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Robert Lang - Extremsportler aus Neusiedl
Robert Lang - Extremsportler aus Neusiedl
Robert Lang

Menschliche Formel-1-Boliden aus dem Burgenland

23.03.2015 um 12:29, Manfred Vasik
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Mysterium. Sie joggen flockige 900 Kilometer in einer Woche oder strampeln auf ihren "Drahteseln" in Rekordzeit quer durch Russland. Extremsportler wie Franz Sack oder Robert Lang könnten der Wissenschaft beim stichhaltigen Entschlüsseln des "Wunders Mensch" als schier unendlich wertvolle "Joker" dienen.

Das stechende Türkis der eng anliegenden Radlerhose verschmilzt fast fugenlos mit dem Hellblau des weitgehend wolkenlosen Himmels. Am Horizont der schier malerischen Idylle scheinen Himmel und Meer sanft ineinander überzugehen – es gibt schlimmere Arbeitsplätze als jenen, den Robert Lang aus Neusiedl 2012 auf Hawaii vorfand. Die Traumkulisse eignete sich für den Mitvierziger perfekt, um – seinen sehnigen Körper erbarmungslos zu schinden, ihn bis aufs Äußerste zu reizen. In 9 Stunden und 41 Minuten schwamm er 3,8 Kilometer, radelte 180 Kilometer und lief 42 Kilometer. Dagegen kommt sein nächstes Projekt, die Triathlon-Mitteldistanz mit 1,9 Kilometern Schwimmen, 90 Kilometern Radfahren und 21 Kilometern Laufen, geradezu einem behaglichen Aufwärmprogramm gleich. Zumal Draufgänger Lang auch Teil jenes österreichischen Teams war, das 2013 in 14 Tagen von Moskau nach Wladiwostok radelte. 200 Kilometer pro Tag. Verbrannte Kalorien pro Tag: bis zu 9.000, das entspricht knapp 20 Leberkässemmeln.

Immer mehr
Warum Lang seinen modellhaft austrainierten Luxuskörper im Stakkato derart Grenzwertigem aussetzt? "Weil man irgendwann in ein Alter kommt, in dem man nicht mehr so schnell laufen kann. Also muss man länger laufen", schmunzelt er im launigen Talk mit dem Weekend-Magazin. Und hakt nach: "Man will dann immer mehr."

Ultraläufer
Ganz ähnlich klingt es, wenn Franz Sack aus Frauenkirchen über seine Passion sinniert: den Ultralauf. Seine geradezu astronomische Bestmarke: 906 Kilometer in sieben Tagen – österreichischer Rekord! Ansonsten läuft er an Samstagen schon einmal zwölf Stunden durch oder huscht in 25 Stunden die B50 von Kittsee bis ins tiefste Südburgenland entlang. "Das Sporteln wird irgendwann zur Sucht. Man will ständig mehr, sich ständig selbst übertreffen", sagt der 1,70 Meter große und 56 Kilo leichte Hauptschullehrer, dessen Ruhepuls für einen Ausdauersportler mit 52 verhältnismäßig hoch ist.

"Versuchskaninchen"
Sack und Lang – zwei schillernde Repräsentanten einer noch weitgehend unerforschten Spezies. Obwohl höchst faszinierend, ist das Feld Extremsport in der Wissenschaft noch reichlich unbeackert. Dabei könnten gerade Ausnahme-Athleten, die schier Unmenschliches leisten, der Wissenschaft dabei enorm dienlich sein, das "Wunder Mensch" nachhaltig zu dekodieren. "Extremsportler könnten für uns sehr wertvolle 'Versuchskaninchen' sein", meint Hans Holdhaus gegenüber dem Weekend-Magazin. Der Grandseigneur der Sportwissenschaften firmiert als DER Leistungsdiagnostiker und Frontkämpfer im Gefecht gegen Dopingmissbrauch. "Das Verhältnis Extremsportler zu normalen Menschen ist ähnlich wie jenes eines Formel-1-Boliden zu einem Familien-Pkw", sagt Holdhaus: "An sich haben sie nichts miteinander zu tun. Aber praktisch alle Technologien, die heute bei einem normalen Pkw angewandt werden, kommen aus der Formel 1."

Engere Kooperation
Holdhaus würde eine engere Zusammenarbeit zwischen Extremsportlern und der Wissenschaft goutieren. Simpler Grund: "Wir haben noch immer keine Ahnung, was der menschliche Körper alles zu leisten imstande ist." Ein stichprobenartiger Streifzug durch die Geschichtsbücher zementiert die These kugelsicher ein: Vor zehn Jahren lag der 100-Meter-Weltrekord bei 9,77 Sekunden, heute bei 9,58 Sekunden. 2005 galten Flüge von Skispringern an die 235 Meter als Sensation, erst im Februar segelte der Norweger Anders Fannemel über 251 Meter weit. Und dass der Kenianer Dennis Kpruto Kimetto 2014 den Marathon in Berlin als erster Mensch unter 2:03 Stunden beenden würde, hielt vor zehn Jahren auch kaum jemand für möglich.

Gene entscheiden
Fest steht: Ohne entsprechende Gene sind sportliche Extremleistungen undenkbar. "Nur ein sehr kleiner Prozentsatz der gesamten Bevölkerung kann derartige Leistungen überhaupt theoretisch vollbringen", sagt Holdhaus. Der Rest scheidet schon aufgrund mangelnder genetischer Voraussetzungen aus – die übrigens von keinem Dopingmittel der Welt wettgemacht werden können, ist Holdhaus überzeugt.

Ungesund?
Sich immer wieder zu schinden, seinen Körper regelmäßig an die Belastungsgrenze zu bringen, geht an die Substanz. Wie ungesund Extremsport tatsächlich ist? Darüber gehen auch unter den Forschern die Meinungen auseinander. Einer Studie der Universität Wien zufolge wird zumindest das Erbgut durch Extremsport nicht beschädigt, wenngleich der oxidative Stress bei Extremsportlern freilich hoch ist. "Die Frage, ob Spitzen- und vor allem Extremsport gesund ist, muss man mit einem klaren 'Na ja' beantworten", sagt Leistungsdiagnostiker Holdhaus. Triathlet Robert Lang lässt sich davon aber ebenso wenig abschrecken wie Ultraläufer Franz Sack. Sacks Arzt attestiert ihm regelmäßig Werte "wie bei einem Baby", Lang pflegt auf Warnungen vor gesundheitlichen Schäden stets schmunzelnd zu kontern: "Alkohol und Nikotin sind auch nicht gesund." Dahingehend herrscht auch in der Wissenschaft Einigkeit.

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