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SAP und Co. - Unternehmens-Update

04.04.2024 um 08:30, Michael Schwarz
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Unternehmer müssen oft hohe Risiken eingehen, um bei der digitalen Transformation nicht zurückzufallen. Wir zeigen Ihnen wie man die Stolpersteine umgeht.

Damit Unternehmen immer am aktuellen Stand bleiben, benötigen sie gelegentlich ein Update. Ohne die Software, die Geschäftsprozesse wie Einkauf, Personalwesen oder Finanzen steuert, würde das Unternehmen drohen, abzustürzen. Um nicht Gefahr zu laufen, eines Tages durch veraltete Systeme einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, investieren Unternehmen intensiv in ihr IT-System. Kein Wunder, dass die Aktien des ­„Enterprise Resource Planning“-Weltmarktführers SAP Anfang März ein Rekordhoch erlebten. Doch eben das Ende des alten Softwaresystems dieses ERP-Giganten droht nun, Unternehmen in die Bredouille zu bringen. Und auch in der Vergangenheit ist nicht immer alles rund gelaufen bei großen ERP-Projekten.

Software als Millionengrab
Davon, dass sich Softwareeinführungen als teuer und zeitintensiv herausstellen können, wird so mancher Unternehmer wohl ein Lied singen. Laut Handelsblatt kostet rund die Hälfte der Projekte mehr und dauert länger als geplant. Andere Schätzungen liegen sogar noch höher. Besonders Unternehmen mit hohem Umsatz sehen die Digitalisierung als Chance, wie eine EY-Studie zeigt, doch von eben jenen Big Playern weiß man von gescheiterten ERP-Projekten. 2018 wurde bekannt, dass Lidl mehr als eine halbe Milliarde Euro in sein individuelles SAP-Warenwirtschaftssystem gesteckt hatte. Letztlich musste das Projekt nach sieben Jahren abgebrochen werden, und man entschied, stattdessen das bisherige System weiterzuentwickeln. Die Nieder­lage Lidls ist wohl die ­fulminanteste, aber zahlreiche große Unternehmen wie der Otto-Konzern oder die Deutsche Bank mussten in der Vergangenheit das Scheitern ihrer ERP-Einführungen eingestehen. In seltenen Fällen wird die Softwareumstellung gar zum Insolvenz­grund, wie im Herbst beim deutschen WBG-Verlag. In die Karten ­schauen lässt sich wohl niemand so gerne, aber die Menge an ERP-Projekten, die im Sand verliefen oder zumindest mit Turbulenzen einhergingen, ist wohl größer, als wir wissen.

Richard Simmer

Im Projektteam braucht man Fürsprecher und keine Gegner.

Richard Simmer, CEO Informatics, Consulting & Development

Der Richtige fürs Team
Die Mitarbeiter müssen bei Softwareeinführungen definitiv frühzeitig eingebunden werden. Das sichert einen reibungsloseren Übergang, zeigt aber auch Schwachstellen im System frühzeitig. So kann ein böses Erwachen wie im Klinikum Schärding vermieden werden. Im vergangenen Sommer haben sich 59 ­Ärzte gegen die Einführung des Pa­tientendokumentationssystems gestellt und in einem Brief sogar eine „Gefährdung der Patientensicherheit“ genannt. Für SAP-Projekte weiß Richard Simmer, CEO von Informatics Consulting & Development, aus Erfahrung, was es braucht: „Wichtig ist, dass das interne Kern-Projektteam früh mit Schulungen startet, damit es das Produkt schnell versteht.“ Außerdem sollte man Menschen finden, die die Vorteile an der Umstellung erkennen und ihr enthusiastisch entgegensehen. „Im Projektteam braucht man Fürsprecher und ­keine Gegner. Es sollen Leute sein, die offen für Veränderungen sind, das Unternehmen kennen und die Vorteile der neuen Software in den Vordergrund stellen.“ Auch Projekt-Marketing kann letztlich den Umstellungsprozess verbessern. Ein Kick-off-Meeting außerhalb der Firma oder die Festlegung eines Projektnamens sind simple Maßnahmen, die eine Identifikation der Mitarbeiter mit dem Projekt erleichtern. Am Ende muss den Projektmitgliedern auch die nötige Zeit gegeben werden, damit sie sich voll auf die neue Software konzentrieren können. Simmer erzählt, dass das in der Praxis oft schwierig ist: „Der Klassiker ist, dass Angestellte schon eine hohe tägliche Arbeitslast haben, und dann kommt SAP noch obendrauf. Das kann in Extremfällen bis zum Burn-out führen.“

Projektarbeit
Projektmitglieder sollten offen für Veränderungen sein, jedoch vertraut mit den internen Prozessen.

Not zur Kür
„Never change a running system“ ist zumindest für SAP-Kunden bald keine Option mehr. 2030 stellt der ERP-Weltmarktführer die Wartung von der aktuellen Business Suite SAP ECC ein und bereits 2027 wird sie kostenpflichtig. Nutzer sind daher regelrecht gezwungen, Alternativen zu erforschen. Die Komplexität eines solchen Unterfangens treibt so manchem CEO jedoch Schweißperlen auf die Stirn. Das liegt daran, dass die Tentakel der ERP-Systeme in beinahe jeden Teil des Unternehmens reichen und Störungen teure Konsequenzen nach sich ziehen können. Für diejenigen, die auf das neue System S/4HANA umsteigen möchten, ist jedenfalls Eile angesagt. Simmer rät den SAP-Kunden, spätestens am Ende des Jahres einen konkreten Plan zu haben: „Die Komplexität von Softwareprojekten wird oft unterschätzt, deshalb dauert es häufig länger. Die Durchlaufzeit von S/4HANA Conversions liegt bei uns in der Regel zwischen acht Monaten und eineinhalb Jahren.“ Und für diejenigen, die zu lange zuwarten, könnte es am Ende sogar schwierig werden, SAP-Berater zu finden. Der Experte betont, dass jetzt auch ein guter Zeitpunkt für den Umstieg ist. Das Produkt ist mittlerweile erprobt, viele SAP-Berater haben bereits Einführungsprojekte hinter sich und S/4HANA besticht mit neuen Funktionen, neuem Look, einem Boots im Auswertungsbereich und vielem mehr. Und die Befürchtung, nach einer langwierigen Einführung hier eine veraltete Version zu bekommen, muss nicht bestehen. „S/4HANA ist gekommen, um einige Zeit zu bleiben“, beruhigt Simmer, „und auch in der Vergangenheit konnte man Upgrades bereits gut in der Roadmap einplanen, sodass man am Ende die aktuellste Version bekommen konnte.“

Die Komplexität von Softwareprojekten wird oft unterschätzt, deshalb dauert es häufig länger.

Richard Simmer, CEO Informatics, Consulting & Development

Dominanz von SAP
Die Vorrangstellung von SAP in der ERP-Branche bleibt auf jeden Fall unbestritten. Der Name des Marktführers wird praktisch synonym verwendet mit dem generischen ERP-Begriff. SAP hat die mit Abstand höchste Markt­kapitalisierung im DAX und auch ­einige gescheiterte Projekte auf SAP-Basis konnten den Softwareriesen bisher nicht stoppen. Ein Vorteil der hohen Marktdurchdringung und der branchenübergreifenden Einsetzbarkeit ist, dass neue Mitarbeiter bereits häufig in ihren Vorberufen SAP-Erfahrung sammeln konnten. Daher ist es ratsam, nahe an den Standardprozessen zu bleiben, selbst wenn eine Stärke von SAP die Erweiterbarkeit darstellt. Außerdem bietet SAP viele Funktionen an. Wird das System komplett umgeworfen, muss auch dort nachgebaut werden, daher ist es manchmal ratsam, die Geschäftsprozesse zu verändern, um sich auf das ERP-System einzustellen. „Zu weit vom Standard verliere ich Funktionen, die SAP bereitstellt“, sagt Simmer, „grundsätzlich gilt, wenn ich eine Software kaufe, sollte sich das Unternehmen in den ausgelieferten Prozessen wiederfinden können.“ Man sollte sich also genügend Zeit für die Vorbereitung nehmen und auch mit Experten abklären, welche Erwartungen man an die Software stellt, die man für das eigene Unternehmen anschaffen möchte. Damit die Unternehmung am Ende nicht zum Frustrationsprojekt degeneriert und zum weiteren Eintrag in der Liste gescheiterter Software-Einführungen wird. 

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