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Christoph Teller, Institutsvorstand für Handel, Absatz und Marketing, JKU Linz
Christoph Teller, Institutsvorstand für Handel, Absatz und Marketing, JKU Linz
JKU

Die Mitte bricht weg

21.02.2024 um 16:19, Klaus Schobesberger
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Christoph Teller, Institutionsvorstand für Handel, Absatz & Marketing an der JKU Linz, über Gewinner und Verlierer, Konsumverhalten und Preise.

Die Inflation ist hoch. Wofür geben die Österreicher ihr Geld aus?
Wir sehen verstärkt ein hybrides Kauf- und Konsumverhalten. Persönliche Vorlieben bestimmen noch viel stärker, wofür das handelsrelevante Budget verwendet wird. Hybrid heißt zum Beispiel: Leute sparen beim Essen zu Hause und gehen öfter zum Discounter einkaufen, möchten aber auf den teuren Hugo-Boss-Anzug nicht verzichten. Dieses Phänomen im Handel ist auch branchenübergreifend zu beobachten. Viele wollen ihr Bier um 1,20 Euro nicht allein zu Hause trinken, sondern suchen auswärts das Erlebnis und die sozialen Kontakte. Schauen Sie sich die Buchungslage in den Wintersportgebieten an, die ist teilweise phänomenal. Jeder, der gern Skifahren geht, weiß, dass es wirklich teuer ist.

Das hat alle überrascht, oder?
Ja, als ob es keine Krise gäbe. Auch hier gilt: Egal welche Branche, es gibt nicht nur Verlierer, es wird immer auch Gewinner geben. Das gilt auch für Gastronomen, die in schwierigen Zeiten und bei allgemeiner Kaufzurückhaltung dennoch erfolgreich sind.

Wer gewinnt in der Gastro – die sich gut vermarkten?
Marketing kann nur im Kontext der gesamten Betriebswirtschaft gesehen werden. Du musst betriebswirtschaftlich sauber und robust arbeiten. Jemand, der eine gute Eigenkapitalquote hat, sein Personal gut behandelt und bezahlt, wird auch Krisenzeiten gut überstehen.

Wenn Vielfalt verloren geht, ist das immer schlecht für Konsumenten.

Christoph Teller, Institutsvorstand für Handel, Absatz & Marketing, JKU Linz

Und dabei tun sich die großen Ketten wie im Einzelhandel leichter?
Die Briten sagen, „brain & brawn is a lethal combination“ – Hirn und Muskeln sind eine tödliche Kombination am Markt. Eine Systemgastronomie, die international aufgestellt ist, hat diese Fähigkeit aufgrund ihrer Größe, Arbeitsteilung und Spezialisierung. In einem kleinen Hotel oder in einer Gastronomie sollte der Unternehmer alles können. In der Praxis zeigen sich die bekannten systemischen Probleme, die wir als Wirtshaussterben kennen: Viele hören auf, weil die Arbeitsbelastung zu hoch ist, ein Nachfolger fehlt, der Return on Investment nicht passt oder es an Personal mangelt. Wer sich nicht positioniert und nicht investiert, hat ein Stuck-in-the-middle-Problem. In der Mitte ist man verwundbarer.

Die wegbrechende Mitte fehlt uns?
Die Antwort ist ein klares Ja. Ein Gasthaus oder ein Restaurant hat auch eine sehr starke soziale Funktion. Wenn immer mehr Unternehmen aus diesem Mittelsegment herausbrechen, geht Vielfalt verloren. Und wenn Vielfalt verloren geht, entstehen Konzentrationstendenzen, die immer schlecht für den Konsumenten sind. Weniger Vielfalt bedeutet weniger Auswahl. Man muss gewisse Anbieter frequentieren, und die bestimmen mehr und mehr, was ich zu wollen habe.

5,50 Euro für ein kleines Bier zu berappen kann schon passieren. Übertreiben es  Wirte mit dem Preis?
Ein höherer Preis, der eine höhere Nachfrage generiert, funktioniert nur für sehr ausgewählte Produkte oder Betriebstypen. Bier ist ein Ankerprodukt, das die Preiswahrnehmung stark prägt. Bei Ankerartikeln übermäßige Preise zu verlangen kann nach hinten losgehen. Es mag an frequenzstarken Standorten wie Skiorten funktionieren, wo deutsche Gäste nur eine Woche bleiben. Für einen Gastwirt, der von der guten Beziehung zu seiner Klientel lebt, ist das die falsche Taktik. Aber ein guter Wirt, eine gute Wirtin hat das im Gespür. Was nicht gegen Preisexperimente spricht. Ein Preis ist ein tolles Marketingtool. Das kostet am wenigsten, wenn man es ändert.

 

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