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Feuer in der Hütte?

26.02.2024 um 14:14, Jürgen Philipp
min read
Ist die Windhager-Pleite ein Einzelfall oder ist die gesamte Branche überhitzt? Hat gar die Politik Öl ins Feuer gegossen? Experten geben Antwort.

Die Pleite des Traditionsunternehmens Windhager nahm eine positive (Energie)Wende. Der Mondseer Wasseraufbereiter BWT übernimmt den in Schieflage geratenen Heizungshersteller, der im neuen Werk in Pinsdorf Wärmepumpen herstellen wollte. Für BWT-Chef Andreas Weißenbacher ist das ein „Perfect Fit“. Der Großteil der 440 Mitarbeiter soll die Jobs behalten. Dennoch scheint Windhager ein Einzelfall zu sein, wie Elisabeth Berger, Geschäftsführerin der Vereinigung Österreichischer Kessel- und Heizungsindustrie kurz VÖK, berichtet. „Der Branche selber geht es gut. Es gibt relativ wenig Grund zum Jammern. In den letzten drei Jahren gab es ein Sensationsjahr nach dem anderen.“

Vom Keller ins Rampenlicht
Berger ist seit 17 Jahren in dieser Funktion tätig und sieht einen Trend: „Wir haben immer gejammert, dass sich keiner für die Heizung, sondern nur für das Auto interessiert. So viel Interesse wie in den letzten Jahren hatten wir noch nie. In Coronazeiten, wo alle anderen zu Hause waren, ist bei uns die Post abgegangen.“ Heizungssanierungen waren auch während der Pandemie möglich, weil „die Heizung meistens im Keller steht, also räumlich abgetrennt ist“. 2021 gab es noch einen Hype für alle Energiesysteme, also Gas- und Holzheizungen sowie Wärmepumpen. „Mit der Gaskrise bzw. dem Krieg in der Ukraine 2022 ist der Markt nicht nur angesprungen, sondern hysterisch geworden. Wir wuchsen nochmals um 10 Prozent mehr als vorher.“ Von 80.000 Heizsystemen pro Jahr wuchs die Zahl der Neuinstallationen auf über 100.000. „Viele haben sogar neue Gasheizungen rausgerissen und durch eine Wärmepumpe ersetzt.“

 

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Der Ritter der Energiewende
Waren 2021 noch Gasheizungen Marktführer, sind ab 2022 Wärmepumpen das bevorzugte Heizsystem, wie Richard Freimüller, Präsident des Verbandes Wärmepumpe Austria vorrechnet. „Spätestens 2040 wird die Wärmepumpe eine ganz dominante Rolle spielen. Derzeit sind 350.000 am Netz, 2040 sollen es 1,4 Millionen sein. Der Grund liegt auf der Hand: Energie- und CO2-Einsparungen.“ Nicht nur in Haushalten, auch in der Indus­trie wird die Wärmepumpe zum Gamechanger. Großwärmepumpen werden in energieintensiven Branchen wie der Ziegelindustrie eingesetzt. „In der Industrie erlebt die Wärmerückgewinnung einen riesigen Durchbruch. In Uttendorf etwa betreibt Wienerberger eine Wärmepumpe mit 160 Grad. Ich bin überzeugt, dass man mit der Abwärme vieler Betriebe, wo Wärme derzeit noch verpufft, mittelfristig eine ganze Siedlung heizen wird. Nichts wird mehr verschwendet werden.“ Übrigens: Die erste Wärmepumpe der Welt war im industriellen Einsatz. Sie wurde 1857 in der Saline Ebensee in Betrieb genommen. Was kaum einer weiß: Der Erfinder war ein Österreicher. Der Montanist Peter Ritter von Rittinger ­meldete 1853 das Patent für sein „Abdampfverfahren“ an. Ein Verfahren, das schon damals 80 Prozent des Energieeinsatzes zum einst üblichen Brennstoff Holz erzielte. Alleine in der Saline sparte man sich 293.000 m3 Holz pro Jahr. Freimüller sieht daher einen unaufhaltsamen Siegeszug der Wärmepumpentechnologie. „Ein alter Freund von mir meinte einmal: ,Was macht es für einen Sinn, etwas mit 1.000 Grad zu verbrennen um damit 20 Grad Zimmertemperatur zu erzielen?‘“

Dampfzentrale Steyr
Schon im 19. Jahrhundert sorgten Industrie-Wärmepumpen für Energieeinsparung. Im Bild: die Dampfzentrale Steyr

Branche als Spielball der Politik
Elisabeth Berger sieht das naturgemäß ein wenig anders. „Unsere Branche ist zu einem Spielball der Politik geworden. Die Politik hat sich mit Heizungen die Finger verbrannt. Mit der Gasdiskussion war der Markt schlagartig tot. Dazu kam die Diskussion, ob Holz erneuerbar ist oder nicht, auch das hat den Markt sofort getroffen.“ Österreich sei, so Berger, eine Weltmacht, wenn es um Holz- oder Pelletsheizungen geht. „Unsere Hersteller hatten einen Exportanteil von 80 bis 90 Prozent. Made in Austria war ein Renner. Die Emissionen reduzieren sich um den Faktor 10.“ Berger sieht aber auch einen Fehler bei den Pelletslieferanten. „Die Preise für Pellets sind parallel zu den Gaspreisen explodiert. Menschen, die sich von Verrücktheiten der Öl- und Gasscheichs abheben wollten und auf Holz setzten, waren plötzlich ebenso ausgeliefert.“ Sie sieht daher ein Versäumnis der Politik. „Es gibt keine Bevorratungspflicht für Pellets in Österreich. Wie bei Gas oder Öl müsste es ein gewisses physisches Kontingent geben, damit man Finanzspekulationen verhindern kann. Jeder kann Pellets ohne physische Lagerhaltung handeln.“ Das öffnet der Spekulation Tür und Tor und führte zu einer vermeidbaren Verunsicherung.

Peter Ritter
Der Österreicher Peter Ritter von Rittinger meldete 1853 das Patent für sein "Abdampfverfahren" an und erfand so die Wärmepumpe.

Mehr Planungssicherheit bei Förderungen
Viele klassische Heizungshersteller bzw. Spezialisten bei Pelletsheizungen nahmen daher Wärmepumpen in ihr Programm auf, zuletzt auch Windhager. Doch auch in diesem Segment wirkten sich politische Entscheidungen negativ aus. „Der Markt ist im vierten Quartal 2023 um 65 Prozent eingebrochen. Es wurden Förderungen angekündigt, die dann nicht kamen. Die Leute warteten logischerweise ab“, so Freimüller. Mittlerweile wird die Heiztechnik je nach Bundesland zwischen 75 und 100 Prozent der Kosten gefördert. „Die höchsten Förderungen gibt es in Tirol, weil es das Bundesland mit den meisten Ölheizungen ist.“ Freimüller wünscht sich aber mehr Kontinuität bei Förderungen. „Nach den nächsten Wahlen könnten sie wieder gekippt werden. Es gibt also keine Planungssicherheit. Gleichzeitig gibt es aber auch kein Zurück mehr, das hat die EU deutlich gemacht.“ Derzeit wurden Förderungen für Wärmepumpen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre budgetiert. „Wenn ich das mit den Stückzahlen von 2022 vergleiche, wäre dieses Geld schon 2024 aufgebraucht.“ Genügend Wärmepumpen seien am Markt verfügbar, doch die Installationskapazitäten sind ein Flaschenhals. Dazu fordert Freimüller mehr Innovation in den Berufsschulen. Künftige Installateure würden immer noch klassische Verbrennertechnologie lernen. „In Linz ist man da glücklicherweise schon innovativer.“

 

Elisabeth Berger

Mit der Gaskrise bzw. dem Krieg in der Ukraine 2022 ist der Markt nicht nur angesprungen, sondern hysterisch geworden.

Elisabeth Berger, Geschäftsführerin VÖK

Mietmarkt als größter Hebel
Apropos Linz: Auch das Fernwärmenetz wie jenes in Linz könnte mit Großwärmepumpen betrieben werden, meint Freimüller. „Das beweist ein Konzept von Professor Samhaber. In Linz würde das durch die Grundwasserströme funktionieren.“ Überhaupt liegt der größte Hebel für die Energiewende in den Städten. Während die Wahl des Heizsystems in Einfamilienhäusern frei entschieden werden kann, bleiben Mieter Passagiere. Doch gerade der Mietmarkt brächte für Richard Freimüller einen enormen Effekt. „Das ist aber nicht einfach. Will ich eine Ladestation für ein E-Auto in der Tiefgarage installieren, müssen Hunderte mitbestimmen.“ Alleine in Wien gibt es 600.000 Gasheizungen, darunter ­viele Thermen, diese könnten durch kleine Wärmepumpen ersetzt werden, die auf einzelne Wohnungen ausgelegt sind. „Die Wärmequelle ist dann die Luft am Dach. Man kann aber auch in den Städten Tiefenbohrungen, etwa auf Gehsteigen, machen.“

Technologieoffenheit als Schlüssel?
Elisabeth Berger warnt aber vor voreiligen Schlüssen. Ähnlich wie in der Diskussion am Automarkt, ob Verbrenner verboten werden sollten, plädiert sie für Technologieoffenheit. „Kontinentaleuropa ist nach wie vor hoch abhängig von russischem Gas. Pipe-Gas ist eine der billigsten Energiequellen. Wenn wir da raus wollen, brauchen wir Alternativen. Weniger Energie zu verbrauchen wird nicht funktionieren. Ein Geschäftsmodell mit ,weniger‘ hat noch nie hingehaut. Wir brauchen daher mehr. Wir bräuchten wie verrückt mehr Bäume, um Gas zu ersetzen. Die Idee, das alles nur mit Strom zu machen, klingt nur super, wenn man glaubt, dass der Strom aus der Streckdose kommt. Wir werden deshalb um Wasserstoff, Biomethan, Bioöl oder energieautarke Systeme nicht herumkommen. Einem Gaskessel ist es egal, ob er mit Biomethan oder Gas befeuert wird.“ Für Berger liegt der Schlüssel in Hybridlösungen: Wärmepumpen und Biomasse ließen sich perfekt ergänzen und brächten Versorgungssicherheit. Für Richard Freimüller lösen solche Ansätze das Problem nicht. „Technologieoffen sind nur jene, die den Status quo nicht ändern wollen. Aus meiner Sicht braucht man auf Öl und Gas keine Rücksicht mehr zu nehmen. Allerdings darf man den Leuten auch nicht sagen: Haut alles raus, was ihr bisher gehabt habt, auch wenn es noch funktioniert.“

 

 

Richard Freimüller

Wenn wir das Geld, das wir an Putin oder die Saudis überweisen, bei uns investieren, können wir ganz leicht autonom werden.

Richard Freimüller, Präsident Wärmepumpe Austria

Energiewende sofort umsetzbar
Technisch sei die Energiewende kein Problem, so der Verbandspräsident. „Wenn wir das Geld, das wir an Putin oder die Saudis überweisen, bei uns investieren, können wir ganz leicht autonom werden. Technisch sind wir gerüstet. Die Netze halten Wärmepumpen leicht aus, weil sie Smart Grid Ready sind. Wenn viel billiger Strom vorhanden ist, geht die Heizkurve in die Höhe. Bis 2030 sollen wir den Strom selbst erzeugen können, wenn wir alles, was das Land hergibt und nicht schädigt, nutzen.“ Derzeit liegt der Anteil an erneuerbarer Energie in Österreich bei 86 Prozent. „Den Energiepreis legen aber trotzdem die 14 Prozent fest. Das ist verrückt. Dabei haben wir schon jetzt im Sommer zu viel Strom durch PV-Anlagen. Das Problem haben wir also nur im Winter. Hier hilft Windenergie, die liefert im Winter mehr Ertrag.“ Ein Argument für Bergers Hybridansatz: „Ich ­fahre die Wärmepumpe über die PV-Anlage und in wasserarmen Dunkelflautezeiten heize ich über den Biomassekessel. Ich brauche die Stromnetze nicht auf den kältesten Tag auszurichten, weil Verbrennungstechnologie übernimmt. Wir würden 75 Prozent des Energieeinsatzes sparen. Wärmepumpen haben ihre Stärken, so wie jede Technologie ihre Stärken hat, deshalb braucht es eine Gesamtsicht.“ In diesem Punkt sind sich Elisabeth Berger und Richard Freimüller nicht einig und dennoch vertreten sie einen gemeinsamen Standpunkt: Die Energiewende darf nicht mit Angstmache und Verunsicherung der Konsumenten durchgesetzt werden.

Wärmepumpe
Der Ukraine-Krieg brachte eine Systemwende. Wäremepumpen lösten Gasheizungen und -thermen als führendes System ab.

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