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Zach Braff: „Ein großes Studio hätte mein Drehbuch nicht mal gelesen"

15.09.2014 um 08:27, A B
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„Scrubs“-Star Zach Braff im großen weekend.at-Interview über sein neues Regie-Werk „Wish I was here“, eine mögliche „Scrubs“-Reunion und wie es war, als er Arnold Schwarzenegger im Fitnesscenter traf.

Zach Braff musste in den letzten Wochen viel Häme einstecken. Sein neuer Film sei nur ein Abklatsch seines hochgelobten Regie-Debüts „Garden State“ aus dem Jahr 2004, und noch dazu ein schwacher. Auch seine Entscheidung, seinen neuen Streifen via Kickstarter (die weltweit größte Crowdfunding-Plattform) zu finanzieren wurde heftig kritisiert. Dabei zahlen Fans einen gewissen Beitrag für das Projekt, bekommen dafür aber auch eine Gegenleistung, zum Beispiel in Form von einer Nennung in den Credits, Festivaltickets oder auch kreatives Mitspracherecht. Innerhalb von zwei (!) Tagen konnte Braff auf diese Weise 1,7 Millionen US-Dollar für „Wish I was here“ sammeln, insgesamt wurden mehr als 3 Millionen US-Dollar gespendet. Nicht schlecht, eigentlich. Nur, dass Zach Braff, der nicht zuletzt dank seiner internationalen Erfolgsserie „Scrubs“ sowie klugen Aktien-Investitionen, auf ein Vermögen von unglaublichen 245 Millionen US-Dollar geschätzt wird, eigentlich zu den reichsten Schauspielern der Welt gehört. Dass er da trotzdem Fans zur Kasse bittet, um seinen neuen Film zu finanzieren, obwohl er dies locker aus eigener Tasche tun könnte, stieß und stoßt da einigen durchaus sauer auf.

weekend.at: In „Wish I was here“ spielst Du einen Mann in seinen Dreißigern, der noch dabei ist, seinen Platz im Leben zu finden. Welchen Rat hast Du an alle Männer da draußen, die ihre Träume noch nicht erfüllen konnten?

Solange man an keinen gebunden ist, solange man keinem Rechenschaft abliefern muss, sage ich: Tue alles, um deinen Traum zu erfüllen! Egal, was andere sagen. Im Film wird meinem Charakter Aidan in einer Szene die Frage gestellt, wie lange er noch seinem Traum nachjagen möchte. Sobald man in einer Beziehung ist, sobald man kleine Kindermäulchen füttern muss, wird es Zeit, auch an die Menschen in deinem Umfeld zu denken. Aidan ist zu Beginn des Films sehr egoistisch, sogar narzisstisch. Erst als seine Frau, gespielt von Kate Hudson, ihm klipp und klar sagt, dass sie nicht mehr alleine die Familie ernähren kann und will, beginnt Aidan, sich zu ändern.

Wie ist die Idee zu dem Film überhaupt entstanden?

Die Grundidee kam mir unter der Dusche! Unter der Dusche reifen schließlich die besten Ideen! (lacht) Der Gedanke, ich würde meinen eigenen Kindern Geometrie beibringen müssen, hat mich laut zum Lachen gebracht. Ein Nicht-Akademiker mit großen Wissenslücken, der seine Tochter, die eigentlich so viel mehr weiß als er selbst, letztendlich über das Leben lehrt – das fand ich sehr faszinierend. Und so ist dann die Geschichte nach und nach in mir gereift. Zudem hat mich der Mark Ruffalo-Film „You can count on me“ sehr inspiriert. Nicht zu vergessen ist mein Bruder, der mit mir gemeinsam das Drehbuch schrieb, Vater von zwei Kindern. Ich hatte also jede Menge Inspirationsquellen.

Aidan unternimmt im Film mit seinen Kindern eine Reise. War Dir von Beginn an klar, wohin die künstlerische Reise mit dem Film gehen wird?

Beim Schreiben des Drehbuchs hat man natürlich fixe Vorstellungen, aber eigentlich entscheidet sich erst im Schneideraum, wie sich ein Film wirklich entwickelt. Als Regisseur versuchst du ja vor allem, möglichst tolle Bilder in kurzer Zeit in den Kasten zu bekommen – was uns gelungen ist, denn wir haben ‚Wish I was here‘ in nur 26 Tagen gedreht, was ein Wahnsinn ist! Und erst während des Schneidens setzt du diese Bilder zusammen. Wenn man dann auch noch die eine oder andere schauspielerische Leistung besonders hervorsticht, ändert sich der Fokus vielleicht mehr auf diese Figur. Bei uns war das bei Joey King der Fall, die meine Filmtochter spielt. Ihre Performance hat uns alle umgehauen! Auch die Chemie zwischen Kate Hudson und Mandy Patinkin, mein Dad im Film, war so toll, dass wir ihren gemeinsamen Szenen mehr Platz eingeräumt haben als ursprünglich geplant.

Auffallend ist, dass sich bei Deinen Filmen stets die Waage zwischen Drama und Comedy hält …

Das ist mir auch sehr wichtig. Das Kunststück ist, die Balance zwischen diesen Genres zu halten, was tatsächlich oftmals eine Gradwanderung ist. Im Film gibt es den Rabbi, der mit seinem Roller gegen die Wand fährt, genauso wie den sterbenden Vater am Todesbett. Das Geheimnis ist, nach sehr dramatischen Szenen dem Publikum wieder eine Auflockerung zu gönnen. Das gleicht ein bisschen einer Arie. Ich habe hier sehr viel von Bill (Lawrence; Erfinder von ‚Scrubs‘; Anm.) gelernt, der ist in diesem Bereich ein wahrer Künstler. Apropos: Donald (Faison; ‚Scrubs‘-Kollege und Braffs bester Freund; Anm.) hat in ‚Wish I was here‘ einen Gastauftritt. An diesem Tag haben wir so viel herumgealbert, waren so sehr J.D. und Turk, dass wir von den gedrehten Szenen nur sehr wenig verwenden konnten. Aber keine Angst, diese Outtakes gibt’s dann auf der DVD! (lacht)

Deine Filme sind auf Festivals sehr erfolgreich. Festival-Filme können wir in Österreich auch ganz gut, Mainstream-Filme mit einem großen Publikum weniger. Unterscheidest Du zwischen Mainstream und Arthouse? Und denkst Du, dass Festival-Filme im Vergleich zu Mainstream-Filme niveauvoller sind?

Nein, nicht zwangsweise. Aber Festival-Filme orientieren sich einfach nicht an der großen Masse, was mit einer größeren künstlerischen Freiheit einhergeht. Man hat nicht volle Kinosäle im Hinterkopf, wenn man am Film arbeitet. Ich weiß, dass „Wish I was here“ nicht die große Masse ansprechen wird. Ganz sicher nicht. Das Internet spielt hier übrigens eine große Rolle: Du kannst recherchieren, ob es weltweit eine bestimmte Zielgruppe für deinen Film geben wird – das ist für Independent-Filme natürlich von großem Vorteil. Man kann sich quasi auf eine Geschmacksrichtung orientieren, was ich sehr begrüße. Wenn ich meine Zielgruppe von vornherein kenne, dann kann ich auf sie maßgeschneiderten Content abliefern.

Ist das der Grund, wieso Du Dich für Crowdfunding entschieden hast und nicht für ein großes Filmstudio?

Ein großes Filmstudio hätte mein Drehbuch wahrscheinlich nicht mal gelesen - zu viel Auseinandersetzung mit Religion! (lacht) Ich bin überzeugt davon, dass das Publikum viel gescheiter ist, als die Produzenten immer annehmen. Man kann ihm schon einiges zutrauen! Die meisten von uns sind zwar keine Schauspieler, die mit ihrer Karriere kämpfen, aber jeder von uns weiß, wie es ist, seinen Platz in der Welt zu suchen. Das verstehen aber viele große Hollywood-Produzenten nicht, die wollen einen ganz offensichtlichen gemeinsamen Nenner mit dem Publikum. Deshalb habe ich mich für Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit entschieden. Nur so ist kreative Freiheit wirklich möglich. Man muss bei der Post-Production keine Kompromisse eingehen, kann sein Ding durchziehen. „Veronica Mars“ hat hier natürlich den Weg geebnet (die Kinoversion der Detektiv-Serie war die erste Hollywood-Produktion, die via Crowdfunding realisiert wurde; Anm.). Man hat bei mir trotzdem gezweifelt, weil es sich bei „Wish I was here“ nicht um eine etablierte Marke handelt; ich habe ja weder „Scrubs The Movie“ noch „Garden State 2“ gemacht. Aber, ich muss zugeben: Ich habe einen relativ guten Riecher, was meine Fans von mir wollen und erwarten. Ich war also zuversichtlich, dass die Finanzierung klappt. Meine Entscheidung hat allerdings sehr für negative Schlagzeilen gesorgt. Ich habe das letzte Jahr damit verbracht, meine Sichtweise der Dinge zu erklären und wieso es für mich die richtige Entscheidung war, mich an Kickstarter zu wenden. Ich werde mit „Wish I was here“ nicht ein Haufen Kohle scheffeln, im Gegenteil: Ich werde wahrscheinlich Geld verlieren bei diesem Projekt. Mir ging es aber einfach um die Frage: Kann ich Content für die Fans mit den Fans erschaffen? Ich sehe daran nichts Falsches.

Würdest Du in Zukunft wieder mal auf Crowdfunding zurückgreifen?

Hell, no! (lacht laut) Ein Crowdfunding-Projekt ist eine Menge Arbeit. Die Leute, die Fans waren toll. Ich bin um die ganze Welt gereist, war mit ihnen in Kontakt, habe mich mit ihnen ausgetauscht. Fans haben mich am Set besucht, wir hatten auch einen großen Online-Chat-Channel. Zusätzlich haben wir sehr viel Video-Content für unsere Unterstützer erstellt. Großartig! Aber die Organisation, die Politik dahinter ist sehr anstrengend und ermüdend. Ich bin kein Politiker. Ich bin nicht die Stimme von Crowdfunding. Wollte ich nie sein. Es war ein tolles, lustiges Experiment und ich hoffe, die 47.000 Menschen, die beim Projekt mitgewirkt haben, hatten eine tolle Zeit. Aber ich habe es satt, die weltweite Stimme von Crowdfunding zu sein.

Was würde eigentlich Zach Braff seinen Kindern beibringen, würde er sie zuhause unterrichten?

Sicher nicht Geometrie! (lacht) Aidan wurde ja von mir inspiriert, und es kommt nicht von ungefähr, dass er keine Ahnung von Dreiecken und Winkeln hat!

Anderes Thema: Du scheinst eine Vorliebe für starke und außergewöhnliche Frauenfiguren in Deinen Filmen zu haben …

Ja, sowohl Natalie Portman (in „Garden State“; Anm.) als auch Kate Hudson spielen in meinen Filmen Figuren, die durch ihre Kraft den männlichen Protagonisten retten. Ich habe selbst die Fantasie, von einer starken, unabhängigen Frau gerettet zu werden. (grinst) Ich liebe außerdem Frauen, die humorvoll und auch mal abgedreht sind und mir dadurch helfen, das Leben nicht allzu ernst zu nehmen.

Jim Parsons aus „Big Bang Theory“ hat im Film eine kleine Rolle. Wie kam es dazu?

Mir gefällt ja der Gedanke, ich hätte Jim entdeckt. (grinst) Er war ja schon bei „Garden State“ mit dabei, was ich toll finde, weil ich mag es sehr, immer mit derselben Gruppe von Leuten zusammenzuarbeiten. Jim ist einfach toll und sehr begabt. Er bekam viel tolle Kritik für „Garden State“ und wurde kurz darauf für ‚Big Bang“ gecastet – und heute gehört er zu den bestverdienendsten Schauspielern im TV! Bisschen was davon würde ja eigentlich mir zustehen …. (grinst)

Aus der Sicht eines Regisseurs: Was schätzt Du an einem Schauspieler?

Wenn er konsequent tolle Arbeit abliefert, ohne, dass ich ihm zuvor stundenlang die Szene und seine Rolle erklären muss. Ein guter Schauspieler weiß sofort, worauf es ankommt. Aber nicht nur das: Lustig sein alleine reicht nicht, er muss lustiger als das Drehbuch sein.

Was fordert Dich mehr: Regieführen oder Drehbuch-Schreiben?

Schreiben ist sehr hart. Es ist eine einsame und manchmal sehr frustrierende Arbeit. Regieführen macht Spaß, am Set erlebt man ständig einen Adrenalin-Schub. Man versucht, immer das Beste aus den Anderen rauszuholen. Beim Schreiben hingegen hat man nur mit sich selbst zu tun. Das kann anstrengend sein.

Werden wir Dich jemals wieder im TV zu sehen bekommen?

Definitiv. Vor einem Jahr hätte ich diese Frage noch verneint, aber was seit geraumer Zeit im TV passiert, ist fantastisch. TV-Serien waren noch nie so gut! Die Network-Sender in den USA kommen da gar nicht mehr mit, die wirklich interessanten Dinge passieren auf den Pay-TV-Kanälen wie HBO oder Showtime. Aktuell ist es für Schauspieler sehr spannend, im TV zu sein. TV ist das neue Kino. Ist auch verständlich: Ich werde lieber mehrere Monate lang von etwas Großartigem gefangen genommen als nur für zwei Stunden.

Was ist deine Lieblingsserie?

„Game of Thrones“, ganz klar. In „Wish I was here“ hat meine Figur ja sogar ein sexy „GoT“-Rollenspiel mit seiner Ehefrau, was ich großartig finde. Und „Breaking Bad“, natürlich. An dieser Serie kommt man einfach nicht vorbei.

Dürfen wir auf eine „Scrubs“-Reunion hoffen?

Nein, nicht im direkten Sinne. Wir haben das ganze neun Jahre lang gemacht, es gibt einfach keine Stories mehr, die wir erzählen könnten. Aber, bevor ihr alle traurig seid: Einige von uns werden definitiv wieder zusammenarbeiten. Mit Bill werde ich ganz sicher wieder etwas zusammen machen – und mit Donald sowieso! Da kommt noch einiges auf euch zu! (lacht)

Letzte Frage: Du hast vor einigen Jahren Arnold Schwarzenegger im Fitnesscenter getroffen …

Das war echt lustig. Ich hab gerade trainiert und plötzlich kam Arnold Schwarzenegger mit zwei Bodyguards rein. Und ich hab mich echt geschreckt, weil er damals ja Gouverneur war und ich dachte, vielleicht nimmt er jetzt alle Fitnesscenter in Kalifornien ganz genau unter die Lupe. Auf jeden Fall ist er mit Stolz geschwellter Brust herummarschiert und plötzlich kam er auf mich zu – keine Ahnung, ob er mich kannte oder nicht. (in Schwarzenegger-Stimme) „Was ist dein Ziel deines Trainings?“, fragte er mich. Ich war total eingeschüchtert und war mir nicht sicher, ob ich grad auf Drogen war oder nicht. Passierte das hier wirklich? Meine peinliche, aber ehrliche Antwort war, dass ich aussehen wollte wie Brad Pitt in „Fight Club“. „Herr Gouverneur, ich möchte so aussehen wie ‚Fight Club‘-Brad Pitt.“ Und er meinte, dafür müsse ich nur Karotten essen, dann werde ich total muskulös. Das tat ich dann auch zwei Wochen lang, schließlich glaubte ich dem Gouverneur, aber geholfen hat’s gar nix … (lacht)

„Wish I was here“ startet am 10. Oktober in den österreichischen Kinos.

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