im Barrique-Fass gereiftes und prämiertes Bier am Start.
Zum Wohl
Brauen darf im Großen und Ganzen jeder, der sich an den Codex Alimentarius hält. Viele Kleinstbrauereien werden von Quereinsteigern betrieben, die ihr Hobby zum Beruf machen. Das „Deutsche Reinheitsgebot“ ist übrigens ein Mythos und gilt in Österreich nicht. Na dann Prost!