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Eiszapfen, die von einer Felsformation hängen, zeigen die Schönheit des Winters in einer ruhigen Waldumgebung
In Kanada herrscht historische Kälte. Temperaturen bis zu -60 Grad sind möglich.
In Kanada herrscht historische Kälte. Temperaturen bis zu -60 Grad sind möglich.
Senad Delalic/iStock

Bis zu -60 Grad: Gefährlichste Kälte seit Jahrzehnten

18.12.2025 um 12:02, Marcel Toifl
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In Kanada herrscht historische Kälte. Meteorologen warnen vor lebensgefährlicher Arktisluft und "Wind-Chills", die den Yukon fest im Griff hat.

In Kanada herrscht historische Kälte. Im Yukon zeigt das Thermometer minus 53 Grad. Derart tiefe Werte sind selbst für den Norden außergewöhnlich. Meteorologen sprechen von einem arktischen Ausbruch, ausgelöst durch eine massive Störung des Polarwirbels. Die extreme Kälte sorgt für Stromausfälle, gefährliche Windchill-Werte und gefrorene Landschaften, wie sie seit Jahrzehnten nicht mehr beobachtet wurden.

Rekordkälte im Yukon

In Braeburn in der Provinz Yukon messen Meteorologen am 12. Dezember minus 53 Grad Celsius. Laut dem kanadischen Wetterdienst ist das die niedrigste Temperatur zu diesem Zeitpunkt des Winters seit über drei Jahrzehnten. Das Portal „CBC“ berichtet von einer der kältesten Nächte seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch im US-Bundesstaat New York sanken die Werte: In Saranac Lake wurden minus 30 Grad gemeldet, wie „wetteronline.de“ schreibt.

Diplom-Meteorologe Dominik Jung erklärt dem „Münchner Merkur“, dass „arktische Kaltluft durch eine Störung des nördlichen Polarwirbels in Bewegung geraten“ sei. Normalerweise befindet sich dessen Zentrum über dem Nordpol, wo er kalte Luftmassen festhält. Wird der Wirbel aber geschwächt, „entstehen trog-artige Ausbuchtungen, die arktische Luft weit nach Süden treiben“, so Jung. Der Effekt trifft in diesen Tagen vor allem Kanada.

Polarwirbel gerät aus dem Gleichgewicht

Der Polarwirbel gilt als stabilisierendes Element des Winterwetters auf der Nordhalbkugel. Kommt es zu plötzlichen Erwärmungen über der Arktis, bricht die Zirkulation auf. In der Folge löst sich kalte Stratosphärenluft vom Zentrum über dem Nordpol. Meteorologen sprechen dann von einem „polar outbreak“. Die Folge: eisige Luftmassen stürzen nach Süden, über Alaska und Kanada hinweg bis in die Prärien von Alberta, Saskatchewan und Manitoba.

In diesen Regionen gelten derzeit Kältewarnungen. Der Windchill – also die gefühlte Temperatur – sinkt laut „CBC“ auf minus 60 Grad. Der kanadische Wetterdienst erwartet, dass die extreme Kälte mindestens bis Weihnachten anhält. Danach könne es kurz milder werden, ehe zum Monatsende ein neuer Temperatursturz drohe.

Kanadas Infrastruktur am Limit

Das Stromnetz vieler Orte steht am Rand der Belastungsgrenze. In Yukon und Nord-Alberta fallen Schulbusse aus, Heizsysteme laufen im Dauerbetrieb. Der stellvertretende Brandschutzbeauftragte Jonathon Mah warnt die Bevölkerung über „CBC“, Holzöfen nur mit trockenem Brennstoff zu betreiben. Feuchtes Holz könne Schornsteinbrände verursachen.

Die Menschen nehmen die historische Kälte in Kanada mit Gelassenheit. „Ich habe schon Schlimmeres gesehen“, sagt Sameer Kumal aus Whitehorse. Dennoch ist die Belastung enorm. Fahrzeuge versagen bei zweistelligen Minuswerten, Frostschutzmittel gefrieren, Batterien verlieren ihre Kapazität. Tiere suchen Schutz, in weiten Regionen kommt das öffentliche Leben fast zum Erliegen.

Blick nach Europa

Die Frage, ob sich die historische Kälte in Kanada nach Europa ausbreitet, beschäftigt Meteorologen auch diesseits des Atlantiks. Laut Dominik Jung ist „denkbar, dass ähnliche Kälteepisoden auch Europa erreichen, vor allem bei einer anhaltenden Schwächung des Polarwirbels“. Aktuell gebe es aber „keine Hinweise auf ein solches Extremwetterereignis in naher Zukunft“.

Der Deutsche Wetterdienst verweist auf die ausgleichende Wirkung des Atlantiks, der als Wärmepuffer fungiert. Solange westliche Strömungen stabil bleiben, bleibt Europa von arktischer Luft weitgehend verschont. Doch Experten beobachten die Lage aufmerksam. Sollte sich der Polarwirbel weiter abschwächen, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine spätere Kältephase auch über Mitteleuropa.

Die historische Kälte in Kanada gilt damit als Warnsignal für einen Winter, der noch viele Überraschungen bereithalten könnte.

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