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Die Monarchie endete in Österreich 1919
Die Monarchie endete in Österreich 1919
Studio-Annika/iStock/Thinkstock

Die Kassen klingeln! So lebt Österreichs Adel

30.10.2017 um 08:28, Weekend Online
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Kaiser, König, Edelmann: Ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Aber wie lebt der heimische Adel heute? Ein Blick hinter die Kulissen.

Der Kaiser ist tot – lang lebe der Kaiser! Frei nach der alten französischen Heroldsformel ist der Adel in Österreich zwar seit dem Adelsaufhebungsgesetz aus dem Jahr 1919 de facto entmachtet, dennoch mischen die "Blaublüter" auch in der heutigen Republik noch immer kräftig mit.

30 Millionen

"Fakt ist, dass Österreich ohne die Aristokraten und vor allem ohne die vielen aristokratischen Arbeitgeber in dieser Form nicht existieren würde", ist Helge Reindl, hochdekorierter Adelsexperte des ORF, überzeugt. "Wir leben ja vom Adel und nicht von der Bundesbahn – kein Tourist kommt ­wegen des Karl-Marx-Hofs nach Wien", spielt der Professor auf die 3,72 Millionen Besucher an, die allein im Vorjahr das Schloss Schönbrunn wieder zur Touristen-Attraktion Nummer eins in Österreich krönten. So bringt allein die Marke "Habsburg" dem ­österreichischen Tourismus zwischen zehn und 30 Millionen Euro an Umwegrentabilität ein.

Großgrundbesitzer

Rund 30.000 Mitglieder zählt der einstige Adel auch heute noch in unserem Land. Die Aufzählung der einflussreichsten Familien liest sich wie ein Streifzug durch die Geschichte. Zu den größten Grund­besitzern Österreichs zählen etwa die Esterházys genauso wie die Familien Mayr-Melnhof-Saurau, Liechtenstein, Schwarzenberg, Starhemberg und natürlich auch die Habsburger selbst.

Reiche „Bürger“

Wie aber lebt der Adel heute? Das ­verklärte Bild vom Märchenschloss und einer Hundertschaft an Dienern entspricht längst nicht mehr der Realität. Auch ein Erzherzog oder eine Baronin muss im Jahr 2017 sein Geld selbst verdienen – viele tun dies freilich als Unternehmer. Bekannte Namen findet man aber quasi über alle Berufssparten verstreut – die Spanne reicht vom einfachen Gemeindebediensteten bis zur Museumsdirektorin. Das wohl eindrucksvollste Zeichen des längst vollzogenen Wandels: In der Rangliste der reichsten Österreicher des Trend Magazins haben die gemeinen Bürger dem Adel den Rang abgelaufen – in den Top-20 befindet sich mit der Familie von Franz Mayr-Melnhof nur noch ein adeliger Name. Mit einem geschätzten Vermögen von knapp 2,5 Milliarden Euro bleibt aber auch ihr der Weg in die Armenküche erspart. "Für viele Adelsfamilien ist im Jahr 1919 die Welt untergegangen", stellt Reindl klar, "früher hat ein 'von' auf der Visitenkarten viele Türen geöffnet – heute ist das anders. Wenn man so will, hat man den Adeligen ja sogar ihre Namen genommen, im Gegensatz etwa zu Deutschland."

Klatsch und Tratsch

Ins Blickfeld des öffentlichen Interesses rücken die ehemaligen Herrscherfamilien aber heute natürlich meist in den Klatsch- und Tratschspalten des Landes. Fehltritte der Zöglinge von hohen Häusern und vor allem Hochzeiten sind es, die das Land nach wie vor bewegen. Zuletzt etwa im Jahr 2014, als Magdalena Habsburg-Lothringen, die Ururenkelin von Kaiser Franz Joseph, in Bad Ischl vor Tausenden Zaun­gästen dem Juristen Sebastian Bergmann das Jawort gab.

Religion

Eine Hochzeit, die es in Zeiten der Monarchie nie gegeben hätte. "Für Adelige war es verboten, nicht standesgemäß oder Menschen anderer Religionen zu heiraten", weiß Reindl, dem die Ehre zuteil wurde, bei ­erwähnter Hochzeit für das Protokoll verantwortlich zu zeichnen. "Die Religion spielt in den Adelshäusern auch heute noch eine sehr bedeutende Rolle. Man darf ja nicht vergessen, dass es einst Usus war, dass der Vatikan nach erfolgter Papstwahl den österreichischen Kaiser zumindest formell um sein Einverständnis für den neuen Papst gebeten hat." Klingt nach ­einer wirklich längst vergangenen Zeit. "Es ist aber nach wie vor so, dass jede Adelsfamilie ihre eigenen Familiengesetze hat." Mitglieder des Adels bewegen sich heute zumeist in einer Art Parallelgesellschaft – man bleibt lieber unter sich und ist bestens vernetzt. So auch das Haus Habsburg, das weltweit rund 700 Mitglieder hat.

Kaiser ohne Land

Übrigens, dass heute Karl Habsburg-Lothringen, Urenkel des letzten österreichischen Kaisers Karl I., als Oberhaupt der Familie gilt, ist nicht ganz unumstritten – sein Vater Otto von Habsburg hat 1961 auf alle Herrschaftsansprüche verzichtet und diesen Verzicht könnte man eben auf seine ­gesamte Familie auslegen. "Nicht wenige sehen Lorenz Habsburg-Lothringen, Prinz von Belgien, als legitimen ­österreichischen Thronfolger an", sagt Reindl. Freilich ein Titel ohne Land – die Rückkehr der Monarchie ist ungefähr so weit weg wie Österreich vom Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft. In ­anderen Teilen der einstigen Monarchie ist die Sehnsucht nach der Krone offenbar stärker. So weilte Reindl letzte Woche bei einer Kundgebung für die Wiedereinführung der Monarchie in Prag.

Adel in Österreich im Überblick

Markus Habsburg-Lothringen Der 71-Jährige würde heute den Titel Erzherzog von Österreich und Prinz von Toskana tragen. Habsburg-Lothringen ist der Urenkel von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth und Eigentümer sowie ­Bewohner der legendären ­Kaiservilla in Bad Ischl.

Karl Schwarzenberg Der ehemalige tschechische Außenminister ist das Oberhaupt des Fürstenhauses Schwarzenberg. Insgesamt beläuft sich der Besitz der Familie auf rund 20.000 Hektar allein in Österreich – zum Besitz zählen etwa Schloss Obermurau, aber auch Schloss Schwarzenberg in der Schweiz oder Schloss Dřevíč in Tschechien.

Franz Mayr-Melnhof-Saurau Der "Holz-Baron" zeichnet für 32.400 Hektar Wald verantwortlich und gilt als größter privater Forstbesitzer Österreichs. Die Familie ist außerdem an der gleichnamigen Kartonfabrik in Frohnleiten beteiligt. In der Liste der reichsten Österreicher liegt Mayr-Melnhof-Saurau mit knapp 2,5 Milliarden auf Rang 18.

Karl Habsburg-Lothringen Der heute 56-jährige Sohn des letzten Kronprinzen von Österreich-Ungarn gilt als Oberhaupt des Hauses Habsburg-Lothringen. Saß für die ÖVP einst im EU-Parlament und ist heute als Medienkonsulent tätig und ist außerdem Präsident der Organisation "Blue Shield", mit der er sich für den Schutz des Kulturerbes einsetzt.

Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe Der 59-jährige Deutsche darf seinen Titel im Namen führen – im Gegensatz zu österreichischen Adeligen. Im oberösterreichischen Steyrling besitzt er 7.000 Hektar Wald.

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