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Landesinnungsmeister Herbert Wertgarner mit Tochter Victoria, die bereits in siebter Generation das Büchsenmacherhandwerk in Ferlach erlernt hat.
Landesinnungsmeister Herbert Wertgarner mit Tochter Victoria, die bereits in siebter Generation das Büchsenmacherhandwerk in Ferlach erlernt hat.
WERTGARNER 1820

Angaben ohne "Gewehr"

26.02.2024 um 08:31, Jürgen Philipp
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Es waren Schlagzeilen wie "Österreich rüstet auf", die auf immer mehr privaten Waffenbesitz verwiesen. Hauptmotiv sei die Selbstverteidigung.

Die nackten Zahlen klingen hoch: In Österreich gibt es 1,461.656 Schusswaffen. Doch: Sie werden von „nur“ 360.277 Personen – das entspricht 4 Prozent der Bevölkerung – besessen, sprich: Jeder Waffenbesitzer hat im Schnitt vier davon im gesicherten Schrank. Damit liegt Österreich im Vergleich zur globalen Nummer eins, den USA, so weit weg wie San Francisco von New York. In den USA kommen 120 Waffen auf 100 Einwohner. Eine Studie von Marketagent untersuchte die Motivation der heimischen Waffenkäufer. Hauptmotiv der Waffenbesitzer mit 46 Prozent (Mehrfachnennung möglich) wäre demnach die Selbstverteidigung. Der Landesinnungsmeister des Waffenhandels und der Büchsenmacher Herbert Wertgarner, Inhaber von Wertgarner 1820 in Enns und Wien, sieht das differenzierter.

4 Prozent

In Österreich scheint die Zahl beim privaten Waffenbesitz zu explodieren. Ist das wirklich so?
Wenn man bloß ins Waffenregister schaut, sieht man, dass es tatsächlich mehr Waffen gibt. Doch es ist nicht verifiziert, ob es neue Waffen sind oder ob es welche waren, die sich im Umlauf befanden. Ein Teil dieser Waffen taucht einfach auf, weil sie schon immer im Haushalt, gut verwahrt, vorhanden waren, sich aber keiner darum geschert hat, weil keiner wusste, dass es eine Eintragspflicht gibt. Werden Waffen vererbt, wissen das die Erben, gehen zu uns in den Fachhandel und melden es ein. Das ist ein nicht unbeträchtlicher Teil dieses Zuwachs. Das zentrale Waffenregister wurde vor zehn Jahren eingeführt und funktioniert sehr gut.

Marketagent spricht davon, dass für 46 Prozent der Waffenbesitzer Selbstverteidigung die Motivation, eine Waffe zu besitzen, sei. Stimmt das?
Waffenkäufer aus Selbstverteidigungsgründen sind in der Minderheit. Die meisten neuen Waffen werden vor allem an die stark steigende Zahl an Jungjägern verkauft. Die Felder werden größer, man muss heute weiter schießen. Dazu braucht es neue Kaliber, neue Optik oder Schalldämpfer, die früher verboten waren, heute aus Gründen des Gehörschutzes aber erlaubt sind. Die kann man nicht auf alte Waffen montieren. Die alten Waffen bleiben aber im Register. Auch wenn sie nicht mehr benutzt werden, haben sie meist einen sentimentalen Wert. Die zweitgrößte Gruppe sind Sportschützen, das merken wir an unseren Waffentrainings und Waffenführerscheinen. Übrigens: Der Frauenanteil stieg auf mittlerweile 30 bis 40 Prozent. Erst die dritte Gruppe will sich selbst verteidigen können, doch dafür gibt es bessere Mittel als eine Schusswaffe.

Was ist die Besonderheit an Ihrem Gewerbe? Inwieweit sind Ihre Kunden bereits vorinformiert?
Wir gehören zu den wenigen konzessionierten Gewerben. Die Behörde schaut ganz genau, was im Handel angeboten und wohin es verkauft wird. Auch der Kunde wird kontrolliert. Jäger wissen genau, was sie wollen. Sie müssen ja die Jagdprüfung – die „grüne Matura“ – machen. Auch Sportschützen wissen exakt, was sie wollen. Sie haben bereits einen Waffenführerschein und ein psychologisches Gutachten. Wenn einer kommt, der eine Verteidigungswaffe will, den muss man genau aufklären. Was kann alles passieren? Weiß er, welche Verantwortung er hat? Wie verwahrt man eine Waffe richtig? Weiß er, dass er alle fünf Jahre kontrolliert wird? Um kompetent beraten zu können, braucht man eine Spezialausbildung. Es gibt den Lehrberuf Waffen- und Munitionshändler sowie den Büchsenmacher. Büchsenmacher lernen zwar in Ferlach, wie man eine Waffe produziert, in der Praxis fertigen sie aber nicht selbst, sondern passen Serienwaffen an, montieren die richtige Optik, den Lauf oder den Schacht. Sie machen also das Tuning, die Feinanpassung. Das ist technisch sehr komplex.

Wenn man nur ins Waffenregister schaut, sieht man, dass es tatsächlich mehr Waffen gibt. Doch es ist nicht verifiziert, ob es neue Waffen sind.

Herbert Wertgarner, Inhaber Wertgarner 1820
Waffe

Österreich hat eine lange Tradition in der Waffenproduktion. Sind wir da international dabei bzw. wer sind die großen globalen Spieler bei Zivilwaffen? Sind auch da die Chinesen auf dem Vormarsch?
Natürlich haben wir mit Steyr Mannlicher, aber vor allem mit Glock Aushängeschilder, die auf der ganzen Welt bekannt sind. Die Glock ist oft eine Einstiegswaffe. Sie ist einfach und unkompliziert. Sportschützen wollen aber etwas mehr. International sind die Tschechen sehr stark. Die tschechische CZ Group kaufte etwa den US-Hersteller Colt. Die Tradition der Tschechen reicht in die k.-u.-k.-Zeit zurück. Wien, Ferlach, Prag und Budweis waren die großen Waffenhersteller-Hochburgen. Aber auch die Italiener sind gut im Geschäft. Beretta wird in der 24. Generation geführt und ist eines der ältesten Unternehmen in der Branche. Ein alter Lieferschein aus dem 16. Jahrhundert belegt, dass man schon Kanonenrohre an das Arsenal in Venedig geliefert hat. Natürlich sind die USA stark im Geschäft und auch in der Türkei passiert viel. China ist da nicht relevant, allerdings sehr stark in der Optik, etwa bei Nachtsicht- und Wärmebildtechnologie. Da kommt viel Know-how aus der Autoindustrie.

Wie sehen Sie die österreichische Rechtslage bei Schusswaffen? Sollte man das Waffenbesitzgesetz eher liberalisieren oder verschärfen?
Ich glaube, dass Österreich genau den richtigen Mittelweg gefunden hat. Wir haben ein gut funktionierendes Waffengesetz. Es wird viel kontrolliert. Ist die Verlässlichkeit infrage gestellt, etwa bei Themen wie Alkohol, Verkehr oder Familienstreitigkeiten, wird sehr rasch reagiert. Da ist die Mühle schnell zu.

 

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