Al Pacino: "Die interessieren sich nicht für Filme, sondern nur für Geld"
Al Pacino betritt den Raum und wirkt größer als er ist. Der 1940 in New York geborene Schauspieler italienischer Abstammung misst knapp 170 Zentimeter, ist aber ein ganz Großer. Seit er mit der 35-jährigen Lucila Solá liiert ist, gibt er sich überaus jugendlich: schwarzes Sakko, aufgeknöpftes Hemd, verspiegelte Sonnenbrille und ein lässiger Künstlerschal. In der Interview-Suite im Hotel Excelsior am Lido von Venedig wird ihm ein Espresso serviert, aber Pacino schickt ihn retour: "Ich hätte lieber American Coffee", raunt er. Also wässrigen Filter-Kaffee. „Was möchten Sie wissen“, wendet er sich uns zu.
Weekend: Mr. Pacino, Sakko, offenes Hemd, Schal. Hat Ihre Freundin Einfluss auf Ihre Kleidung?
Al Pacino: Im umgekehrten Sinne: Es gibt auch Momente, da werde ich von ihr gebeten, meine Kleider abzulegen (lacht). Aber grundsätzlich würde ich nicht sagen, dass ich beim Anziehen so etwas wie Geschmack habe. Ich habe zwar ein paar Smokings, aber die werden nur bei Anlässen ausgepackt.
Wenn Sie z. B. einen Oscar gewinnen. So wie 1993 für „Der Duft der Frauen“?
Ja, damals brauchte ich so was. Das war ein unbeschreibliches Gefühl. Du stehst da oben, und die ganze Welt sieht dir zu. Es ist fast wie wenn du eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewinnst. Der Unterschied ist: Du musst für den Oscar nicht zum 100-Meter-Lauf antreten, sondern hast nur einen Film gedreht.
Was geht einem durch den Kopf, wenn nach „The Oscar goes to …“ der eigene Name verlesen wird?
Es ist in diesem Moment unmöglich, auszudrücken, was Sie ausdrücken wollen. Sie finden keine Worte und wissen in diesem Moment noch nicht, wie Sie sich dabei fühlen, das kommt erst später. Ich war damals in der Mitte von Dreharbeiten und stand unter Zeitdruck. Nach der Verleihung steckte man mich sofort in einen Privatjet, und am nächsten Tag war ich schon wieder am Set. Ich glaube, ich habe nicht ein einziges Interview nach dem Oscar gegeben. Ich durfte nicht mal auf eine Oscar-Party! Was ist denn das bitteschön für ein Scheiß?
Wie kreiert man eine oscarreife Performance? Was ist Ihr Rezept?
Als Schauspieler ist man immer am Beobachten. Man saugt möglichst viele menschliche Verhaltensweisen in sich auf. Ab einem gewissen Alter hat man da natürlich viel mehr Erfahrungsreichtum, aus dem man schöpfen kann. Das sollte intuitiv passieren. Man muss zulassen, dass die eigenen Instinkte die Situation einschätzen können, dann wird eine Performance gut. Wenn ich ganz ehrlich bin, gelingt das selten. Man versucht als Schauspieler die ganze Zeit, das Schauspielen aus einer Szene herauszubekommen, und man scheitert dabei sehr oft.
Werden Sie nostalgisch, wenn Sie an frühere Erfolge zurückdenken? An den „Paten“ zum Beispiel?
Oh ja, ich werde nostalgisch, weil ich komplett den Überblick über meine Karriere verloren habe. Ich habe ja keine Ahnung mehr, wo ich überall mitgewirkt habe! Ich war ein Teil dieser 70er-Jahre-Ära, die sich erst im Rückblick als eine Ära dargestellt hat. Die Zeit war einzigartig in der Filmgeschichte.
Hat Hollywood sich seither sehr verändert?
Und wie! Das alte Hollywood, wie ich es noch kannte, ist tot. Es existiert schon lange nicht mehr. Früher war das eine Gemeinschaft von Künstlern und Kreativen, die dort wirklich tolle Geschichten erzählt haben. Heute ist das leider alles dem finanziellen Interesse großer Medienkonzerne gewichen. Die interessieren sich nicht mehr für Filme, sondern nur mehr für Geld. Und andererseits pressen sie die Filme heute auf kleine Silberscheiben oder man streamt sie über das iPhone. Das ist doch bitte keine vernünftige Art, sich einen Film anzusehen! Was sieht man schon am iPhone? Nichts!
Zur Person
Geboren: 25. April 1940 in New York als Alfredo James Pacino.
Familienstand: Pacino ist derzeit mit Lucila Solá liiert. Sie ist 35, der Altersunterschied beträgt 39 Jahre.
Werdegang: Dank „Der Pate“ ist Pacino eine Ikone der 70er, er lehnte folgende Rollen ab: Han Solo in „Star Wars“, Ted Kramer in „Kramer vs. Kramer“ und Marlon Brandos Rolle in „Apocalypse Now“. Traumrolle: Egal, Hauptsache Shakespeare!