Direkt zum Inhalt
Fintech
Junge Finanztechnologie-Unternehmen dringen immer weiter in die Geschäftsfelder von Banken und Versicherungen ein.
Junge Finanztechnologie-Unternehmen dringen immer weiter in die Geschäftsfelder von Banken und Versicherungen ein.
Getty Images

Fintechs: Gefahr und Chance für Banken

22.11.2021 um 09:19, Klaus Schobesberger
min read
Junge Finanztechnologie-Unternehmen dringen immer weiter in die Geschäftsfelder von Banken und Versicherungen ein. Deren Interessenvertreter beobachten die Entwicklung kritisch.

Daniel Haudenschild führt den klingenden Titel „President of the Board“ der Crypto Valley Association und ist live über eine Videokonferenz ins Linzer Schloss zugeschaltet, wo ihm auf Einladung der Wirtschaftskammer Oberösterreich ein Dutzend Manager und Managerinnen der Banken- und Versicherungsbranche zuhört. Das Besondere: Haudenschild sitzt nicht in San Francisco, sondern im Kanton Zug. Die Schweizer Steueroase ist Standort des stärksten Ökosystems in der Blockchain-Branche, das zahlreiche Firmen anlockt und in dem rund 700 KMU und Startups angesiedelt sind.

Schweiz: Crypto Valley

„Wir sind eine ­Non-Profit-Organisation, der Maschinenraum sind unsere Arbeitsgruppen. Sie sind eine großartige Möglichkeit, sich zu vernetzen, zusammenzuarbeiten und sich zu engagieren“, sagt der frühere EY-Berater, der auch bei der Swisscom für die Blockchain zuständig war. Die Initialzündung für den Hype kam von niemand Geringerem als Vitalik Buterin, der 2014 in Zug die Stiftung Ethereum gegründet hat. 2015 ging Ether, die wichtigste Kryptowährung neben Bitcoin, online. Die Schweiz ist eine Fintech-Hochburg, bestätigt Stefan Fischereder, gebürtiger Oberösterreicher und Leiter des AußenwirtschaftsCenters Zürich. Ende 2020 wurden insgesamt über 400 Schweizer Fintech-Unternehmen gezählt und seit 2015 ist ihre Anzahl um 150 Prozent gestiegen. „Die Hälfte davon ist in Zürich angesiedelt, eine der großen Fintech-Metropolen“, sagt Fischereder.

Israel: gelobtes Startup-Land

Ortswechsel nach Tel Aviv. Dort erläutert Elan Lavi, Vize-Chef der Konzernentwicklung bei eToro, sein Geschäftsmodell. Das 2007 von den Brüdern Yoni und Ronen Assia sowie David Ring in Israel gegründete Unternehmen gehört neben Coinbase und Binance zu den großen Krypto-Handelsplattformen. eToro gilt – ähnlich wie Wikifolio mit Sitz in Wien – auch als Pionier des Social Tradings. Dabei wird es Nutzern ermöglicht, Investoren zu beobachten und deren Investitionsstrategien für den Kapitalmarkt zu übernehmen. 23 Millionen Kunden zählt die Plattform, 70 Prozent davon sind in Europa beheimatet. Deutschland ist bereits der zweitwichtigste Markt für eToro. Geld verdient das Unternehmen vor allem mit Gebühren für abgewickelte Transaktionen. eToro ist eines von 698 Fintechs in Israel, das sich ­gerne als „Startup Nation“ sieht. Laut dem Handelsdelegierten Markus Haas flossen zuletzt mehr als 4,4 Mrd. US-Dollar Risikokapital in diese Branche. Zehn Prozent der weltweiten „Einhörner“ (Unicorns), also jene Startups mit einer Bewertung über einer Milliarde Dollar, kommen inzwischen aus Israel.

Kooperationen als Booster

Für die erfahrene Bankerin Michaela Keplinger-Mitterlehner (RLB OÖ) ist es kein Zufall, dass die beiden Fintech-Hotspots nicht ihren Sitz in der stark regulierten Europäischen Union haben. „Die Marktanteile von Fintechs haben im Zuge der Corona-Pandemie zugenommen und der Druck auf etablierte Banken hat sich erhöht. Fintechs tauchen immer stärker in unsere Geschäftsfelder ein, während wir von den Regulierungsbehörden bevormundet werden“, analysiert die Obfrau der Sparte Bank und Versicherung in der Wirtschaftskammer Oberösterreich trocken. Andererseits bieten Fintechs auch Chancen. Wesentlich sind ­Kooperationen, um von der Innovationskraft und der Schnelligkeit der Fintechs zu profitieren, sind Keplinger-Mitterlehner und ihre Stellvertreterinnen Stefanie Christina Huber (Sparkasse OÖ), Kathrin Kühtreiber-Leitner (OÖ Versicherung) sowie Stellvertreter Josef Weißl (Oberbank) überzeugt.

 

Michaela Keplinger-Mitterlehner (RLB OÖ): Alle österreichischen Banken haben in den letzten Jahren sehr viel in den digitalen Transformationsprozess investiert. Das ist uns nur mit intensiver Einbindung von FinTechs gelungen.

 

Geldregen für Fintechs

Mit der Pandemie ergoss sich ein wahrer Geldregen über die ­Fintech-Branche. Allein im zweiten Quartal 2021 ­flossen 34 Milliarden Dollar an ­Risikokapital in die Branche – ein Rekord, wie der Datenanbieter CB Insights berichtet. Jeder fünfte Euro, der in diesem Jahr von Risikokapitalgebern investiert wurde, floss in Fintech-Unternehmen. Das Kredit­kartenunternehmen Visa ­legte 1,8 Milliarden Euro für Tink, eine schwedische Zahlungsplattform, auf den Tisch. J.P. Morgan, das größte Geldhaus der Welt, will mit 11,6 Milliarden Dollar Tech-Budget billiger, besser und schneller werden. Erst kürzlich wurde OpenInvest übernommen, das weltweit erste automatisierte Tool für sozial verantwortliches Investieren. Es ist die dritte Fintech-Übernahme in sechs Monaten. Auch ­Europa holt gegenüber den USA und China auf: Im Juli legte der Zahlungsdienstleister Wise mit einer Bewertung von umgerechnet 10,3 Mrd. Euro den größten Börsengang eines Fintechs an der London Stock Exchange (LSE) hin. Knapp zehn Milliarden Dollar ist auch das erwähnte Startup eToro wert. Eine Finanzierungsrunde im Juni bewertete Klarna („Shoppe jetzt, bezahle später“) mit 46 Mrd. Dollar. Die von zwei Österreichern gegründete Bank N26 ist (auf dem Papier) rund acht Milliarden Euro schwer. Fintechs gewinnen an kritische Masse: Ihr Wert ist auf 1,1 Billionen US-Dollar gestiegen, was zehn Prozent des Wertes der globalen Bankenbranche entspricht.

more