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Mehrere Menschen bei extrem heißen Temperaturen.
Laut Marcus Wadsak stehen wir am Beginn einer El-Niño-Phase.
Laut Marcus Wadsak stehen wir am Beginn einer El-Niño-Phase.
TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

Hitzewelle & Unwetter: Was uns heuer noch bevorsteht

01.08.2023 um 07:52, Simone Reitmeier
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Wetterextreme wie diesen Sommer hat ORF-Meteorologe Marcus Wadsak in Österreich noch nie beobachtet: "Wir haben uns vom alten 'normal' verabschiedet."

Meteorologe Marcus Wadsak leitet seit 2012 die ORF-Wetterredaktion und ist als Klimabotschafter im ganzen Land unterwegs. Will man etwas über das Wetter wissen, ist er die erste Adresse dafür. weekend.at hat mit ihm über aktuelle Wetterextreme gesprochen und nachgefragt, ob Hitzewellen und heftiger Unwetter in einigen Jahrzehnten die "neue Normalität" sein werden.

August: Hitzewelle unwahrscheinlich

weekend: Herr Wadsak, kommen wir gleich auf den Punkt: Müssen wir heuer noch mit weiteren Hitzewellen und schweren Unwettern rechnen?
Marcus Wadsak:
In den nächsten 10 bis 14 Tagen sehe ich keine Hitzewelle auf uns zurollen. In dieser Woche werden die Temperaturen weiter sinken, zum Wochenende hin kündigt sich eine kühlere Wetterphase an. Die Unbeständigkeit mit Regenschauern und Gewittern bleibt aber auch in den nächsten zwei Wochen erhalten. Eine Hitzewelle ist in der zweiten Augusthälfte noch möglich, aber eher unwahrscheinlich. Mit den sinkenden Temperaturen nimmt auch das Unwetterpotenzial ab. Starke Unwetter mit Hagel scheinen zumindest vorerst gebannt.

"Extremwerte brutal übertroffen"

weekend: Sind Extremwettersituationen, wie in den vergangenen Wochen, für Österreich noch normal?
Marcus Wadsak:
Was diesen Sommer betrifft, sind wir weltweit und in Europa weit von allem entfernt, was man als normal bezeichnen könnte. In Rom wurde die höchste jemals dort gemessene Temperatur um mehr als zwei Grad übertroffen. Wir übertreffen alte Extremwerte nicht mehr knapp, sondern wirklich brutal. Das Mittelmeer hat sich extrem aufgeheizt, und auch der Nordatlantik ist so warm, wie nie zuvor. Auf drei Kontinenten hatten wir enorme Hitzewellen. Damit haben uns vom alten "normal" verabschiedet.

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Marcus Wadsak vo reinem riesigen Globus.
Marcus Wadsak sagt, die aktuellen Wetterphänomene sind alles andere als normal.

weekend: Wird das die neue Normalität?
Marcus Wadsak:
Ausreißer und verrückte Wetterphänomen hat es immer gegeben, nicht aber in diesem Ausmaß und nur in Richtung Erwärmung. Da wir den Klimawandel immer noch nicht ausreichend bekämpfen und die Treibhausgasemissionen weiter steigen, werden diese Extreme in absehbarer Zeit zur neuen Normalität. Die Temperaturen steigen weiter, wir stehen am Beginn einer El-Niño-Phase. Das heißt, eine Meeresströmung hat sich umgedreht und die Erde heizt sich auf. Die aktuelle Erderwärmung ist zu 100 Prozent menschengemacht.

Die Temperaturen steigen weiter, wir stehen am Beginn einer El-Niño-Phase.

Marcus Wadsak, Meteorologe

Sommerurlaub im Süden

weekend: Außer Kontrolle geratene Brände, enorme Hitze. Glauben Sie, dass wir künftig noch Sommerurlaub im Süden Europas machen werden?
Marcus Wadsak:
Solche Waldbrände wüten in Griechenland oder auch Spanien jedes Jahr. Vor zwei Jahren war das auch in Österreich der Fall. Heuer hat es mit Rhodos allerdings ein sehr bekanntes Urlaubsziel getroffen. Ich glaube, dass es noch genug Menschen geben wird, die diese Mittelmeerländer trotz hoher Temperaturen aufsuchen werden. Ich merke aber auch, dass der Urlaub in Österreich und der Begriff Sommerfrische eine neue Bedeutung bekommen.

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weekend: Wo waren Sie heuer auf Urlaub? Haben Sie dort etwas von den extremen Wettersituationen mitbekommen?
Marcus Wadsak:
Ich habe klimaschonend Urlaub in Kärnten gemacht und am Wörthersee Unwetter erlebt, wo Hagel Dächer abgedeckt und Fenster eingeschlagen hat. Die Atmosphäre war aufgeheizt und energiegeladen, deshalb ist es zu solchen Extremwetterphänomen gekommen.

Marcus Wadsak lehnt an einem Baum.
"Für Schneesicherheit zu sorgen, wird immer teurer, wodurch das Skifahren endgültig zum Luxusurlaub werden wird. "

Blick in die Zukunft

weekend: Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie werden Ihrer Meinung nach unsere Sommer im Jahr 2050 aussehen?
Marcus Wadsak: Alles hängt davon ab, ob wir es endlich verstehen, richtig Klimaschutz zu betreiben. Machen wir weiter wie bisher, werden länger andauernde Hitze- und Dürrephasen sowie wildere Extremwetter bis 2050 auf alle Fälle einsetzen. Wir werden in Österreich 42 oder 43 Grad erleben, das klingt noch nicht dramatisch. Aber: Temperaturen über 35 Grad, die auch nachts nicht unter 25 Grad abkühlen, werden wir über drei Wochen lang haben. Hitzewellen dehnen sich aus, 30 Grad kommen schon im April und weit über den September hinaus vor.

weekend: Und die Winter?
Marcus Wadsak
: Im Winter wird es zwar noch Schnee geben, aber nicht mehr beständig in tieferen Lagen. Für Schneesicherheit zu sorgen, wird immer teurer, wodurch das Skifahren endgültig zum Luxusurlaub werden wird. Man wird sich auch daran gewöhnen müssen, dass Skifahren auf weißen Bändern in einer grünen Landschaft stattfindet.

Wir sind auf dem falschen Weg. Wenn wir so weitermachen, wird aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe, die nicht mehr aufzuhalten ist.

Marcus Wadsak, Meteorologe

weekend: Können wir das noch abfangen?
Marcus Wadsak:
Wir sind auf dem falschen Weg, wir haben weltweit und in Österreich immer noch steigende Emissionen. Wenn wir so weitermachen, wird aus der Klimakrise eine Klimakatastrophe, die nicht mehr aufzuhalten ist. Wir müssen jetzt beginnen, rasch und energisch sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen. Dann können wir das Schlimmste noch verhindern.

Klimaaktivisten: Forderungen "nicht so radikal"

weekend: Was halten Sie von den Aktionen der Klimaaktivisten?
Marcus Wadsak:
Diese Frage wird mir immer gestellt. Ich finde "Fridays for Future" eine sehr spannende Bewegung, bei der sich junge Menschen für eine gute Zukunft einsetzen. Zu den Klimaklebern habe ich keine Meinung. Aber ich finde es tragisch, dass wir so wenig Klimaschutz betreiben, dass sich manche Menschen gezwungen fühlen, zu solchen Maßnahmen greifen zu müssen. Ich habe das große Glück, im Fernsehen oder mit Büchern und Vorträgen über die Klimakrise aufklären zu können. Diese Möglichkeiten hat aber nicht jeder und so greifen unterschiedliche Menschen zu unterschiedlichen Methoden. Ob das richtig oder falsch ist, wird man erst später beurteilen können. Die Forderungen sind nicht so radikal, wie die Aktionen selbst. Die Aktivisten verlangen Tempo 100 auf der Autobahn. Eine Maßnahme, die schnell umsetzbar wäre und wirklich viel bringen würde.

>>> Deutliche Mehrheit für mehr Klimaschutzmaßnahmen

Ob das richtig oder falsch ist, wird man erst später beurteilen können.

Marcus Wadsak zu den Maßnahmen der Klimakleber

weekend: Unternimmt die Regierung Ihrer Ansicht nach genug gegen den Klimawandel oder könnte es mehr sein?
Marcus Wadsak:
Ich sehe Bemühungen, wünsche mir aber mehr. Denn in Österreich steigen die Emissionen, vor allem im Sektor Verkehr. Wir brauchen mehr Tempo beim Klimaschutz, um richtig in die Gänge zu kommen. Meiner Meinung nach geht immer mehr.

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