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Markus Achleitner, Wirtschaftslandesrat von Oberösterreich
Optimistisch: Wirtschaftslandesrat Achleitner rechnet im zweiten Quartal mit einem kräftigen Aufschwung. 
Optimistisch: Wirtschaftslandesrat Achleitner rechnet im zweiten Quartal mit einem kräftigen Aufschwung. 
Land OÖ

Markus Achleitner: „2021 wird das Jahr des Comebacks“

02.02.2021 um 15:02, Klaus Schobesberger
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Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner über das Krisenmanagement der Regierung, Impfstraßen in Unternehmen und die Aussichten auf 2021.

CHEFINFO: Fast ein Jahr Pandemie – wie sieht Ihre persönliche Bilanz als Wirtschafts-Landesrat aus?

 Markus Achleitner: Corona hat gezeigt, dass Selbstverständlichkeiten in allen Lebensbereichen in Frage gestellt wurden oder nicht mehr möglich sind. Das war eine Zäsur für den Wirtschaftsstandort wie seit 1945 nicht mehr. Krisenmanagement war daher auf allen Ebenen gefragt und das auf einer neuen Basis ohne Erfahrungswerte und Blaupause. Für mich stand bei allen Entscheidungen eines im Zentrum: Es muss alles getan werden, um die Gesundheit unserer Landsleute zu schützen. Gleichzeitig muss auch alles versucht werden, die negativen Auswirkungen dieser Maßnahmen so gering wie möglich zu halten. Eine bittere Lektion in diesem Jahr war auch die Erkenntnis, dass Planbarkeit in einer Pandemie verloren geht. Dennoch: Ich bin ein großer Freund von Pragmatismus und Hausverstand in Krisen, Emotionen sollten möglichst vermieden werden. Mit dem Aussprechen der Tatsache, dass alles schwierig und negativ ist, kommt man keinen Millimeter einer Lösung näher.

CHEFINFO: Wie sieht die Lösungskompetenz der Regierung aus? Das bisherige politische Krisenmanagement vor allem im stark geforderten Gesundheitsministerium ist ja eher durchwachsen.

Achleitner: Ich denke, dass Österreich im internationalen Vergleich gut durch die Krise gesteuert ist. Bei allem Verständnis, über Einzelmaßnahmen zu diskutieren: Die Politik hat zum jeweiligen Zeitpunkt das Bestmögliche getan. Für unser wirtschaftliches Leben gab es zwei Zielsetzungen: Die Menschen in Arbeit zu halten oder sie schnellstmöglich wieder in Arbeit zu bringen. Hier ist viel gelungen auf Bundes- und Landesebene. Denken Sie an die Kurzarbeit: Es ist wahrscheinlich das international beste Modell, das während der Pandemie zum Einsatz gekommen ist. Oder nehmen Sie die zahlreichen Hilfsmaßnahmen, die beschlossen wurden, um Unternehmen in der Krise nicht zu verlieren. Das passierte mit viel Geld von Bund, Land und durch Haftungen, allerdings um den Preis einer nachhaltigen Verschuldung auf allen Ebenen.

CHEFINFO: Die scheidende deutsche Bundeskanzlerin Merkel hat am Weltwirtschaftsforum in Davos eine interessante Bestandsaufnahme ihrer Amtszeit gemacht: Zu lang, zu bürokratisch seien in Deutschland viele Prozesse. Die Pandemie habe gezeigt, dass es bei der Digitalisierung mächtig hapert. Ähnliches lässt sich für Österreich sagen. Was muss sich ändern, um auf so eine Krise das nächste Mal besser vorbereitet zu sein?

Achleitner: Corona hat auf allen Ebenen viel an Lernprozessen angestoßen. Besonders sichtbar wurde das bei der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Der Bund erlässt Verordnungen, in den Bundesländern müssen sie vor Ort umgesetzt werden. Dieser Abstimmungsprozess gehört verbessert. Wenn das alles überstanden ist, müssen alle Prozesse objektiv durchleuchtet und das Krisenmanagement in Österreich neu aufgestellt werden.

Zitat Markus Achleitner

CHEFINFO: Der Industrie geht vieles zu langsam und fordert Impfstraßen in Betrieben. Unterstützen Sie das?

Achleitner: Ich finde es interessant, wie innerhalb weniger Wochen die Impfskepsis in Europa sich in eine Impfbereitschaft gewandelt hat. Zum anderen hat die EU sinnvollerweise bei allen Impfstoff-Herstellern eingekauft und teilt die Impfdosen nach einem Bevölkerungsschlüssel unter den EU-Staaten auf. Die Impfstrategie mit der Priorisierung nach Risikogruppen wurde ebenfalls von der Europäischen Kommission ausgearbeitet und von den einzelnen EU-Ländern übernommen. Es war von Anfang an klar, dass die Pharmafirmen nicht auf einen Schlag ausreichend Impfstoff produzieren können, wie ihn die Welt benötigt. Sobald der Covid-19-Impfstoff für breite Bevölkerungsschichten verfügbar ist, bin ich dafür, in Unternehmen zu impfen. Wir haben gemeinsam mit den Interessenvertretungen wie Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung eine Taskforce "Impfen in den Unternehmen" aufgestellt. Es dauert noch einige Monate. bis genügend Impfstoff vorhanden sein wird. Dann allerdings ist es in unserem Interesse, vorhandene Strukturen zu nutzen und alle verfügbaren Dosen sofort zu verimpfen.

CHEFINFO: Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Entwicklung für Oberösterreich in diesem Jahr ein?

Achleitner: Die Aussichten insbesondere für die Industrie sind für 2021 positiv. Für Bereiche wie Tourismus, Handel oder Veranstaltungsbranche erwarte ich mir im ersten Quartal noch schwierige Wochen. Ich hoffe, dass nach einer breiten Durchimpfung der Bevölkerung Planbarkeit und gute Stimmung zurückkehren. Im zweiten Quartal rechne ich mit einem kräftigen Aufschwung. Wir haben im letzten Sommer gesehen, dass es eine unbändige Sehnsucht nach Erlebnis und Konsum gibt. Mangel bestärkt den Wert der Dinge. Ich bin überzeugt: Das Jahr 2021 wird das Jahr des Comebacks.

CHEFINFO: Trotz aller Hilfen stehen viele Unternehmen mit dem Rücken zur Wand. Könnte 2021 das Jahr einer Pleitewelle werden?

Achleitner: Erstens wird den Betrieben klar vermittelt: Solange die Pandemie in dieser Schärfe das Jahr 2021 beherrscht, muss die Unterstützung fortgesetzt werden. Es wird zu einer Kurzarbeitsverlängerung kommen für Unternehmen, die ihren Betrieb pandemiebedingt einstellen müssen. Ein überarbeitetes Kurzarbeitsmodell soll betroffenen Branchen auf dem Weg zurück helfen. Zweitens haben wir durch die Hilfsmaßnahmen den natürlichen Ausleseprozess in der Wirtschaft zum Teil außer Kraft gesetzt. Es gab im Vorjahr deutlich weniger Insolvenzen, daher ist klar, dass es 2021 und 2022 zu Nachzieh-Effekten kommt. Aber darüber hinaus rechne ich nicht mit einer größeren Pleitewelle.

CHEFINFO: Die Investitionsprämie vom Bund ist aufgestockt worden und auch das Land hat sein Investitionsprogramm vorgezogen. Welchen Effekt wird das auf die Wirtschaft 2021 zusätzlich haben?

Achleitner: Die Investitionsprämie hat eingeschlagen wie eine Bombe. Die Nachfrage war österreichweit dreimal höher als eingeschätzt. 26 Prozent der Anträge kamen aus Oberösterreich und mit 750 Millionen Investitionsförderungen wird in unserem Bundesland ein Investitionsvolumen ausgelöst, bei dem nunmehr erstmals die 8-Milliarden-Euro-Schallmauer durchbrochen wurde. Darauf bin ich stolz. Unternehmen glauben an den Wirtschaftsstandort Oberösterreich und investieren im großen Stil. Geld gab es zudem für Gemeinden in der Krise; sie sind die größten Auftraggeber für die lokale Wirtschaft. Das schafft Arbeit, Wohlstand und damit kann der Konsum angekurbelt werden. Das ist der Anreiz, den es braucht, um nach der Krise durchzustarten. Unternehmen brauchen Rahmenbedingungen, damit sie wirtschaften können. Denn sie sorgen für Arbeitsplätze und nicht die Politik. Das war auch der Grundgedanke des "Oberösterreich-Plans" mit einem Investitionsprogramm von 1,2 Milliarden Euro für die kommenden fünf Jahre: antizyklisch investieren, geplante Investitionen in Infrastruktur vorziehen, Aufträge vergeben, Konjunktur stimulieren, Arbeitsplätze schaffen.

CHEFINFO: Wie geht es mit der Digital-Universität weiter? Welche Pflöcke werden wann eingeschlagen?

Achleitner: Dieses Projekt ist ein Lichtblick mitten in der Krise. Wir sind gemeinsam mit dem Bildungsminister und dem Landeshauptmann in einer zwölfköpfigen Vorbereitungsgruppe, die sich im 14-Tage-Rhythmus trifft. Wir haben zum Ziel, dass wir bis Jahresmitte die Konzeption fertiggestellt haben. Dann soll mit der Bestellung der ersten Professoren begonnen werden, weil wir das Ziel haben, im Herbst 2023 die ersten Studenten zu begrüßen. Ich kann es nicht genug betonen: Wir sind auf gutem Weg zu einem Jahrhundertprojekt für Österreich, nicht nur für Oberösterreich. Es muss anders als bisher künftig gelingen, durch Forschung in Europa Ideen zu entwickeln und auch die Wertschöpfung hier zu erzielen und nicht in den USA und in Asien.

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