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Bild von Kaiser Joseph II.
Auf Joseph II. geht das Tabakmonopol, die Tabakregie und die Bevorzugung von Menschen mit Behinderungen zurück. Der Regent erfand auch das Wort „Trafik“.
Auf Joseph II. geht das Tabakmonopol, die Tabakregie und die Bevorzugung von Menschen mit Behinderungen zurück. Der Regent erfand auch das Wort „Trafik“.
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Trafiken: Von Joseph II. in die Zukunft

03.07.2023 um 14:36, Jürgen Philipp
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Die Organisation von Trafiken geht auf Joseph II. zurück, sie stehen heute noch unter Monopolverwaltung und verfolgen eine sozialreformerische Idee.

Eine Million Kunden täglich (und damit hinter REWE, SPAR und Hofer an vierter Stelle), 3,6 Milliar­den Euro Brutto-Tabakwarenumsatz und rund 19.000 Mitarbeiter. Die Rede ist nicht von einem Handelskonzern oder einer Fast-­Food-Kette, sondern vom Tabakmonopol bzw. der Monopolverwaltung GmbH (MVG), dem Konzessionsgeber heimischer Trafiken. Wenn Sie nun denken, Monopole würden sich den Markt nach Belieben richten, dann bedenken Sie, dass das Tabakmonopol 75 Prozent des Umsatzes (2,7 Mrd. Euro) an Steuern abführt. Dass ausgerechnet ein „Monopol“, das zu 100 Prozent im Besitz des Staates steht, eine solche Steuerlast zu tragen hat, geht auf Joseph II. zurück. Der Sozialreformer gründete 1784 das Tabakmonopol: Anbau, Gewinnung, Herstellung und Handel von Tabakwaren waren ausschließlich dem Staat vorbehalten. Die „Tabakregie“ war geboren und gleichzeitig eine Wortschöpfung des Regenten: „Trafik“. Als Joseph II. jenes Tabakmonopol erließ, fand sich im entsprechenden Dekret das Wort als Ableitung des italienischen „traffico“, was übersetzt „Handel“ heißt. Das Produktionsmonopol ist zwar gefallen, das Handelsmonopol blieb aber, und das hat seine Gründe.

Weltweit einzigartig: Inklusion bevorzugt


Doch nicht nur die Etymologie entsprang den Gedankengängen des Monarchen, sondern auch eine damit verbun­dene sozialreformerische Idee: Kriegsopfer und schuldlos verarmte Beamte bekamen Tabakverkaufsbewilligungen. 239 Jahre später verkaufen Trafiken neben Tabakwaren, Zeitungen, Magazine, Brieflose, Schreibwaren und per Terminal Lottoscheine oder auch Konzerttickets, und dennoch blieb man der sozialen Idee Josephs treu. „Ursprünglich leitet sich das Monopol aus der fiskalpolitischen Ausrichtung ab. Mittlerweile gibt es eine weitere Argumentation, die weltweit einzigartig ist, und zwar die sozialpolitische Argumentation“, erzählt Hannes Hofer, Geschäftsführer der MVG. 1.228 Menschen mit Behinderungen gründeten damit ihre unternehmerische Existenz. „Wir sind das größte inklusive Unternehmernetzwerk in Österreich.“ Tradition seit 1784, die man in die Zukunft transferiert. Wie das gelingt, verrät Hofer im Interview.

MVG-Geschäftsführer Hannes Hofer
MVG-Geschäftsführer Hannes Hofer vergibt Trafik-Konzessionen an Menschen mit Behinderung. Die Auswahl der Bewerber wird vom Sozialministerium getroffen.

Trafiken sind eine Art analoger Influencer

Interview. Wie bringt man 1.228 Menschen mit Behinderungen zur Selbstständigkeit? Wie begegnen Trafiken Digitalisierung, Printkrise oder Tabakverboten, und kommt gar die sagenumwobene „Haschtrafik? MVG-Geschäftsführer Hannes Hofer bringt einige überraschende Antworten.

CHEFINFO: Wieso darf man sich in einer EU des freien Warenverkehrs noch Monopol nennen? Ist das nicht ein „böser“ Name bzw. gab es Anläufe, sich umzubenennen?
Hannes Hofer:
Warum Monopol? Es gibt auf der einen Seite der Skala völlig harmlose Produkte wie Wasser und Milch etc., auf der anderen Seite gefährliche Produkte, wie etwa schwere Drogen. Bei den harmlosen gilt der völlig freie Warenverkehr, bei den anderen gibt es Verbote. Man darf sie nicht verkaufen. In dieser Skala und in jeder Kultur anders definiert, gibt es auch „sensible Genusswaren“, die nicht jedes Kind kaufen soll. Bei diesen sensiblen Genusswaren finden wir es wichtig, dass es regulierte Märkte gibt. Normalerweise kaufen wir Produkte an möglichst vielen Plätzen zu möglichst günstigen Preisen, bei sensiblen Genusswaren gibt es aber eine gesundheitspolitische Komponente. Sie werden an weniger Standorten angeboten und die Preise sind nicht so günstig wie möglich. Das wirkt als Eintrittsbarriere. Das Monopol argumentiert man daher stark über die gesundheitspolitische Ausrichtung.

Gibt es solche Monopole auch in anderen Ländern?
Hofer: Ja, es gibt sie in Ungarn, ­Italien, Spanien und Frankreich. Die ­Märkte sind oft reguliert, aber man verwendet den Namen Monopol nicht. In Skandinavien gibt es etwa ein Alkoholmonopol. Alkoholische Getränke können nur in gewissen Liquor Stores gekauft werden. Selbst in den so liberalen USA ist das ähnlich. Man erlebt diese Regulierungen überall. Die WHO sagt, dass diese Form von Regulierungen ein wichtiges Instrument ist, um etwa das Thema Raucher zu managen. Ungarn hat das Monopol übrigens erst 2013 eingeführt. In Österreich gibt es natürlich auch noch das Glücksspielmonopol, bei dem unsere Trafiken auch eine wichtige Rolle spielen.

Seit der Gründung 1784 spielt Inklusion eine zentrale Rolle in der MVG. Wie kommt man eigentlich zu einer Trafik und kann man diese auch vererben?
Hofer:
Der entscheidende Aspekt ist der Grad der Behinderung. Den prüfen aber nicht wir, sondern das Sozialministeriumservice stellt den Bescheid einer „begünstigten Behinderung“ aus. Die Person muss die Trafik eigenständig führen können, dazu gibt es einen standardisierten Eignungstest, den man bestehen muss. Natürlich haben nur ganz wenige Bewerber Handelserfahrung. Wir haben deshalb ein zweistufiges Ausbildungsprogramm – die Trafikakademie. Nach dem Basismodul und nach einem Jahr als Trafikant folgt das Aufbaumodul. Unsere Trafikanten werden auf die unternehmerische Aufgabe genau vorbereitet. Schulungstrafikanten betreuen sie weiter und bilden sie aus. Der Staat hat das alleinige Recht, Tabakwaren zu verkaufen, und dieses Recht vergeben wir in Form von Konzessionen. Jede Trafik wird öffentlich ausgeschrieben. Bekommt man den Zuschlag, erhält man eine Konzession. Dabei wird immer der Bedürftigste, der in der Lage ist, eine Trafik zu führen, bevorzugt. Das Thema Vererben bzw. Weitergeben soll neu geregelt werden. Eine Person mit Behinderung, die eine Trafik führt, führt sie meist nicht alleine, sondern typischerweise auch mit Unterstützung Angehöriger. Wenn der Konzessionsinhaber ausscheidet, also in Pension geht oder verstirbt, dann soll die Person, die bisher geholfen hat, die ­Trafik auch selber weiterführen. Das ist gerade in Begutachtung.

Wenn wir in Österreich über Hanf diskutieren, diskutieren wir ganz aktiv mit, etwa, wie so etwas ausgestaltet sein könnte.

Hannes Hofer

Warum dürfen dann Supermärkte oder Tankstellen Tabakprodukte verkaufen?
Hofer:
Eine Trafik bezeichnen wir als Tabakfachgeschäft. Überall dort, wo sich ein Fachgeschäft nicht rechnet, darf auch ein Greissler oder Nahversorger – nach dem Erwerb der Konzession – Tabakprodukte verkaufen. In Gastronomie und auf Tankstellen gibt es den Sonderfall, dass Tabakwaren verkauft werden dürfen, allerdings mit einem 10-prozentigen Aufschlag.

Das Umfeld für Trafiken als Nahversorger hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Lotto kann man online spielen, Konzertkarten (Trafik+) online kaufen, Zigaretten gibt es im Automaten bzw. wird der Tabakkonsum bis 2030 wohl stark eingeschränkt werden, dazu droht eine Krise am Printmarkt. Was bleibt den Trafiken künftig bzw. welche Strategien gibt es, um ihr Überleben zu sichern?
Hofer: Unter sensiblen Genusswaren hat man früher nur Tabak verstanden. Die einzige Innovation war es, dass irgendwann einmal ein Filter auf Zigaretten kam. Heute leben wir in viel innovativeren und spannenderen Zeiten. Es gibt Tabakerhitzer, die mittlerweile einen Marktanteil von 7 Prozent haben, es gibt E-Zigaretten oder Nikotin Pouches, also einige Innovationen bei den sensiblen Genusswaren. Unsere zweite Strategie ist es, die Struktur an die Standorte und an die Entwicklung anzupassen. Wenn Verkaufsstellen aufhören, bringen wir Automaten an, was wieder dem Betreiber Einnahmen bringt. Das dritte Thema kommt von den Trafikanten selbst. Sie sind oft letzter Nahversorger und bieten etwa Coffee to go, Eis und andere Produkte an.

MVG-Geschäftsführer Hannes Hofer
Die österreichischen Trafiken gehen auf Joseph II. zurück: 75 Prozent der Befragten (60 Prozent bei Nichtrauchern) sagen: Trafiken sind Teil unserer Tradition.

In Deutschland gibt es gerade eine Debatte über die Legalisierung von Marihuana. In Österreich kommt immer wieder der Terminus der „Haschtrafiken“ auf. Gesetzt den Fall es käme zu einer Legalisierung von Hanfprodukten, wäre es denkbar, dass diese in Trafiken verkauft werden könnten?
Hofer: Wir glauben, dass die Trafikanten diejenigen sind, die sich mit sensiblen Genusswaren sehr gut auskennen. So ist der Jugendschutz in der DNA der Trafikanten eingebrannt. Wenn wir in Österreich über Hanf diskutieren, diskutieren wir ganz aktiv mit, etwa, wie so etwas ausgestaltet sein könnte. 

Gibt es Studien oder Untersuchungen, wie wichtig den Österreichern die Trafiken sind?
Hofer: Wir glauben, dass eines der größten Assets von Trafiken der Gegentrend zum Digitalen ist. Trafiken sind eine Art analoger Influencer. Man kauft ein, plaudert, führt Schmäh und das wollen wir nicht ändern. 2019 haben wir eine größere Studie durchgeführt und die Kunden gefragt: 75 Prozent der Kunden sagen, Trafiken sind Teil der Tradition, Raucher sehen das noch stärker, aber sogar 60 Prozent der Nichtraucher stimmen dem zu. Wenn Stand­orte geschlossen werden müssen, gibt es fast immer Interventionen der Bürgermeister. So unpopulär das Rauchen ist, so gerne will man eine Trafik in der Gemeinde halten. 

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