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Andreas Reinhardt, BEÖ
Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ), sieht keine Alternativen zum Elektroauto.
Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ), sieht keine Alternativen zum Elektroauto.
BEÖ

E-Mobilität: Schluss mit Lade-Hemmung

24.11.2021 um 11:41, Klaus Schobesberger
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Fehlende öffentliche Ladepunkte sind derzeit noch das größte Hemmnis für die Elektroautonutzer. Andreas Reinhardt, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ), will Österreich zukunftsfit machen.

Mit dem Einzug der Elektromobilität verlieren langsam, aber sicher jene gut geölten Strukturen an Bedeutung, die seit mehr als hundert Jahren für ein automobiles Fortkommen essenziell sind. Von einem dichten Netz aus Ladestationen für Elektroautos, wie wir es von den Tankstellen mit ihren transparenten Preisen und geeichten Zapfsäulen kennen, sind wir jedoch noch meilenweit entfernt. Es fehlt an öffentlichen Ladepunkten am Land und in Wohnanlagen in der Stadt. „Das Laden soll so einfach sein wie das Geldabheben vom Bankomaten. Derzeit hat die Ladeinfrastruktur aber noch ­riesige Lücken“, sagt Andreas Reinhardt, Leiter des Bereichs Energiedienstleistungen bei der Linz AG und seit August Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität Österreich (BEÖ). Der studierte Elektrotechniker vertritt mit dem BEÖ die Interessen von elf heimischen Energieversorgern, darunter Linz AG und Energie AG.  

Woher kommt der Strom?

Mehr als fünf Millionen Autos sind auf heimischen Straßen unterwegs, davon etwa 70.000 rein batteriebetriebene E-Autos. Ihr Anteil steigt aber rasant. Diesen August wurden in Österreich mit einem Anteil von 42 Prozent erstmals mehr Elektro- und Hybridfahrzeuge zugelassen als Pkw mit Benzin- (35 %) oder Dieselmotor (23 %). Die großen europäischen Hersteller investieren zudem Milliarden in die saubere Antriebstechnik. Bereits heute kann man zwischen 170 Elektromodellen wählen – und mit jeder neuen Modellgeneration wächst die Effizienz. Die meisten E-Autos schneiden gegenüber vergleichbaren Verbrennern bei Leistung, Kosten und Ökobilanz im direkten Vergleich besser ab. Zudem ist Strom zu Hause günstiger als Sprit an der Tankstelle, und die NoVA sowie die Kfz-Steuer fallen weg. Die Anreize, auf ein E-Auto umzusteigen, wirken spürbar. Das wirft berechtigte Fragen auf. Wo kommt all die elektrische Energie her, die für den Betrieb benötigt wird? Ein vollständiger Umstieg auf E-Mobilität würde zusätzliche 15 bis 18 Prozent Strombedarf notwendig machen, rechnet Reinhardt vor. „Diese Energiemenge ist eine bewältigbare Größenordnung. Denn wir sprechen von Zeiträumen bis 2050, bis ein so großer Autobestand elektrifiziert ist.“ Bis dahin hofft Reinhardt, dass auch das Problem des enormen Leistungsbedarfs für Spitzenzeiten technisch gelöst ist, etwa wenn am Abend die Bürger ihre Autos zeitgleich ans Netz stecken.

Hält das Stromnetz das aus?

Reinhardts Zuversicht speist sich auch aus einem Feldversuch, den die Linz AG gemeinsam mit der TU Wien, der Wohnungsgenossenschaft Neue Heimat und dem Wallbox-Pionier Keba im Vorjahr am südlichen Stadtrand von Linz durchgeführt hat. 50 der 100 Bewohner einer Wohnanlage tauschten für den Testzeitraum ihre Verbrenner mit einem E-Auto. „Wir konnten nachweisen, dass es selbst bei einem Anteil von 50 Prozent E-Autos in einer Tiefgarage kein Problem ist, den Ladevorgang für alle gleichberechtigt zu ermöglichen, ohne dass das Netz zusammenbricht“, sagt der BEÖ-Vorstand. Die nächsten zwanzig Jahre sollte das Energiesystem darauf vorbereitet werden, dass dieser Wert in Richtung 100 Prozent gesteigert wird – und zwar ausschließlich aus erneuerbarem Strom. Das ist die eigentliche Herausforderung für den Energie-Experten: „Strom wird immer mehr ein Universalmittel zur Bekämpfung der drohenden Klimakrise. Überall stellt Strom eine Schlüssel­energie dar, um von den fossilen Brennstoffen wegzukommen. Das betrifft nicht nur die E-Mobilität, sondern auch den steigenden Einsatz von Wärmepumpen oder die Erzeugung von Stahl durch Wasserstoff.“  

Verwirrung bei Ladetarifen

Etwa 80 Prozent der E-Auto-Nutzer „tanken“ ihre Batterien zu Hause. Dennoch seien öffentliche Ladestationen im ländlichen Raum wichtig, sagt Reinhardt. Zum einen, weil sie aufgrund längerer zurückgelegter Strecken benötigt werden. Zum anderen ist es auch ein psychologischer Effekt. „Wenn der Eindruck entsteht, es gebe zu wenig Ladestation in der Region, dann sinkt der Anreiz, auf ein E-Auto umzusteigen.“ Laut E-Control gibt es in Österreich rund 8.600 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Bis zu 6.000 öffentliche Ladepunkte können dank E-Roaming im BEÖ-Netz genutzt werden. Abgerechnet wird in der Regel die Zeit, in der ein E-Fahrzeug mit dem Ladepunkt verbunden ist. Das soll sich jetzt mit dem Umstieg auf leistungsabhängige Tarife, mit welchen „getankte“ Kilowattstunden abgerechnet werden, grundlegend ändern. Für die Energieversorger, die bereits Millionen in die Ladesäulen-Infrastruktur investiert haben, eine unangenehme Entwicklung, weil die bestehende Infrastruktur nach dem neuen Eichrecht nicht konform und eine kWh-Abrechnung wie beim Tanken nicht korrekt möglich ist. Reinhardt fordert daher einen Bestandsschutz für die bestehenden Anlagen. Es gäbe hier einfache EU-konforme rechtliche Möglichkeiten. „Wir würden vom BEÖ aus Rahmenbedingungen schaffen, damit die gesamte Bestandsinfrastruktur gut weiter nutzbar ist“, sagt Reinhardt. Der Ausbau des Netzes verschlingt enorme Summen. Nicht nur in Österreich. In Deutschland hat sich der Investment-Gigant BlackRock mit 500 Mio Euro bei der Ladesäulen-Allianz Ionity (VW, BMW, Daimler, Ford, Hyundai) beteiligt, um den flächendeckenden Ausbau von Schnellladestationen zu beschleunigen.

E-Autos gehört die Zukunft

„Wir sehen, dass die E-Mobilität eine Marktfähigkeit erreicht hat. Von der Technologie, von der Akzeptanz, von Kunden und der Verwendbarkeit“, sagt Reinhardt. Alle anderen Technologien sind in weiter Ferne – darauf zu warten ist unverantwortlich. Das treffe sowohl auf E-Fuels als auch auf Wasserstoff zu. Dabei sei ein Wasserstoffauto auch elektrobetrieben. Zusätzlich zu einer kleineren Lithium-Ionen-Batterie sind im Auto noch ein Wasserstofftank und eine Brennstoffzelle verbaut – der während der Fahrt den Li-Ion-Akkus zur Verfügung stehen. 

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