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Verschlägt es uns die Sprache(n)?

26.02.2024 um 12:17, Jürgen Philipp
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KI-Tools übernehmen Übersetzungen, Smartphones funktionieren als Simultandolmetscher. Können Sprachschulen da überhaupt noch überleben?

Das Deutsche Institut für Normierung führte auf seiner Website einen Beispieltext für eine nicht normgerechte Bedienungsanleitung eines chinesischen Produzenten an: „Mit sensazionell Modell GWK 9091 Sie bekomen nicht teutonische Gemutlichkeit für trautes Heim nur, auch Erfolg als moderner Mensch bei anderes Geschleckt nach Weihnachtsganz aufgegessen und länger, weil Batterie viel Zeit gut lange“, und zwar um: „Zu erreischen Gluckseligkeit unter finstrem Tann.“ Weiters: „Auspack und Freu“, und schließlich: „Für neue Batterie alt Batterie zurück für Sauberwelt in deutscher Wald.“ Viele dieser „Gebrauchsanleitungen“ brachten uns zum Lachen. Damit ist seit einiger Zeit Schluss. Schriftliche Übersetzungen wurden dank digitaler Tools wie Google Translate oder DeepL fast fehlerfrei. Die KI-Video-Plattformen Synthesia oder HeyGen gehen einen Schritt weiter. Sie erstellen einen AI-Klon eines Erzählers. Der CEO eines Unternehmens kann also ein Imagevideo in Deutsch einsprechen, sein täuschend echter Avatar kann den Text in anderen Sprachen wiedergeben.

Mein Smartphone, der Simultandolmetscher
Damit drängt sich die Frage auf, ob man heute überhaupt noch Sprachen lernen muss. Tools wie Rask, LiveVoice oder Modernmt ermöglichen Simultanübersetzungen mittels Smartphone. Udo Krainhöfner, Geschäftsführer der Sprachschule inlingua Linz, sieht diese Entwicklungen mittelfristig entspannt: „So lange man ein Tool in die Hand nehmen muss, ist es mühsamer zu kommunizieren. Um ein Essen in einem Restaurant zu bestellen, passt das gut, doch es fehlen die Flexibilität und das Zwischenmenschliche.“ Bei einer geschäftlichen Verhandlung wäre diese Form ein No-Go. Auch der Zugang, Sprachen zu lernen, wird digitaler. Der Berliner Sprachdienstleister Babbel erlebt derzeit ein noch stärkeres Umsatzwachstum als während der Pandemie. Immer mehr Menschen rüsten sprachlich auf, um in Zeiten von Wirtschaftskrisen ihre Qualifikationen zu erhöhen, meint Firmenchef Arne Schepker im Handelsblatt. Schepker sieht zudem gerade den KI-Hype als Booster für vermehrtes Interesse an gutem Englisch.

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Digitale Tools als Bereicherung
Wie heben sich analoge Sprachschulen von den digitalen Anbietern ab? „Der Punkt ist, dass wir sehr individuell auf unsere Kunden eingehen. Wir bieten komplette Problemlösungen im Firmenbereich und legen kein Programm quer darüber, sondern können ganz gezielt die Anforderungen unserer Kunden erfüllen“, kontert Krainhöfner und ergänzt: „Jeder, der online Sprachen lernt, wird früher oder später in der Sprachschule landen. ­Digitale Tools sind für uns daher eine Bereicherung, keine Konkurrenz.“ Kurz- und mittelfristig sieht er daher keine Gefahr – KI hin oder her: „Langfristige Entwicklungen sind natürlich schwer zu prognostizieren. Bei schriftlichen Übersetzungen gibt es ­tolle Entwicklungen, aber man muss sie trotzdem immer wieder kontrollieren, denn KI verallgemeinert und daher können Übersetzungen im Speziellen falsch sein.“

 

Jeder der online Sprachen lernt, wird früher oder später in der Sprachschule landen. Digitale Tools sind für uns daher eine Bereicherung keine Konkurrenz.

Udo Krainhöfner, Geschäftsführer inlingua Sprachschule Linz

Parlez-vous Deutsch?
Derzeit brummt das Geschäft. „Es gibt einen Wandel in der EU. Deutsch als Fremdsprache wird immer wichtiger.“ Dieser Trend lässt sich bei der international tätigen inlingua quer durch alle europäischen Länder feststellen. „Die Bedeutung von Französisch nimmt immer mehr ab. Es gibt eigentlich nur noch zwei Motivationen, Französisch zu lernen. Entweder man arbeitet in Brüssel, da ist es noch immer die soziale Sprache, oder es ist schier die Freude an Französisch.“ Deutsch als Fremdsprache wird zudem zum Integrationsfaktor. „Es gibt sprachliche Anforderungen an Migranten in Österreich. Sie müssen gewisse Qualifikationsstufen schaffen. Deutsch als Fremdsprache ist daher für uns genauso wichtig wie Englisch.“ Auch Unternehmen qualifizieren ihre ausländischen Mitarbeiter auf. „Das sind nicht nur klassische Expats in Führungspositionen, sondern ganz normale Arbeiter und vor allem Lehrlinge.“ In gewissen Branchen wie im Speditionswesen sind die meisten Lehrlingen nicht mit Deutsch als Muttersprache aufgewachsen. „Lehrlinge werden sehr gut gefördert. Firmen müssen für sie fast kein Geld in die Hand nehmen.“

 

Udo Krainhöfner
Sprachschulen boomen trotz KI und Digitalisierung. Deutsch als Fremdsprache ist mittlerweile genauso gefragt wie Englisch, schilder Udo Krainhöfner.

Heraus mit der Sprache
Und wie sieht es mit anderen Sprachen aus? Wer eine romanische Sprache erlernen möchte, dem rät Krainhöfner zu Italienisch: „Es gibt starke wirtschaftliche Kontakte nach Italien, wir fahren dort gerne in den Urlaub und es ist eine gute Basis, um auch relativ leicht Spanisch zu lernen.“ Außerhalb der europäischen Sprachen ist Chinesisch interessant, führt aber immer noch ein exklusives Nischendasein. „Es wird nicht breit nachgefragt. Wer es beherrscht, hat aber sehr gute berufliche Chancen, dennoch scheuen viele davor zurück.“ Russisch – nach der ­Wende eine echte Boom-Sprache – ist immer noch gefragt. „Weil es fast überall in Osteuropa und natürlich auch in der Ukraine gesprochen wird. Es wird also nicht bedeutungslos, wenngleich die Nachfrage zurückgeht.“ Denn auch in russischsprachigen Gebieten ist Englisch mittlerweile Standard. Wie überhaupt Englisch ­heute in der Geschäftswelt unabdingbar ist. „Firmen versuchen, generell das Gesamtniveau in Englisch zu heben.“ ­Crashkurse sind dabei kein Thema mehr. „Das war vor 30 Jahren so. Heute sind es breit angelegte Schulungen, auch für den Innendienst.“ Schulenglisch reicht da oft nicht aus. „Das wirtschaftliche Vokabular muss man selbstverständlich beherrschen. Im Wesentlichen geht es aber um die Verbindungen, wie ich dieses Vokabular grammatikalisch richtig einsetze.

Arne Schepker
Der Gründer des Onlinesprachdienstes Babbel, Arne Schepker, verzeichnet einen höheren Zulauf an Neukunden als während der Boomzeit in der Pandemie.

My English is not the yellow from the egg
Englisch bleibt klar die Nummer eins. Rund 1,5 Milliarden Menschen sprechen es als Mutter- oder Zweitsprache, 400 Millionen mehr als Mandarin und sogar 900 Millionen mehr als die Nummer drei Hindi. In manchen Unternehmen wie in Forschungseinrichtungen oder IT-Firmen ist Englisch auch hierzulande Konzernsprache. Kürzlich forderte die Dynatrace-Mitgründerin Sok-Kheng Taing beim wirtschaftspolitischen Jahresauftakt des Landeshauptmanns, dass Englisch mehr zur Selbstverständlichkeit wird. „Österreich liegt bei der Englischkompetenz im Mittelfeld. Die skandinavischen Länder und die Niederlande sind da deutlich weiter“, so Udo Krainhöfner. Englischsprachige Studienangebote sind mittlerweile keine Seltenheit mehr, auch Masterarbeiten werden internationaler. „Englischkenntnisse sind ein Muss. Es gibt kaum einen Job, wo sie nicht gefordert werden.“ Für Krainhöfner sind Sprachen jedenfalls ein verbindendes Element, ob mit KI oder analog erlernt. Einen klaren Vorteil sieht der inlingua-Linz-Geschäftsführer beim Face-to-Face-Lernen mit Native Speakers in der Sprachschule: „Die Integration gelingt leichter, weil ich nicht nur eine Sprache erlerne, sondern auch die Kultur dahinter.“

 

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