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Rakete im All
22.589 Menschen haben sich zwischen März und Juni 2021 bei der ESA als Astronaut beworben. Darunter waren 464 Österreicher.
22.589 Menschen haben sich zwischen März und Juni 2021 bei der ESA als Astronaut beworben. Darunter waren 464 Österreicher.
VICTOR HABBICK VISIONS / Science Photo Library / Getty Images

Zukunfts-Renditen: Wettlauf ins All

16.07.2021 um 10:00, Klaus Schobesberger
min read
Milliardenschwere Unternehmer wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Richard Branson starten ab Juli ihre Reisen für Touristen ins All. Daneben revolutionieren Startups das Weltraum-Business. Ein interessanter Wachstumsmarkt - auch für Anleger.

Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir ­schreiben nicht das Jahr 2200, wie es im Intro zur legendären Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ aus den TV-Lautsprechern tönt. Die Menschheit dringt auch nicht mit Lichtgeschwindigkeit in unbekannte Galaxien vor, um neues Leben und neue Zivilisationen zu erforschen. Das Ziel im Jahr 2021 ist profaner: die Erdumlaufbahn. Dieses Jahr könnte dennoch einen Wendepunkt in der Raumfahrt markieren. Niemals zuvor standen die Chancen für private Unternehmen und Investoren so gut, mit Geschäftsmodellen jenseits der Schwerkraft mittelfristig Geld zu verdienen.

Unendliche Umsatzwelten

New Space oder Weltraum-Business 2.0 sind angesagt. Die Eroberung des Alls ist nicht mehr staatlich finanzierten Programmen und Weltraumagenturen wie Nasa oder ESA vorbehalten. Eine ­Reihe hochkarätiger Startups und privater sowie börsennotierter Unternehmen rüttelt mit ihren Innovationen eine selbstgefällig gewordene Branche wach. Noch stecken viele Entwicklungen in den Kinderschuhen, aber mit etwas Vorstellungskraft ist die private Raumfahrt ein Bereich mit exponentiellem Wachstum, das An­leger auf überdurchschnittliche Renditen hoffen lassen kann. Zu den bekanntesten Unternehmen zählt SpaceX von Elon Musk. Der 50-jährige Tesla-Gründer hat 2016 mit der wiederverwend­baren Rakete „Falcon 9“ ein neues Zeit­alter der Branche eingeläutet. Raketenstarts wurden seither um den Faktor 7 günstiger. Am 5. Mai stieg ein Prototyp der „Starship“-Rakete von SpaceX in zehn Kilometer Höhe und landete danach wieder sanft auf der Startanlage in Texas. „Starship“ ist eine Schwerlast-Rakete – die größte ihrer Art seit der „Saturn V“, mit der die „Apollo“-Astronauten zum Mond flogen. Die Nasa ist der wichtigste Auftrag­geber von SpaceX. Musk verfolgt mit „Starlink“ aber sein eigenes ehrgeiziges Projekt. Ziel ist eine globale Versorgung mit schnellem Internet über ein Satelliten-Netzwerk. Rund 1.800 „Starlink“-Satelliten wurden seit 2018 in die Erdumlaufbahn geschossen, das ist ein Viertel aller Satelliten im Orbit. 4.400 Satelliten werden benötigt, um Breitbandinternet in entlegenen Orten für Flugzeuge, Schiffe oder Lkw verfügbar zu machen. Nur rund zehn Prozent der Erdoberfläche verfügen über Handyempfang. Es ist daher ein vielversprechendes Geschäftsmodell – wenn auch nicht so aufregend wie der bemannte Weltraumtourismus. Am 15.  September will Musk die ersten Touristen ins All bringen.

Blue Origin
Blick aus der „Blue Origin“-Kapsel von Jeff Bezos. Der Amazon-Gründer finanziert alles aus eigener Tasche. Ticketpreise: ab 250.000 US-Dollar.

Ein Ticket für 250.000 Dollar

Der Weltraum-Tourismus ist echtes Neuland und die spektakulärste Innovation seit Jahren. Auf diesem Feld misst sich SpaceX mit Blue Origin von Amazon-Boss Jeff Bezos (57) und Virgin Galactic, gegründet 2004 von Richard Branson. „Think Big“ ist das Motto des 70-jährigen Selfmade-Milliardärs: „Wenn dich deine Träume nicht erschrecken, sind sie zu klein.“ Der britische Abenteurer, der bereits zu Eigen-PR-Zwecken mit einem Heißluftballon den Atlantik überquerte, erhielt von der US-Flugaufsicht Ende Juni grünes Licht, Touristen ins All zu schicken. Die Aktien der Weltraumfirma sind kurz darauf um bis zu 40 Prozent gestiegen. Rund 600 Tickets sollen laut Virgin Galactic bereits verkauft sein. Es ist eine Aufholjagd ins All: Branson will noch vor seinem Rivalen Jeff Bezos starten, der seinen Jungfernflug für den 20.  Juli bekannt gegeben hat. Die Ticketpreise für bis zu zwei Stunden im suborbitalen Raum bewegen sich zwischen 250.000 und 500.000 Dollar. Für exorbitant teure Weltraumausflüge ist die Nachfrage offenbar groß. Die Schweizer Bank UBS sagt der Branche mittelfristig ein Volumen von drei Milliarden Dollar voraus. Die Prognose kann stimmen – oder sich auch als Science-Fiction erweisen. Denn gegenwärtig verbrennen diese Unternehmen sehr viel Geld. Bezos, mit 198 Milliarden US-Dollar Vermögen laut „Forbes“ der reichste Mensch der Welt, finanziert sein Unternehmen Blue Origin aus der eigenen Tasche und mit dem Verkauf von Amazon-Aktienpaketen. Ähnliches gilt für Elon Musk – er ist mit 151 Milliarden US-Dollar Vermögen weltweit die Nummer 2. Branson hat mit 5,4 Milliarden Dollar „nur“ rund ein Fünftel des Vermögens von „Red Bull“-Gründer Mateschitz und wirkt im Vergleich zu Jeff Bezos fast bedürftig.

„Spac“takuläre Finanzierungen

Geld holt sich Branson von Investoren wie dem Staatsfonds Mubadala aus den Emiraten und dem US-Investor Chamath Palihapitiya, einer der schillerndsten Figuren am Spacs-Markt, die Virgin Galactic mit einem dieser innovativen Finanzierungsvehikel 2019 an die New Yorker ­Börse brachte. Hinter den „Special Purpose Acquisition Companies“ (SPACs) stehen hochriskante Wetten auf Gewinne in der Zukunft von Unternehmen in der Entwicklungsphase und ohne ­nennenswerte Umsätze. Es ist der schnellste Weg für Startups an die Börse. Im Aktien-Rausch des Vorjahres wurden 248 Spac-Börsengänge verzeichnet – darunter befanden sich auch einige Flops wie Elektro-Lkw-Hersteller Nikola. Die ­kapitalintensive ­private Raumfahrt wurde durch den Spac-Boom jedoch revolutioniert. Laut dem Londoner Analyse-Dienstleister IHS Markit warten Spac-Transaktionen im Wert von 10 Milliarden Dollar auf ihren Abschluss. Darunter sind die Raketenstart-Spezialisten Rocket Lab und Astra, die Satellitendaten-Analysefirmen Black­ Sky und Spire Global sowie Momentus, das dafür sorgt, dass Satelliten von der Trägerrakete in die richtige Position in den Orbit gebracht werden. Richtig „oldschool“ ist im Vergleich dazu SpaceX, das bei der letzten Finanzierungsrunde im April mit 74 Milliarden US-Dollar bewertet wurde. Das Unternehmen gilt als drittwertvollstes Startup der Welt.

Aufbruchsstimmung in Europa

Auch in Europa herrscht Aufbruchsstimmung – etwa in Deutschland. Ende des Vorjahres eröffnete der Kleinraketen­hersteller Isar Aerospace seine Fabrik in der Nähe von München, Konkurrent Rocket Factory produziert seit Februar in Augsburg und Mynaric, ein Startup, das sich auf abhörsichere Laserkommunikations-Plattformen spezialisiert hat, startete kürzlich mit einer 1.600 Quadratmeter großen Produktionshalle in Bayern. In Österreich hat die börsennotierte FACC, ein weltweit führender Systemlieferant von Leichtbaukomponenten, bekannt gegeben, ins Weltraum-Business einzusteigen. „Der Raumfahrtmarkt hat ein jährliches Volumen von 200 Milliarden US-Dollar, das bis zum Ende der Dekade auf 900 bis 1.000 Milliarden Dollar anwachsen wird“, sagt Robert Machtlinger, CEO von FACC. In der Schweiz fliegt das Startup Astrocast mit Sitz in Lausanne per Direct Listing an die Börse. Das Unternehmen schießt Nano-Satelliten ins All und bringt damit das Internet of Things (IoT) zum Laufen. Mittlerweile sind fünf Mini-Satelliten der Schweizer im Orbit. Im Jahr 2024 soll das Netzwerk mit 100 Satelliten komplett sein. Dass Satelliten immer kleiner, billiger und leistungsfähiger werden, ist der Smartphone-Industrie zu verdanken, die die Elektronik miniaturisiert hat.

Von ESA bis ETFs

Ein weiterer wichtiger Punkt sind aktive nationale Raumfahrtprogramme wie jene in Indien, China oder Europa. Am 22. Juni war der offizielle Start des neuen Raumfahrtprogramms der Europäischen Union. Die EU wird im Zeitraum bis 2027 fast neun Milliarden Euro für die ESA zur Verfügung stellen. Die vom österreichischen Weltraumforscher Josef Aschbacher geleitete Weltraumbehörde ist damit wichtiger Auftraggeber für die Industrie, die „Systeme und Programme der neuen Generation“ entwickeln soll. Die EU dürfte im Weltraum auch ihre regulatorische Rolle ausleben, wo laut Aschbacher derzeit eine Art „Wildwest“-Situation vorherrscht. Allein die im Jahr 2020 gestarteten Satelliten entsprechen der Menge, die im gesamten ­vorherigen Jahrzehnt in den Orbit befördert wurde. Hier brauche es Koordination. Übersichtlicher sind derzeit dafür die Anlagemöglichkeiten. Die französische Fondsgesellschaft LFDE hat im Juni die Zulassung des „ersten europäischen Weltraumfonds“ namens „Echiquier Space“ in Deutschland und Österreich bekannt gegeben. Ein direktes Engagement in die Raumfahrt bietet für europäische Anleger seit Mitte Juni unter dem Kürzel „Yoda“ auch der Raumfahrtfonds Procure Space Ucits ETF. Der Index enthält rund 30 Unternehmen. ETFs (Exchange Traded Fund – zu Deutsch: börsengehandelter Fonds) gelten wegen der geringen Gebühren als Lieblinge der Kleinanleger und konzentrieren sich auf bestimmte Anlagethemen. Neu ist auch der ARK Space Exploration & Innovation ETF (ARKX) der Firma ARK Invests, geleitet von der US-Investment-Legende Cathie Wood. Auch die Schweizer Bank Vontobel bietet ein Zertifikat namens „Space Technology Index“ an. Zeit also zum Abheben für Privatanleger.  

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