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Die Generation Z ist in ihren Wünschen oft widersprüchlich: Work-Life-Balance und Flexibilität sind wichtig, Arbeitsplatzsicherheit aber ebenso
Die Generation Z ist in ihren Wünschen oft widersprüchlich: Work-Life-Balance und Flexibilität sind wichtig, Arbeitsplatzsicherheit aber ebenso
ASCENTXMEDIA / E+ / GETTY IMAGES

Junge Arbeitnehmer - Generation Z-ukunft

27.05.2024 um 15:44, Michael Schwarz
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Ticken die U30er wirklich so anders oder verstecken sich hinter hippen Anglizismen lediglich Bedürfnisse, die jeder Arbeitnehmer kennt?

Kaum ein Tag vergeht, an dem kein Medium die vermeintliche Arbeitsscheu der jungen Berufseinsteiger analysiert. „Diese öffentliche Debatte ‚triggert‘ Jugendliche natürlich bis zu einem gewissen Grad“, lässt ­Beate Großegger, wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Jugendforschung, wissen. Dabei ist das Jammern über die Jugend eine alte Tradition. Eine ca. 5.000 Jahre alte Keilschrifttafel kritisierte bereits die jugendliche Ablehnung alter ­Werte. Und auch Platon stieß die rebellische Haltung der Jungen im antiken Griechenland ­sauer auf. Dessen Schüler Aristoteles stellte angeblich gar die Zukunft der Gesellschaft infrage, wenn diese in die Hände der Jungen falle. Dabei hat die griechische Welt unter dem Zögling des Philosophen – Alexander dem Großen – seine größte Expansion erfahren.

Generationenkampf
Bedingt durch den Zeitgeist und die Umwelt entwickelt jede Generation eine eigene Wertewelt. Menschen, geboren zwischen 1965 und den späten 1970ern, werden Generation X genannt. Sie gelten als fleißig und ambitioniert. Generation Y zeichnet sich durch Technologieaffinität aus, aber auch darin, den Arbeitsplatz deutlich häufiger zu wechseln als noch ihre Eltern und Großeltern. Gen Z, jene die 1995 bis 2010 geboren wurden, drängen nun auf den Jobmarkt und müssen sich erst behaupten und ihren Wert beweisen. „Man sieht, die Gesellschaft ändert sich und damit die Arbeitsethik der jungen Generation“, sagt Großegger. Doch sind die Generationen tatsächlich in sich so homogen? Und stehen sie so konträr zueinander?

Bewerbungsprozess
Selbstbewusstsein prägt die Gen Z und das spiegelt sich auch im Bewerbungsprozess wider. Dennoch möchten die Jungen beim Berufseinstieg manchmal an der Hand genommen werden.

Anglizismen statt Arbeit
Womit sich manche Vertreter der jungen Generation sicher keine Freunde machen, sind überspitzte und simplifizierte Kampfparolen gegen die herrschende Jobkultur. Jugendgerecht als Anglizismen in den Untiefen der sozialen Medien geboren, bringen manche Phrasen das Blut der Arbeitgeber wohl zum Kochen. Beispielsweise der TikTok-Aufruf zum „Bare Minimum Monday“, der den ersten Tag der Woche zum Faulenztag machen soll. Ebenfalls der chinesischen Social-Media-Plattform entsprungen ist der Terminus „Lazy Girl Job“. Dabei handelt es sich um die utopischen Vorstellungen eines einfachen Jobs mit hohem Gehalt und Homeofficemöglichkeiten. Das Phänomen des „Quiet Quitting“ – Dienst nach Vorschrift ohne weiteres Engagement – ist wohl kaum eine Erfindung der Generation Z, erhielt aber zumindest seinen Namen von einem amerikanischen Vertreter der Altersgruppe. Gemessen an diesen Provokationen darf man den gerne missverstandenen Ausdruck „Work-Life-Balance“ wohl noch aussprechen.

Michaela Moser

Die Jungen sind es gewohnt, umworben zu werden, und kennen ihren Wert.

Michaela Moser, Head of Marketing, epunkt

Life statt Leistung?
Roman Ettinger, Geschäftsführer von Trust Personal GmbH, merkt, dass Freizeit ein großes Thema für die Jungen ist. „Heute ist der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten stärker“, erzählt er, „aber nur, weil sich jemand den Freitag frei nimmt, heißt das nicht, dass er weniger Arbeitsstunden leistet.“ Die Bedeutung von Freizeit hat für die 15- bis 24-Jährigen statistisch belegbar zugenommen. Das zeigt die European Value Study. Bernhard Kittel, Institutsvorstand am Institut für Wirtschaftssoziologie der Universität Wien, weist jedoch darauf hin, dass diese Zunahme bereits 1999 in den Zahlen erkennbar ist. Der Bedeutungsgewinn hat also schon deutlich vor der Generation Z eingesetzt. Klar ist für ihn, dass es damals wie heute ehrgeizige Menschen gab, die Erfolg im Beruf suchten. Unter diesem Gesichtspunkt sind vielleicht auch Unternehmer zu sehen, die heute die mangelnde Leistungsbereitschaft der Jungen bekritteln. „Es gab und gibt heute auch noch bestimmte Kreise, die wie die Wilden arbeiten, um erfolgreich zu werden“, sagt Kittel. In jenen Kreisen bemerkt man das Arbeitsethos der durchschnittlichen Bevölkerung nicht. „Und jetzt werden die Jungen kritisiert, obwohl sich die Einstellung zur Arbeit in den letzten Jahrzehnten gar nicht so stark verändert hat.“ Arbeit hat immer noch einen hohen Stellenwert für die jungen Österreicher. In der aktuellen Studie von Kittel und Beate Boór zeigt sich, dass die Bereitschaft zu arbeiten bei den Jungen hoch bleibt, selbst wenn keine finan­zielle Notwendigkeit besteht, und erst mit zunehmendem Alter sinkt. Roman Ettinger bringt es auf den Punkt: „Man kann nicht sagen, dass diese Generation nicht leistungsfähig ist, das zeigt unsere Erfahrung einfach nicht.“

Roman Ettinger

Man kann nicht sagen, dass diese Generation nicht leistungsfähig ist, das zeigt unsere Erfahrung einfach nicht.

Roman Ettinger, Geschäftsführer Trust Personal

Zwischen Selbstbewusstsein und Sinnkrise
Die Generation Z ist selbstbewusst und fordernd. Am Arbeitnehmermarkt verkaufen sie sich nicht unter ihrem Wert und Unternehmen müssen mit Benefits wie Homeoffice und Viertagewoche auftrumpfen. Michaela Moser, Head of Marketing & Sourcing bei epunkt, kennt die Jungen im Bewerbungsprozess: „Sie sind es gewohnt, umworben zu werden, und kennen ihren Wert.“ Die Gründe liegen laut Beate Großegger in der Demografie: „Die Jungen wissen sehr wohl, dass sie in der Bevölkerungspyramide eine recht kleine Gruppe darstellen.“ Dabei überschätzen sie sich aber auch gelegentlich. „Die Erwartungen der jungen Menschen sind hoch, aber sie sind nicht immer realistisch.“ Laut Kittel spielt bei dem gewonnenen Selbstbewusstsein unter anderem vielleicht das Ende autoritärer Erziehungsmethoden eine Rolle. Und auch Moser sieht einen Zusammenhang mit den Vorgenerationen: „Viele haben miterlebt, dass die Work-Life-Balance ihrer Eltern nicht zugunsten des Privat- und Familienlebens ausfiel.“ Außerdem sollte man die sogenannte „Maslowsche Bedürfnispyramide“, die beschreibt, was Arbeitnehmern wichtig ist, vielleicht neu denken. Denn Selbstverwirklichung bekommt einen neuen Stellenwert in der modernen Arbeitswelt. „Ich erlebe, dass viele der Gen Z ‚lost‘ sind und sogar in frühen Jahren sowas wie eine Sinnkrise durchleben“, erzählt Moser, „wenn sie aber das gefunden haben, was sie erfüllt, sind sie meiner Einschätzung nach voll motiviert.“ 

Beate Großegger

Zu sagen ,Krempel jetzt die Ärmel hoch und in zehn Jahren kannst du die Früchte ernten´funktioniert nicht mehr.

Beate Großegger, Wissenschaftliche Leiterin, Institut für Jugendforschung

Widersprüchliche Wünsche
Junge Menschen wollen sich selbst verwirklichen und einen Sinn in ihrer Tätigkeit finden. Gleichzeitig werden sie aber auch wieder konservativer. „Jugendliche müssen in einer Zeit beruflich Fuß fassen, die von Krisen geprägt ist“, sagt Großegger, „und das führt zu einer risikoscheuen Jugend im Gegensatz zu der ‚Startup-Generation‘.“ Jugendliche wünschen sich Sicherheit in ihrem Alltag und dadurch auch im Erwerbsleben. Daher betitelte das Institut für Jugendforschung seine Lehrlingsstudie auch mit „Generation Safety First“. Und diese Krise hat auch dazu geführt, dass man junge Menschen nicht mit vagen Versprechungen vertrösten kann: „Zu sagen ‚Krempel jetzt die Ärmel hoch und in zehn Jahren kannst du die Früchte für dein Engagement ernten‘ funktioniert nicht mehr.“ Die Jugend verlässt sich nicht darauf, zu wissen, wie die Zukunft aussieht, da die letzten Jahre so viele Überraschungen bereithielten. Paradoxerweise wirft Generation Z im Job aber auch schneller das Handtuch und kündigt. „Die Frustrations­toleranz ist bei dieser Generation sehr gering.“ Das Beste aus beiden Welten – Jobhopping und Arbeitsplatzsicherheit – vereinen wohl Personalbereitsteller. Ettinger erklärt einen Vorteil, der viele Junge daran begeistert: „Man hat einen fixen Arbeitgeber, aber Einsätze können gewechselt werden, wenn man beispielsweise mit einem Betrieb nicht mehr zusammenkommt.“

Bernhard Kittel

Es gab und gibt heute auch noch bestimmte Kreise, die wie die Wilden arbeiten, um erfolgreich zu werden.

Bernhard Kittel, Professor für Wirtschaftssoziologie, Universität Wien

Gen Z braucht Mentoren
Laut Kittel können Arbeitgeber nicht damit rechnen, dass sich die Einstellung der Jugend zu Arbeit in den nächsten Jahren verändern wird. Aufgrund der Pensionierungswellen werden in den nächsten Jahren Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen. Und auch wenn Migration und künstliche Intelligenz hier etwas abfedern, das Problem wird weiterhin bestehen. „Unternehmen haben ein Problem damit, qualifizierte junge Menschen anzusprechen, für sich zu gewinnen und zu halten“, meint Großegger. Dabei sind die Sprösslinge der Gen Z in Zeiten der Digitalisierung durch ihr Know-how gefragt. „Unternehmen brauchen im Technologiewandel Menschen, die Prozesse anstoßen und Etabliertes hinterfragen. Und das trauen sich die Jungen“, meint Moser. Junge Menschen suchen wiederum nach Arbeitgebern, die ihren Werten und Interessen entsprechen. Und auch der Recruitingprozess muss sich an die Bedürfnisse der Generation Z anpassen. „Persönlicher Kontakt und eine Bindung zum Kandidaten sind essenziell“, weiß die Expertin, „der Ablauf des gesamten Bewerbungsverfahrens sollte klar sein und gut kommuniziert werden.“ Wenn man einen jungen Arbeitnehmer für sich gewonnen hat, sollte man in die Mitarbeiterbindung investieren. „Junge in der Berufseinstiegsphase erwarten sehr viel Kommunikation von ihren Vorgesetzten“, erklärt Großegger, „sie wollen zu Beginn öfters an der Hand genommen werden, was für Unternehmen aber häufig eine Herausforderung darstellt, auch ressourcentechnisch.“ So wie sich die Welt in den letzten Jahren mit ihren zahlreichen Krisen verändert hat, wird sich auch die Arbeitswelt verändern müssen. Und jene Unternehmen, welche die Bedürfnisse der Generation Z ignorieren, werden Gefahr laufen, auf der Strecke zu bleiben.

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