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Porträt einer Frau mit Kreditkarte vor dem Laptop
Wenn der Warenkorb zum Verhängnis wird...
Wenn der Warenkorb zum Verhängnis wird...
Poike/ istock

Schulden-Falle Online Shopping: Opfer sind meist Frauen

07.04.2023 um 17:01, Andrea Schröder
min read
Bei Onlinehändlern verschulden sich mehr Frauen als Männer. Besonders riskant beim Online Shopping: Buy now, pay later – auch Kauf auf Rechnung genannt.

Jetzt kaufen, in 30 Tagen zahlen. Ein Handy auf Raten hier, ein schicker Mantel da, alles schnell online von der Couch aus bestellt. Die Folge: Schulden häufen sich schneller an, als man überhaupt Geld verdienen kann. 

Schulden? Klarna!

Eine treibende Kraft hinter dieser Entwicklung ist Klarna. Das Unternehmen bietet in zahlreichen Onlineshops Zahlung auf Rechnung und in Raten an. Die Kunden sind in der Mehrheit jung. In einer Studie mit 1.000 Befragten aus Österreich und Deutschland sagten 70 Prozent der 18- bis 34-Jährigen, sie würden  eine Finanzierung machen, um ein teureres Produkt shoppen zu können. Auf Instagram und TikTok ist es sogar schon zum mehr als fragwürdigen Trend geworden, mit seinen Klarna-Schulden anzugeben. 

Die große Versuchung

Ob auf Rechnung oder mit Kreditkarte bezahlt: Besonders Frauen geben der ständigen Versuchung, die das Onlinekaufen darstellt, allzu oft nach. Und verschulden sich dabei deutlich höher als Männer: Die durchschnittliche Schuldenlast in Internetshops beträgt

  • bei Frauen 779 Euro
  • bei Männern sind es 425 Euro
  • 23 Prozent der Männer hatten Zahlungsrückstände in Onlineshops
  • aber knapp 35 Prozent der Frauen (aktuelle Zahlen aus Deutschland)
Frau tippt in Laptop mit Onlineshop am Display
Schnell gekauft ist rasch verschuldet

Die Ursachen

Mehr als ein Viertel der Verbraucher, die 2021 Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle suchten, hatten offene Rechnungen bei Online- und Versandhändlern. „Häufig ist es eine Kombination aus regelmäßigem Konsum und fehlendem Finanzwissen beziehungsweise Überblick über die eigenen Finanzen,“ sagt Gudrun Steinmann. Sie ist Leiterin der Finanzbildung der Schuldnerberatung Wien, einem Service des Fonds Soziales Wien. "Wenn sich dann die Einnahmen reduzieren – etwa aufgrund von Arbeitslosigkeit – und sich die Ausgaben erhöhen – aktuell etwa durch die Teuerung –, dann geht es sich irgendwann nicht mehr aus.“ Und weiter:

Durch die aktuellen Teuerungen wird sich für sehr viele Menschen das Konsumverhalten ändern müssen.

Gudrun Steinmann, Schuldnerberatung Wien

Halb so schlimm? Doch!

Ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, muss so rasch wie möglich gehandelt werden. Kopf in den Sand stecken macht alles nur noch schlimmer. Denn was viele nicht wissen: Klarna-Schulden sind nicht nur ein akutes Problem, sondern können langfristig enorm schaden. Nämlich dann, wenn ein Inkassobüro eingeschaltet wird. In diesem Fall steht der finanzielle Ruf auf dem Spiel. Schlimmstenfalls stuft der Kreditschutzverband die Bonität herab. Und das heißt: Die Kreditwürdigkeit, etwa beim Kauf einer Immobilie, ist dahin. Denn bereits aufgenommene Kredite (nichts anderes ist Kauf auf Rechnung) und die aktuelle Schuldensituation spielen bei der Bonitätsprüfung eine wichtige Rolle.

Was tun?

Scham und Schuldgefühle müssen überwunden, ein Termin bei der Schuldnerberatung gemacht werden. Gudrun Steinmann: „Bei der Budgetberatung erstellen wir gemeinsam einen sehr detaillierten Einnahmen- und Ausgabenplan. Es gibt oft blinde Flecken, wo Leute nicht gerne hinsehen und dennoch regelmäßig viel Geld dafür ausgeben.“ Gemeinsam werde ein Überblick über die Finanzen und die Schuldenhöhe erstellt, dann Lösungsmöglichkeiten besprochen. Dazu können unter anderem ein außergerichtlicher Ausgleich, Stundung oder etwa ein Privatkonkurs zählen. Die Expertin: „Klar ist: Nach der Beratung dürfen keine neuen Schulden entstehen, also weder Kontoüberzug noch neue Ratenzahlungen. Nur so können die alten Schulden geregelt werden.

Das ausführliche Interview mit der Schulden-Expertin lesen Sie hier.

Probleme, die Klarna-Testimonials Paris Hilton und Bretman Rock wohl kaum nachvollziehen können...

Die Strategie

Wer (noch) nicht in die Schuldenfalle getappt ist, sich aber bei problematischem Onlineshopping ertappt: am besten sofort eine Pause einlegen – und den stationären Handel wiederentdecken. Ein Bummel durch Geschäfte, Beratung durch Profis (oder die Freundin, die einen begleitet) und nicht zuletzt das Anprobieren ersetzen oder verhindern so manchen spontanen Klick und sind ein nachhaltiges Erlebnis. Aber auch hier gilt: Das Budegt nie aus den Augen verlieren!

Eine weit verbreitete Taktik ist die der gefüllten, aber nicht gekauften Warenkörbe. Laut Statistiken liegt die Abbruchrate im Durchschnitt bei etwa 70 Prozent. Das bedeutet, dass von zehn Warenkörben nur etwa drei tatsächlich ausgecheckt, also gekauft werden. Warum? Weil schon das Aussuchen und Hinzufügen in den virtuellen Einkaufswagen Freude macht und das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Ohne einen Cent auszugeben …  

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