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Ein Mann versteckt eine Schusswaffe hinter seinem Rücken.
Der 24-Jährige muss sich wegen Mordversuchs am Landesgericht verantworten.
Der 24-Jährige muss sich wegen Mordversuchs am Landesgericht verantworten.
iStock.com/Diy13

Vier Schüsse auf Freund: 24-Jähriger vor Gericht

15.03.2024 um 14:42, Simone Reitmeier & APA, Red
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Ein 24-Jähriger musste sich vor Gericht verantworten, weil er mit einer Waffe viermal auf einen früheren Freund geschossen haben soll.

Weil er mit einer im Internet gekauften Pistole der Marke Browning, Kaliber 6,35 Millimeter vier Schüsse auf einen langjährigen engen Freund abgegeben hatte, hat sich ein 24-Jähriger am Freitag wegen Mordversuchs am Landesgericht verantworten müssen. Der Angeklagte und sein Verteidiger Mirsad Musliu verantworteten sich mit Notwehr. Das Opfer habe den 24-Jährigen in der Nacht auf den 13. Juni 2023 bei einem zufälligen Zusammentreffen am Paltramplatz in Favoriten angegriffen.

Angst vor einstigem Freund

Er habe sich nicht mehr anders zu helfen gewusst, als zu der Waffe zu greifen, die er sich aus Angst vor seinem einst besten Freund besorgt hätte, erklärte der Angeklagte einem Schwurgericht (Vorsitz: Petra Schindler-Pecoraro). Er sei nach der Entlassung des 28-Jährigen aus der Justizanstalt (JA) Stein, wo dieser wegen häuslicher Gewalt eine empfindliche Freiheitsstrafe abgesessen hatte, von diesem massiv bedroht worden. Der 28-Jährige soll dem Angeklagten vorgeworfen haben, sich während seiner Inhaftierung seinen Hund unter den Nagel gerissen und außerdem der Justiz verraten zu haben, dass dieser im Gefängnis ein illegales Handy besaß.

Warnschuss habe nichts genützt

"Ich glaube, er hat auf mich gewartet", schilderte der Angeklagte das für ihn unerwartete nächtliche Zusammentreffen. Er habe sogleich einen Faustschlag aufs Ohr bekommen und sei dann am Hals gepackt worden. Er habe sich losgerissen und einen Warnschuss in den Boden abgegeben: "Leider hat das nichts genutzt." Der Kontrahent habe ihn daraufhin nämlich "am Nacken gepackt", dann in die Hosentasche gegriffen und "Ich stech' dich ab!" geschrien. Plötzlich habe er "etwas Spitzes" - offenbar ein Messer – bei dem körperlich überlegenen Widersacher gesehen, sagte der 24-Jährige.

Tötungsvorsatz

"Mich hat die Angst und die Panik übermannt", betonte der Angeklagte. Daher habe er geschossen: "Ich habe Richtung Boden und Richtung Beine gezielt, dass ich ihn ja nicht töte." Der ebenfalls 28-Jährige erlitt Steckschüsse am linken sowie am rechten Oberschenkel, einen Streifschuss an der rechten Hüfte sowie einen Steckschuss im Bereich der linken oberen Wade. Die Staatsanwältin unterstellte dem 24-Jährigen Tötungsvorsatz. Jedermann wisse, dass sich in den Beinen wichtige Blutgefäße befänden. Hätte ein Projektil eine Arterie getroffen, hätte der Mann verbluten können, argumentierte die Anklägerin.

"Hätte ihm in den Kopf geschossen"

"Hätte ich ihn töten wollen, hätte ich ihm in die Brust oder in den Kopf geschossen", hielt dem der Angeklagte entgegen. Er habe die Waffe zuvor ausprobiert gehabt und im Rahmen von Schießübungen damit auf Bäume und Flaschen geschossen. "Ein normaler Mensch hat Angst, wenn er eine Schusswaffe sieht", fügte der 24-Jährige noch hinzu. Sein früherer Freund sei allerdings "noch aggressiver" geworden.

Hund gestohlen

Dieser stellte sich nach einer Mittagspause im Zeugenstand als körperlich deutlich kleiner als der Angeklagte heraus. Auch gewichtsmäßig dürfte ihm der 24-Jährige zumindest derzeit überlegen sein. Er habe bei der nächtlichen Begegnung vom Angeklagten "meinen Besitz zurückverlangt". Während er im Gefängnis saß, "hat er mir meinen Hund, meine Wohnungsschlüssel und 350 Euro gestohlen", sagte der 28-Jährige. Zu den inkriminierten Vorgängen wollte der Zeuge zunächst mit dem Verweis auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nichts sagen: "Ich kann mich nicht erinnern."

Auseinandersetzung auf Video

Daraufhin wurde im Gerichtssaal ein Video einer Überwachungskamera abgespielt, die die Auseinandersetzung aufgezeichnet hatte. "Da sehen Sie das eh. Was soll ich da noch sagen?", bemerkte der Zeuge in Richtung der Richterschaft. Er habe den Angeklagten nicht angegriffen, sondern festhalten wollen, um die Polizei zu rufen, weil er seinen Besitz zurückhaben wollte, bekräftigte er. Er habe deshalb in die Hosentasche gegriffen, um sein Handy herauszuholen. Da habe der Angeklagte geschossen: "Warum weiß ich nicht. Ich kann nicht in seinen Kopf reinschauen. Er hat's einfach getan." Auf die Frage, ob er nicht Angst vor der Schusswaffe gehabt hätte, meinte der Zeuge: "Wieso? Ich dachte nicht, dass er so dumm ist und schießt."

Urteil

Das Urteil wurde in den Abendstunden verkündet. Der 24-Jährige wurde am Wiener Landesgericht zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Anklage wegen versuchten Mordes verwarfen die Geschworenen einstimmig. Sie gingen von Putativnotwehr aus und sprachen den Angeklagten wegen grob fahrlässiger Körperverletzung schuldig. Den Ausgang der Verhandlung quittierten die Familie und Freunde des 24-Jährigen mit lautstarkem Applaus, Verteidiger Musliu wurde regelrecht abgefeiert. Im Fall einer anklagekonformen Verurteilung hätte der 24-Jährige mit einer Freiheitsstrafe zwischen zehn und 20 Jahren oder gar lebenslang rechnen müssen.

Dieser Artikel wurde zuletzt am 16. März um 08.47 Uhr aktualisiert.

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